Die Zusammenhänge zwischen Migration und Entwicklung werden auf globaler Ebene einerseits im Rahmen spezifischer, auf Migration und Entwicklung fokussierter Initiativen diskutiert, wie dem
Die Debatte zu den Zusammenhängen zwischen Migration und Entwicklung ist keineswegs neu. In gewisser Weise ist der Zusammenhang ursächlich: Migration (oder ihre Abwesenheit) ist immer auch Ausdruck von (fehlender) Entwicklung, ein Zusammenhang, der bereits im 19. Jahrhundert thematisiert wurde. Durch die Erkenntnis, dass staatliche Lenkungsmaßnahmen Entwicklung befördern können, wurden Wanderungsbewegungen mit ihren positiven und negativen Auswirkungen auf Entwicklung wahrgenommen, etwa im kolonialen Zusammenhang oder in Debatten über "Brain Drain" (negative Auswirkungen durch Abwanderung von Arbeitskräften) in den 1960er und 1970er Jahren.
Seit den späten 1990er Jahren heben sich die Debatten zu Migration und Entwicklung inhaltlich von früheren deutlich ab: So stehen besonders die positiven Beiträge von MigrantInnen auf die Entwicklung ihrer Herkunftsregionen im Mittelpunkt, zuvor wurden eher die negativen Folgen thematisiert oder der Nutzen von (Arbeits-)Migration für Aufnahmestaaten hervorgehoben. Wie kam es dazu, dass die Verknüpfung von Migration und Entwicklung seit etwa einem Jahrzehnt einen fixen Bestandteil sowohl von Politikdebatten zu Migration als auch zu Entwicklung auf internationaler Ebene darstellt? Welche Initiativen trugen dazu bei, diese Debatte zu institutionalisieren? Im Folgenden wollen wir uns diesen Fragen widmen. Wir schließen mit einem kurzen Ausblick auf die Zukunft der Debatte im Kontext der Krise des liberalen Multilateralismus und der Rückkehr ausdrücklich nationalistischer Interessenpolitik, gerade auch im Kontext von Migration.
Warum wurde Migration zu einem zentralen Thema auf globaler Ebene?
Veränderungen der Migrationsdynamiken, geopolitische Umwälzungen im Zuge des Endes des Ost-Westkonflikts, die Politisierung von Migration in westlichen Zuwanderungsländern sowie institutionelle Veränderungen auf globaler Ebene trugen dazu bei, dass Migration auf globaler politischer Ebene zu einem Thema werden konnte.
So stieg die Anzahl der weltweiten MigrantInnen deutlich an, von etwa 99 Millionen weltweit (oder 2,2 Prozent der Weltbevölkerung) im Jahr 1980 auf rund 155 Millionen (2,9 Prozent) im Jahr 1990 und 244 Millionen (3,3 Prozent) in 2015.
Das Ende des Ost-West-Konfliktes und der Zusammenbruch der kommunistischen Staaten Ost- und Südosteuropas hatten direkte Auswirkungen auf das Migrationsgeschehen in Europa und machten aus Migration eines der zentralsten politischen Themen.
Meilensteine des Migrations-Entwicklungs-Nexus
Die Internationale Konferenz zu Bevölkerung und Entwicklung 1994 in Kairo wird gemeinhin als der Auftakt der gegenwärtigen Debatten zu Migration und Entwicklung angesehen. Die Konferenz war auch ein erster Schritt dazu, Migration und Entwicklung auf der Ebene der Vereinten Nationen (United Nations, UN) als Thema zu verankern.
Kofi Annan setzte als Generalsekretär der Vereinten Nationen Migration in seiner zweiten Amtszeit auf die internationale Entwicklungsagenda, die 2003 schließlich in der Entscheidung gipfelte, einen UN High-Level Dialogue on International Migration and Development (UNHLD) abzuhalten, ohne jedoch damit konkrete Absichten auf bestimmte Verhandlungsresultate zu verbinden.
Der erste UNHLD fand im September 2006 mit der Zielsetzung statt, die "multidimensionalen Aspekte von Migration und Entwicklung" zu debattieren, "um geeignete Ansätze und Wege zu identifizieren, die positiven Entwicklungseffekte zu maximieren und die negativen Auswirkungen zu miniminieren". Ein Ergebnis des UNHLD war die Einrichtung des
Thematische Schwerpunkte
Die politische Debatte zu Migration und Entwicklung in Folge des ersten UNHLD und u.a. im Rahmen der daraufhin stattfindenden GFMD-Konferenzen stellte vier verschiedene Themenbereiche in den Fokus.
