Aktuelle Krisenerscheinungen und langfristige, globale Strukturumbrüche stellen Deutschland, Europa und Akteure außerhalb Europas gleichermaßen unter Handlungsdruck. Die derzeitigen Krisenerscheinungen und Turbulenzen im internationalen Umfeld sind enorm. Gewaltkonflikte (auch in unmittelbarer europäischer Nachbarschaft), ein erheblicher Flüchtlings- und Migrationsdruck, in weiten Teilen der Welt zunehmende Interner Link: Ungleichheiten zwischen Staaten und innerhalb von Ländern sowie die Folgen des Klimawandels sind einige der prägenden globalen Herausforderungen.
Die Interner Link: Klimaschutzvereinbarungen von Paris (Dezember 2015) sowie die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (September 2015) zeigen, dass es Regierungsvertretern in einem "window of opportunity" (Gelegenheitsfenster) zwar gelungen war, globale Lösungsansätze zu beschließen und auf den Weg zu bringen. Allerdings brachte der Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump diesen zwischenzeitlichen Prozess gemeinsamer Lösungsansätze nicht nur zum Halten, sondern kündigte vor allem durch die Abkehr vom Pariser Klimaschutzabkommen wichtige Grundlagen gemeinsamer globaler Anstrengungen auf. Zugleich sind auch die europäischen Gestaltungsmöglichkeiten auf globaler Ebene durch den angekündigten Interner Link: Brexit geschwächt: Sowohl die Ausstrahlungskraft (im Sinne von soft power) des europäischen Integrationsprojektes als auch das tatsächliche Gewicht der EU (z.B. durch die britische Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat) in globalen Aushandlungsprozessen leiden hierunter. Populistische Regierungen, auch jenseits der USA in Europa, in Asien und in anderen Weltregionen, erschweren die Suche nach gemeinsamen Lösungen.
Herausforderungen für die Entwicklungszusammenarbeit
Die aktuellen globalen Herausforderungen erfordern wirksamere gemeinsame grenzüberschreitende Anstrengungen. Alle Politikfelder haben Begrenzungen, etwa, weil sich die Kapazitäten für die Beteiligung an Friedensmissionen nicht beliebig aufstocken lassen oder Klimaziele mehr Ressourcen für erneuerbare Energien erfordern würden. Zudem müssen grenzüberschreitend und innerhalb von Ländergrenzen sehr heterogene Akteursgruppen (Kommunen, Privatwirtschaft, zivilgesellschaftliche Gruppen, Parlamente, Regierungen etc.) kooperieren, um Lösungen zu finden. Hier ist gemeinsames Handeln oft wegen großer Interessenunterschiede schwierig. Funktionierende Multi-Akteurs-Partnerschaften, wie etwa die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) (deutsch: Initiative für Transparenz im rohstoffgewinnenden Sektor), haben daher mittlerweile einen hohen Stellenwert, weil sie wichtige Triebfedern für positive Veränderungen sind.
Das Zusammenwirken von nach außen gerichteten Politikfeldern wie Außen-, Verteidigungs- und Handelspolitik sowie Entwicklungszusammenarbeit ist eine zentrale Voraussetzung, um angestrebte Ergebnisse zu erzielen: Diese Politikfelder kohärenter aufzustellen und eventuelle Zielkonflikte zu lösen, sind bekannte Herausforderungen. Die Zusammenarbeit ist auch innerhalb von Regierungen anspruchsvoller geworden, da internationale Anstrengungen zunehmend mit klassischen "innenpolitischen" Themen verknüpft sind (und umgekehrt!). Und nicht jedes Politikfeld verfügt über breite internationale Erfahrungen und funktionierende internationale Kooperationsinstrumente mit zum Teil schwierigen Partnern und Ländern.
Die mit Flucht- und Migrationsbewegungen verbundenen Herausforderungen zeigen, dass es sich um vielfältige, miteinander verknüpfte Themen handelt. Ausschließlich etwa auf Fragen der "Fluchtursachenbekämpfung" zu blicken, wäre beispielsweise eine verkürzte Herangehensweise. Künftig die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit wesentlich stärker auf die Länder zu konzentrieren, die in der deutschen und europäischen Migrationsdebatte im Zentrum stehen, könnte beispielsweise dazu führen, Problemen in anderen Regionen weniger starke Beachtung zu schenken. Wie ist es etwa um fragile Länder (wie beispielsweise Interner Link: Burundi) bestellt, die nicht direkt im europäischen Migrationsinteresse stehen? Zudem steht nicht zu erwarten, dass langfristig angelegte Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit – etwa um grundlegende Dienstleistungen im Gesundheits- oder Erziehungsbereich zu verbessern – kurzfristig Menschen davon abhalten werden, eine bessere Zukunft für sich selbst und die eigene Familie etwa in Europa zu erhoffen und zu suchen.
