Wohnen von Migrant*innen und ihre (begrenzte) Teilhabe
Wohnen ist nicht nur ein Grundbedürfnis, es ist auch eine wichtige Voraussetzung für Interner Link: Integration. Wohnungsmarkt und Teilhabe an allen Lebensbereichen hängen eng miteinander zusammen. Denn der Wohnungsmarkt beeinflusst, wo Menschen leben und welche Zugänge sie zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Ressourcen haben. Ein aktuelles Beispiel sind die mit beengten Wohnverhältnissen verbundenen Herausforderungen für konzentriertes Arbeiten im Homeschooling und Homeoffice während der Corona-Pandemie. Ungleiche Wohnverhältnisse sind damit nicht nur Ausdruck, sondern auch Ursache sozialer Ungleichheiten.
Deutschland ist eine Interner Link: 'postmigrantische Gesellschaft'. Eine Gesellschaft, in der die Grenzen zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft, zwischen Alteingesessenen und Zugewanderten immer mehr verschwinden – und die sich vor dem Hintergrund der Debatten um den Stellenwert von Migration neu ordnet. Doch auch wenn Migration immer mehr zur – umkämpften – Normalität wird, gibt es noch Unterschiede und Ungleichheiten. So verfügen beispielsweise Interner Link: Personen mit Migrationshintergrund immer noch über ein geringeres Durchschnittseinkommen. Sie sind daher auf die erschwinglichen Segmente des Wohnungsmarktes besonders angewiesen. In den letzten zwanzig Jahren hat sich jedoch der Interner Link: Bestand der preisgebundenen Wohnungen in Deutschland mehr als halbiert. Angebote fehlen insbesondere in jenen Segmenten, die von (ressourcenschwächeren) Migrant*innenhaushalten besonders häufig nachgefragt werden: preisgünstige Mietwohnungen für Einpersonenhaushalte und für Haushalte mit fünf und mehr Personen.
Die schlechtere Wohnsituation von Migrant*innen und ihren Nachkommen lässt sich statistisch nachweisen. Dies bezieht sich sowohl auf die Wohnlage und Qualität des Wohnraums als auch auf die zu zahlenden Mietpreise: Interner Link: Mieter*innen mit Migrationshintergrund zahlen für vergleichbare Wohnungen durchschnittlich höhere Mieten pro Kopf als jene ohne Migrationshintergrund. Dies ist besonders kritisch, da sie im Schnitt über weniger Zimmer pro Person und eine geringere Wohnfläche verfügen und in Nachbarschaften mit geringerer Interner Link: Kaufkraft wohnen. Darüber hinaus gilt zu beachten: Daten zu Zugewanderten in besonders prekären Wohnverhältnissen fließen oftmals nicht in klassische Statistiken ein: Dies betrifft beispielsweise Personen, die während des Interner Link: Asylverfahrens in Gemeinschaftsunterkünften leben, Zugewanderte, die ohne Anmeldung in oft überbelegten und heruntergewirtschafteten Immobilien wohnen, oder obdach- und wohnungslose sowie illegalisierte Migrant*innen.
Die schlechteren Wohnverhältnisse Zugewanderter sind neben den Zugangsbegrenzungen aufgrund der geringeren finanziellen Ressourcen auch auf Formen Interner Link: struktureller Benachteiligung zurückzuführen.
Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt
Interner Link: Versorgungsengpässe erzeugen ein Umfeld, in dem Raum für Benachteiligung entsteht: Angesichts des allgemeinen Mangels an Wohnungsangeboten können selbst 'faire' Vermietungsverfahren keine ausreichende Wohnungsversorgung sicherstellen. Neben der (begrenzten) Verfügbarkeit erschwinglichen Wohnraums erschweren auch die Vermietungsentscheidungen der Wohnungsanbietenden die Wohnraumversorgung von Menschen mit (zugeschriebenem) Interner Link: Migrationshintergrund: So berichtet rund jede dritte Person mit Migrationshintergrund, die in den letzten zehn Jahren auf Wohnungssuche war, Erfahrungen mit Diskriminierung aufgrund ihrer (ethnischen) Herkunft gemacht zu haben. Und Diskriminierung lässt sich nicht einfach mit der deutschen Staatsangehörigkeit abstreifen. Schwarze Menschen muslimischen Glaubens etwa berichten zu fast 90 Prozent von Diskriminierungserfahrungen bei der Wohnungssuche.