Zentrale Themenbereiche in der Debatte um den Migrations-Entwicklungs-Nexus (Interner Link: Grafik zum Download) (© bpb)
Zentrale Themenbereiche in der Debatte um den Migrations-Entwicklungs-Nexus (Interner Link: Grafik zum Download) (© bpb)
Beim Themenkomplex Mobilität von Humankapital geht es zentral um die Auswirkungen der Abwanderung von Arbeitskräften auf das Herkunftsland. Dies kann im Herkunftsland einen großen Verlust für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung darstellen ("Brain Drain"), aber für Zuwanderungsstaaten einen Gewinn sein ("Brain Gain"). Negative Auswirkungen können durch entsprechende Maßnahmen wie z.B. Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern, Förderprogramme im Bildungsbereich, Partnerschaften zwischen Herkunfts- und Zielländern und Ansätze der ethischen Anwerbung gemildert werden. Zunehmend geht es auch um die Frage, ob MigrantInnen in der Migration ihr Humankapital entsprechend einsetzen können (Debatten zu Dequalizifierung und "Brain Waste") bzw. wie das Humankapital von MigrantInnen durch bessere Erfassung und
Die Rolle von MigrantInnen als Entwicklungsakteure steht im Zentrum der Diskussion zu Diasporas. Der Ausgangspunkt der Diskussion ist die Beobachtung, dass MigrantInnen mitunter intensive Beziehungen zu Herkunftsländern pflegen und Entwicklungsprojekte umsetzen. Viele Länder haben diese Entwicklung erkannt und eine Reihe von Maßnahmen und Einrichtungen geschaffen, die sich auf die Zusammenarbeit mit der Diaspora spezialisiert haben, wie beispielsweise die Etablierung entsprechender Ministerien in Armenien, Mali oder Senegal.
Rücküberweisungen (finanzielle Transfers von MigrantInnen, sogenannte Remittances) sind seit etwa einem Jahrzehnt eines der zentralsten Themen innerhalb der Diskussion zu Migration und Entwicklung. Der offensichtlichste Grund ist ihre schiere Größenordnung – weltweit rund 429 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 und damit fast dreimal mehr als die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA).
Rückkehrende MigrantInnen können die durch die Migration und Tätigkeiten im Aufnahmeland gewonnene Erfahrungen und Qualifikationen im Herkunftsland einsetzen und somit zu positiven Entwicklungseffekten beitragen. Gemeint ist jedoch nicht nur die dauerhafte Rückkehr, sondern auch die zeitlich beschränkte oder die sogenannte virtuelle Rückkehr, bei der MigrantInnen im Zielland bleiben und unter Nutzung von modernen (Kommunikations-)Technologien einen Beitrag zur Entwicklung in den Herkunftsländern leisten, beispielsweise durch den Transfer von Knowhow.
Der Fokus der Debatten um die Zusammenhänge von Migration und Entwicklung liegt auf den positiven Entwicklungseffekten von Migration auf die Herkunftsländer. Besonders im EU-Kontext bildet jedoch das Ziel der Beseitigung von Migrations- und Fluchtursachen ("Root Causes") ein weiteres zentrales Element in Debatten zu Migration und Entwicklung. Sie stellte bereits in den ersten Ansätzen zu einer externen Migrationspolitik und der Kooperation mit Drittstaaten in den 1990er Jahren einen wichtigen Eckpfeiler dar.
Ausblick
Aktuell gerät der auf die positiven Entwicklungseffekte von Migration fokussierte Diskurs zum Migrations-Entwicklungs-Nexus zunehmend unter Druck. Hintergründe für diese Entwicklung bilden die polarisierten Debatten zu Migration in Folge des
Dass die angesprochenen Handlungsfelder im Migrations- und Entwicklungsnexus zu strukturellen Veränderungen in Ländern des globalen Südens führen werden, ist jedoch unwahrscheinlich. Unbestritten bleibt allerdings, dass Migration für viele Staaten einen zentralen Stellenwert für allgemeine soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklungsprozesse haben kann. Die Verknüpfung von Migration mit Entwicklung hat außerdem dazu geführt, einen notwendigen Diskussionsprozess zwischen Staaten des "Nordens", des "Südens" sowie zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Akteuren auf globaler Ebene einzuleiten und MigrantInnen als Akteure in den Vordergrund zu rücken.
Dieser Artikel ist Teil des Kurzdossiers
- Interner Link: Entwicklungszusammenarbeit (APUZ 7-9/2015)
Interner Link: Flucht, Migration und Entwicklung: Wege zu einer kohärenten Politik Interner Link: Was sagt die Forschung über den Zusammenhang von Migration und Entwicklung? Interner Link: Rücküberweisungen und ihr Beitrag zur Entwicklung in den Herkunftsländern Interner Link: Landgrabbing: Wie der Hunger nach Boden die Welternährung bedroht