Gestaltung der zukünftigen Entwicklungszusammenarbeit
Debatten über die Interner Link: Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit sollten all dies in Rechnung stellen. Bekannte wichtige Aufgaben gilt es weiterhin zu lösen. Trotz aller Fortschritte sind in der Armutsbekämpfung bei weitem noch nicht alle Ziele erreicht. Dies macht möglichst wirksame entwicklungspolitische Ansätze erforderlich. Hier geht es oft um innovative Antworten auf die Frage, wie bessere entwicklungspolitische Ansätze aussehen sollten: Wodurch können Veränderungen besser als in der Vergangenheit befördert werden, wie lassen sich nachweisbare Resultate erzielen? Was genau sollten entwicklungspolitische Beiträge anders machen, um der Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele (Interner Link: Sustainable Development Goals, SDGs) zu dienen? Wie stark kann Entwicklungszusammenarbeit tatsächlich Erwartungen an kurzfristige Auswirkungen auf Flüchtlings- und Migrationsbewegungen nehmen?
Gleichzeitig gilt es aber angesichts der hohen Dynamik in den internationalen Beziehungen, sich der Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen bewusst zu werden. Entwicklungszusammenarbeit kann nicht einfach als Patentrezept für die Bearbeitung aller globalen Probleme benannt werden. Zugleich kann Entwicklungszusammenarbeit in besonderer Weise an der Bearbeitung von Themen in Entwicklungsregionen und eventuell auch jenseits von traditionellen geographischen Grenzen der Entwicklungszusammenarbeit ansetzen (etwa in solchen Fällen, wo Länder zwar nicht mehr als "Entwicklungsländer" von der OECD anerkannt sind, eine Einbeziehung in Kooperationsprojekte aber dennoch sinnvoll wäre). Ebenso gilt es, mit den Gestaltungsmächten jenseits der etablierten Industriestaaten, wie beispielsweise China, Indien und Brasilien, gemeinsame Strategien zur Bearbeitung globaler Probleme zu finden und umzusetzen. Hier stellt sich die Frage, wie innovative entwicklungspolitische Kooperationsansätze mit diesen Ländern aussehen sollten, wenn traditionelle bilaterale Programme der Zusammenarbeit auslaufen.
Europa als globaler entwicklungspolitischer Akteur
Europa steht derzeit vor großen Herausforderungen. Der hohe Flüchtlings- und Migrationsdruck und Gefährdungen durch den islamistischen Interner Link: Terrorismus erfordern ein verändertes politisches Handeln. Krisen und Interner Link: Konflikte wie in Syrien, Interner Link: Instabilität in Afghanistan oder eine repressive Politik in Eritrea ereignen sich nicht mehr nur fernab des europäischen Alltags als Tragödien, sie sind längst zu Problemen mit globalen Auswirkungen geworden.
Entwicklungspolitische Akteure denken derzeit über Interner Link: künftige Neuorientierungen – etwa neue Kooperationsansätze (s.o.) – nach. Sie beteiligen sich aber auch bereits an der Umsetzung von Maßnahmen – etwa bei der Bewältigung der Fluchtbewegungen. Die derzeitigen Anstrengungen der EU sind allerdings (zu) einseitig auf Migrationsreduzierung und Rückführung von irregulären Migranten ausgerichtet. Alle nach außen gerichteten Politiken der EU – insbesondere die Entwicklungszusammenarbeit – sind dazu aufgefordert, diesem Ziel zu dienen. Der im Juni 2016 beschlossene sogenannte "Migrationspartnerschaftsrahmen" (Externer Link: Migration Partnership Framework) zielt hierauf ab und macht deutlich, dass hierzu alle Politikfelder beitragen müssen. Es ist erkennbar, dass dies zu einer Unterordnung entwicklungspolitischer Ziele unter EU-Migrationsziele führt.
Darüber hinaus sind entwicklungspolitische Akteure gefordert, Leitlinien zu benennen, die ein durchdachtes Handeln in der Zukunft ermöglichen. Internationale Kooperation ist für den vorausschauenden Umgang mit den Krisen von zentraler Bedeutung. Die Institutionen der EU und ihre Mitgliedstaaten werden noch viel stärker in ein breit gefächertes internationales Engagement investieren müssen.
Ein stärkeres internationales Engagement ist für Europas Gestaltungsmöglichkeiten zentral. Europäische Akteure – einschließlich Deutschland – sollten sehr viel konsequenter ihre Möglichkeiten erweitern, international zu agieren. Dies sollte nicht isoliert, sondern gemeinsam im europäischen Rahmen und auf globaler Ebene über die Interner Link: Vereinten Nationen erfolgen. Grundsätzlich besteht die Notwendigkeit, besser auf Krisensituationen vorbereitet zu sein. Dies erfordert sowohl systematische kurzfristige Ansätze als auch langfristige Konzepte zur Bewältigung von Krisen bei allen Kooperationspartnern. Debatten zwischen kurz- und längerfristig ausgerichteten Instrumenten sind in der Realität oft stark voneinander getrennt. Gerade im Licht der aktuellen Krisen sollten langfristige Ansätze zur Bearbeitung von Entwicklungsproblemen besonders betont werden.
Dieser Artikel ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: Migration und Entwicklung.
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