Es lassen sich Interner Link: zwei unterschiedliche Formen von Diskriminierung unterscheiden. Die unmittelbare Diskriminierung ist eine direkte Folge von benachteiligenden Handlungen und umfasst Praktiken, die einen unmittelbaren Bezug zu Diskriminierungsmerkmalen haben (z.B. die Ablehnung einer Mieterin aufgrund ihrer Hautfarbe). Hiervon können Formen mittelbarer Diskriminierung unterschieden werden: Scheinbar neutrale Praktiken und Vorgaben können, wie im Folgenden illustriert wird, die Benachteiligung bestimmter Personenkategorien und sozialer Gruppen zur Folge haben.
Exkludierende Wirkungen des Leitbilds 'stabiler Nachbarschaften'
Das im Interner Link: Baugesetzbuch (BauGB) formulierte Ziel der "Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen" eröffnet Wohnungsanbietenden die legitime Möglichkeit des gezielten Ausschlusses bestimmter, als 'problematisch' wahrgenommener Haushalte. Der Anteil an Migrant*innen wird vielfach als Indikator für ein vermeintliches Interner Link: 'Problemviertel' und seine 'Instabilität' herangezogen. Mit der Handlungsmaxime der 'Stabilisierung' im Bestand erhöht sich daher die Wahrscheinlichkeit, dass eine Mieter*innenwahl mit der Benachteiligung vulnerabler Bevölkerungsgruppen einhergeht. In der Folge werden beispielsweise Wohnungsgesuche von Migrant*innen insbesondere in privilegierten 'deutsch geprägten' Quartieren abgelehnt. Eine gezielte Belegungssteuerung im Sinne einer 'Stabilisierung' kann somit als Form der mittelbaren Diskriminierung verstanden werden.
Das Interner Link: Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll Diskriminierungen entgegenwirken. In § 19 Abs. 3 AGG heißt es, dass bei „der Vermietung von Wohnraum […] eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse zulässig“ sei. Mit dieser Formulierung soll im Sinne einer ' positiven Diskriminierung' der bevorzugte Zugang für Menschen mit Migrationshintergrund auch in bislang wenig von Migration geprägten Wohngebieten erleichtert werden . Jedoch verweist eine Studie auf die annähernd durchgängige Fehlinterpretation durch Wohnungsanbietende: Das Ziel einer 'guten Mischung' dient für viele als Rechtfertigung für den gezielten Ausschluss von migrantisch gelesenen Haushalten insbesondere in Quartieren, die bereits einen hohen Anteil dieser Gruppe aufweisen.
Welche Hebel müssten in Bewegung gesetzt werden, um den Zugang von Migrant*innen zum Wohnungsmarkt zu verbessern?
Wohnen in Zeiten einer postmigrantischen Gesellschaft
Eine verstärkte Investition in den preisgebundenen Wohnungsbau sowie umbau- und umverteilungsfördernde Maßnahmen im Bestand (z.B. kommunale Plattformen zum Wohnungstausch oder Wohnflächenabgaben) sind notwendig, damit Wohnraum zugänglich, preisgünstig und zielgruppengerecht sowie gleichzeitig klimaschonender wird. Auch können interkulturelle Öffnung sowie die Etablierung von Interner Link: Diversity-Management und Anti-Diskriminierungsprozessen in Verwaltung und Wohnungsunternehmen Schritte in Richtung diskriminierungsfreier Strukturen sein. Dies beinhaltet auch ein kritisches Prüfen des Leitbilds "stabiler Bewohnerstrukturen" in seiner Wirkung auf die Wohnraumversorgung von Migrant*innen. Aktuelle Studien zeigen nämlich deutlich, dass die Stabilität eines Quartiers nicht vom Grad seiner 'ethnischen' Interner Link: Segregation abhängig ist. Viel entscheidender sind Kommunikations- und Beteiligungsstrukturen sowie soziale Infrastrukturen, wie Schulen oder Beratungseinrichtungen, die den lokalen Bedarfen entsprechen und Begegnung fördern.
Die Integrationsleistung, die in Interner Link: migrationsgeprägten Quartieren Tag für Tag erbracht wird, ist für die gesamte Gesellschaft relevant. Die Bedeutung dieser sogenannten Interner Link: 'Ankunftsquartiere' (mit hoher Fluktuation und Einkommensarmut) als potenzielles Sprungbrett in die Stadtgesellschaft wird inzwischen auch von der Politik (z.B. im Nationalen Aktionsplan Integration) explizit anerkannt. Soziale Infrastrukturen müssten dabei so gestaltet sein, dass sie für Neuzugewanderte wie Alteingesessene gleichermaßen offen sind. Gleiches gilt für die Wohnraumversorgung. Ein migrationsbezogener Blick auf Wohnungsfragen ist dabei leider immer noch nötig, um Ungleichheiten sichtbar zu machen und ihnen systematisch entgegenwirken zu können.