Malaysisches Palmöl für die Welt – migrantische Arbeitskräfte für Malaysia
Palmöl lässt sich heute in fast jedem Privathaushalt finden. Ob in Lebensmitteln, Kosmetika oder Biokraftstoffen – das flexibel einsetzbare und energetisch hochwertige Pflanzenöl ist vom Weltmarkt nicht mehr wegzudenken. Mit einem globalen Marktanteil von mehr als 33 Prozent ist Malaysia nach Indonesien der zweitgrößte Palmölproduzent der Welt.
Traurige Berühmtheit erlangte Palmöl zu Beginn der 2000er Jahre aufgrund der mit dem Anbau verbundenen Zerstörung komplexer Ökosysteme.
Die zur Herstellung von Palmöl kultivierten Ölpalmen werden in Malaysia – ebenso wie in den Nachbarländern in der Region (u.a. Indonesien, Thailand und den Philippinen) – in großen Monokulturen angebaut. Ein Großteil der Ernte, Aufzucht und Pflege der Ölpalmen muss ‚per Hand‘ ausgeführt werden, da diese Tätigkeiten bisher nicht mechanisiert werden konnten. Es handelt sich dabei meist um schwere körperliche und gesundheitsgefährdende Tätigkeiten, die in Malaysia zum überwiegenden Teil von migrantischen Arbeitskräften ausgeführt werden.
Malaysia gilt als wichtigstes Zielland für sogenannte niedrig-qualifizierte Arbeitskräfte aus der Region.
Billige Arbeitskräfte – segmentierter Arbeitsmarkt
Bereits unter britischer Kolonialherrschaft (Ende 18. Jahrhundert bis zur Unabhängigkeit 1957) wurden ausländische Arbeitskräfte zu einem integralen Bestandteil der wirtschaftlichen Entwicklung Malaysias. Einheimische Arbeitskräfte waren in einigen Regionen aufgrund ihrer dünnen Besiedlung entweder nicht verfügbar oder die einheimische Bevölkerung weigerte sich, unter den harten Bedingungen des kolonialen Kapitalismus zu arbeiten.
Im Falle Malaysias wird mittlerweile häufig von einem ethnisch segmentierten Arbeitsmarkt gesprochen. Vereinfacht dargestellt bedeutet das, dass eine gewisse Arbeitsteilung zwischen ‚heimischen‘ und ‚migrantischen‘ Arbeitskräften vorherrscht. Während malaysische Arbeiter*innen eher in Berufen zu finden sind, die eine höhere Qualifikation voraussetzen, kanalisiert der malaysische Staat die Migration ‚niedrig-qualifizierter‘ Arbeitskräfte aktiv in jene Beschäftigungsfelder, die für heimische Arbeitskräfte aufgrund des niedrigen Lohnniveaus und der schlechten Arbeitsbedingungen als unattraktiv gelten. Die Herausbildung einer transnationalen Reserve an Arbeitsmigrant*innen kann v.a. auf folgende Gründe zurückgeführt werden: Politische Bemühungen zur Überbrückung der anhaltenden Kluft zwischen Angebot und Nachfrage nach billigen Arbeitskräften in Malaysia, die staatliche Unterstützung der Abwanderung in den Herkunftsländern dieser Arbeitskräfte und die Entscheidung ausländischer Arbeitskräfte, in Malaysia Arbeit zu suchen.
Angezogen werden die Arbeitsmigrant*innen durch die im Vergleich zu den Herkunftsländern höheren Löhne und die Hoffnung, genug Geld sparen zu können, um ihren Lebensstandard im Herkunftsland zu verbessern. Angeworben werden die Arbeitskräfte zumeist durch familiäre oder außer-familiäre soziale Netzwerke oder über private Agenten bzw. Agenturen.
