Im Jahr 2007 überstieg nach Angaben der Vereinten Nationen weltweit erstmals die Zahl der Städterinnen und Städter jene der Menschen, die auf dem Land wohnten. 2018 lebten 55 Prozent der Weltbevölkerung in Städten – das waren rund 4,2 Milliarden Menschen. Die UN nimmt an, dass ihre Zahl bis 2050 auf 6,7 Milliarden wachsen wird. Dann würden zwei Drittel der Erdbevölkerung in Städten leben. Beinahe 90 Prozent dieses Wachstums konzentrieren sich auf Asien und Afrika. Dieser Trend nennt sich Interner Link: Urbanisierung – oder auch Verstädterung.
Warum wachsen Städte?
Zum Wachstum der städtischen Bevölkerung tragen unterschiedliche Faktoren bei. Ein Element bildet das natürliche Wachstum, das dann eintritt, wenn die Zahl der Geburten in einer Stadt höher ist als jene der Sterbefälle. Weil vor allem in den großen Städten die Geburtenraten meist nicht sehr hoch sind, bleibt häufig das natürliche Bevölkerungswachstum recht gering. Interner Link: Migrationen aus ländlichen Gebieten der näheren oder weiteren Umgebung, zum kleineren Teil aber auch aus anderen Ländern, können ebenfalls zum städtischen Bevölkerungswachstum beitragen. Nicht selten haben solche Land-Stadt-Wanderungen ein höheres Gewicht für den Anstieg der Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner als das natürliche Wachstum. Ein weiterer, wenn auch in der Regel weniger wichtiger Faktor, der zu einem Wachstum der Bevölkerung einer Stadt führt, sind Eingemeindungen: Benachbarte Gemeinden einer flächenmäßig wachsenden Großstadt verlieren ihre Selbstständigkeit und werden dieser zugeschlagen.
Der Urbanisierungsgrad der Kontinente wurde von der UN zuletzt 2018 erhoben. Im globalen Vergleich zeigt sich, dass der Grad der Verstädterung in Afrika mit 42,5 Prozent und in Asien mit 49,9 Prozent bisher am geringsten ist. Den höchsten Anteil an urbaner Bevölkerung weist Nordamerika mit 82,2 Prozent auf, gefolgt von der Region Südamerika und Karibik mit 80,7 Prozent. Europa erreicht 74,5 Prozent, Ozeanien 68,2 Prozent. Neben Stadtstaaten wie Singapur weisen auch Länder wie Belgien mit 98,5 Prozent und Japan mit 91,9 Prozent sowie einzelne Emirate am Persischen Golf wie Kuwait (100 Prozent) und Katar (99,6 Prozent) extrem hohe Verstädterungsgrade auf.
Die Stadtbevölkerung wächst – weltweit
Wie das folgende Schaubild anhand eines Vergleichs der Kontinente für die Jahre 1950, 2018 und 2050 deutlich macht, hat sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts die Urbanisierung weltweit verstärkt. Dabei ist vor allem in den Gesellschaften des Globalen Südens der Umfang der städtischen Bevölkerung sprunghaft angestiegen – eine Entwicklung, die sich voraussichtlich fortsetzen wird.
Um 1900 lagen neun von zehn der weltweit größten Städte in Europa oder in den USA. 1950 zählten weltweit nur zwei Städte jeweils mehr als zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, 1990 waren es dann zehn solcher "Megacities", die zusammen 153 Millionen Menschen zählten. 2018 gab es bereits 33 Megacities mit insgesamt 529 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. In diesen 33 Städten, von denen sich 20 in Asien, sechs in Lateinamerika, drei in Afrika sowie jeweils zwei in Europa und Nordamerika befanden, wohnten 13 Prozent der weltweiten Stadtbevölkerung und sieben Prozent der Weltbevölkerung. Bis 2030 soll die Zahl der Megacities auf 43 ansteigen, die dann fast 15 Prozent der Weltbevölkerung beherbergen werden.
Die mit Abstand größte Megacity bildete 2018 der Großraum Tokio (Japan) mit rund 37 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, gefolgt von Delhi (Indien) mit 29 Millionen, Shanghai (China) mit 26 Millionen sowie Mexiko-Stadt und São Paulo (Brasilien) mit je rund 22 Millionen. Da davon auszugehen ist, dass wegen des gegenwärtig hohen Durchschnittsalters der japanischen Bevölkerung und der niedrigen Geburtenraten Tokios Bevölkerungszahl ab 2020 sinken wird, dürfte Delhi bis zum Jahr 2030 mit voraussichtlich rund 39 Millionen Menschen die japanische Hauptstadt als weltweit größte Stadt ablösen.
Weit vorangeschritten ist zudem die Entwicklung von "Mega-Regionen", die auch als "Metacities" bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um städtische Räume mit jeweils mehr als 20 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Sie entwickeln ihre Wachstumsdynamik auch deshalb, weil einzelne Megacities miteinander verschmelzen. 2010/11 ging die UN davon aus, dass die japanische Mega-Region Tokio-Nagoya-Osaka-Kyoto-Kobe im Jahr 2015 rund 60 Millionen Menschen umfassen werde. Die Distanz Tokio-Kobe beträgt knapp 430 Kilometer; knapp die Hälfte der japanischen Bevölkerung lebt in dieser Mega-Region. In Brasilien sollte 2015 der zusammenwachsende Gürtel von Großstädten von São Paulo bis Rio de Janeiro rund 43 Millionen Bewohnerinnen und Bewohnern zählen. Und die chinesische Mega-Region Hongkong-Shenzhen-Guangzhou schätzte die UN auf eine Bevölkerung von 120 Millionen. Unmittelbar vergleichbare neuere Angaben sind zwar nicht verfügbar, die Schätzungen des Jahres 2010/11 aber lassen gewiss die Größenordnung solcher neuen städtischen Verdichtungsräume erkennen.
Wachstum vor allem im Globalen Süden
Das weltweite Wachstum der städtischen Bevölkerung findet bis 2030 voraussichtlich zu mehr als 85 Prozent in Afrika und Asien statt. Im Globalen Süden soll sich der Umfang der städtischen Bevölkerung nach Schätzungen der UN von 3,2 Milliarden im Jahr 2018 auf 5,6 Milliarden bis 2050 beinahe verdoppeln. Wie rasch die Stadtbevölkerung dabei in den vergangenen Jahrzehnten wuchs und zukünftig wachsen wird, verdeutlichen folgende Angaben für die afrikanische Bevölkerung: 1910 soll die Zahl der Stadtbewohnerinnen und -bewohner in Afrika bei vier Millionen gelegen haben, 1950 waren es 33 Millionen, 1990 dann 200 Millionen, 2018 lag sie bei 548 Millionen. 2030 werden nach Schätzungen der UN 824 Millionen und 2050 schließlich fast 1,5 Milliarden Menschen in afrikanischen Städten leben. Die nigerianische Stadt Lagos bietet ein eindrückliches Beispiel für das Wachstum afrikanischer Städte: 1950 gab es dort rund 325.000 Menschen, heute bildet sie mit einer Bevölkerung von rund 13,5 Millionen nach Kairo die zweitgrößte Stadt des Kontinents. Und 2030 sollen in Lagos 20,6 Millionen Menschen leben. Kairo wiederum zählte 1950 fast 2,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, für 2030 werden 25,5 Millionen erwartet. Gegenwärtig wird davon ausgegangen, dass auf dem afrikanischen Kontinent ab 2033 mehr Menschen in Städten als auf dem Land leben werden.
Ein Großteil der Städte und urbanen Agglomerationen wuchs in Afrika, Asien oder Südamerika in den vergangenen Jahrzehnten ungeplant. Die Infrastruktur (Straßen, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Elektrizität, Müllbeseitigung usw.) hielt meist nicht Schritt. Oft waren soziale Konflikte und die Bildung von Slums die Folge. Slums lassen sich definieren als informelle Siedlungen mit einer hohen Bevölkerungsverdichtung, die gekennzeichnet sind durch eine prekäre Bausubstanz, eine wenig ausgebaute Infrastruktur, geringen Schutz vor Witterungseinflüssen und vor (tierischen und menschlichen) Eindringlingen.
Mit den Städten wachsen auch die Slums
2014 lebten weltweit rund 881 Millionen Menschen in Slums, schätzt die UN – also fast jeder achte Mensch und nahezu 30 Prozent der globalen städtischen Bevölkerung. Während die absoluten Zahlen seit 1990 (rund 689 Millionen) gestiegen sind, sind sie prozentual zurückgegangen (1990: 46,2 Prozent). Zudem gibt es immense Unterschiede in der regionalen Verteilung: Vor allem in afrikanischen Ländern südlich der Sahara zählte mehr als die Hälfte der Städterinnen und Städter zu den Slum-Bewohnern, in den Städten Südasiens war es beinahe ein Drittel. Einer der größten Slums der Welt, Nezahualcóyotl, ein Teil von Mexiko-Stadt, beherbergt rund 1,2 Millionen Menschen. Zusammen mit weiteren angrenzenden Siedlungen wird der Stadtteil auch als "Mega-Slum" bezeichnet.
Selbst wenn sie durch große Slums gekennzeichnet sind, bleiben (große) Städte dennoch für viele Menschen Interner Link: attraktive Zuwanderungsziele: Sie sind Zentren von Wirtschaftswachstum, ökonomischer und gesellschaftlicher Innovation, bieten im Vergleich zu ländlichen Regionen in der Regel zahlreichere und differenziertere Erwerbsmöglichkeiten im formellen und informellen Sektor. Die Gesundheitsversorgung ist meist besser, das gilt ebenso für das Angebot an Gütern des täglichen Bedarfs oder für Bildungsmöglichkeiten. Insgesamt erscheint die Zuwanderung in die Stadt vielen Menschen als eine Chance, mehr Handlungsmöglichkeiten für sich zu erschließen. Neben dem natürlichen Bevölkerungswachstum wird deshalb in Zukunft das Wachstum der Städte weiterhin zu einem großen Teil das Ergebnis von Land-Stadt-Wanderungen sein.