Arbeits- und Lebensbedingungen migrantischer Arbeitskräfte in der Palmölindustrie
In der Palmölproduktion werden die ausländischen Arbeitskräfte v.a. für arbeitsintensive, körperlich belastende Tätigkeiten eingesetzt. Auf Ölpalmenplantagen herrscht dabei eine geschlechtliche Arbeitsteilung. Während männliche Arbeitskräfte vorwiegend für die Ernte und den Abtransport der Ölpalmfrüchte verantwortlich sind, übernehmen Frauen die Pflege von Ölpalmsetzlingen, das Aufsammeln loser Früchte und das Versprühen von Pestiziden zur Schädlingsbekämpfung. Letzteres kann schwere gesundheitliche Schäden nach sich ziehen, da den Frauen bei der Arbeit mit den Giftstoffen häufig keine ausreichende Schutzkleidung zur Verfügung steht. Hautverätzungen, Nervenkrankheiten bis hin zu Fehlgeburten und Missbildungen von Neugeborenen können die Folgen sein. Auch der Einsatz von Kinderarbeit ist auf den Ölpalmenplantagen keine Seltenheit.
Malaysia versucht die migrantischen Arbeitskräfte daran zu hindern, sich ein Leben jenseits ihrer Arbeit aufzubauen. Arbeitsmigrant*innen dürfen ihre Familien nicht nach Malaysia mitbringen oder dort heiraten.
Migrant*innen, die in Malaysia arbeiten wollen, müssen eine formelle Arbeitserlaubnis beantragen, die zunächst für drei Jahre gültig ist und anschließend um bis zu zwei Jahre verlängert werden kann. Je nach Staatsangehörigkeit gewähren die malaysischen Behörden unterschiedlichen Arten von Genehmigungen für ausgewählte Wirtschaftszweige. Das führt zu einer staatlich geregelten Arbeitsteilung nach Staatsangehörigkeit.
Oft rutschen ausländische Arbeitskräfte in die Illegalität, weil sie ihren Arbeitsplatz unerlaubt wechseln, ihre Arbeitserlaubnis ausläuft oder aufgrund einer wirtschaftlichen Rezession zurückgezogen wird. Ihre Position auf dem Arbeitsmarkt ändert sich dann in zweierlei Hinsicht: Einerseits gewinnen Arbeiter*innen ohne Papiere Autonomie, da sie nun frei von einem Arbeitsplatz zum anderen wechseln können, keine Steuern zahlen und es schwierig ist, sie zum Verlassen des Landes zu bewegen, weil den Behörden keine Informationen über ihren Aufenthaltsort zur Verfügung stehen.
Die Löhne der migrantischen Arbeitskräfte übersteigen fast nie den Mindestlohn. Studien haben zudem gezeigt, dass die Löhne sehr unterschiedlich ausfallen können – je nachdem, ob es sich um Löhne auf der Grundlage von unbefristeten Verträgen handelt oder um solche, die sich an Erntequoten oder Stücklohnsätzen orientieren.
Kleinbauern (sogenannte smallholder),
Plantagen- und Mühlenunternehmen mittlerer Größe sowie
große, international operierende oder staatsnahe Unternehmen.
Während größere Unternehmen versuchen, die gesetzlichen Bestimmungen zu Mindestlöhnen und Überstunden auszureizen, werden die von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen beschäftigten Arbeitnehmer*innen regelmäßig unterbezahlt und unterbeschäftigt.
Sozialer Aufstieg durch Migration – eine Illusion?
Seit den 1950er Jahren gab es in Malaysia verschiedene politische Maßnahmenpakete, die dazu beitragen sollten, Einkommensunterschiede zwischen urbanen und ländlichen Haushalten zu verringern, Armut zu bekämpfen und neue attraktive Arbeitsplätze zu schaffen. Keines dieser Programme verfolgte jedoch das Ziel, die Arbeits- und Lebensumstände der zahlreichen im Land lebenden ‚niedrig-qualifizierten‘ Arbeitsmigrant*innen zu verbessern. Dies trifft auch auf die 2012 verabschiedete Bioökonomie-Strategie zu.
Zwar gibt es einige Gewerkschaften (wie beispielsweise die Sabah Plantation Industry Employees Union – SPIEU) und Nichtregierungsorganisationen (wie Tenaganita), die sich für die Rechte migrantischer Arbeiter*innen in Malaysia einsetzen. Darüber hinaus erhalten Arbeitsmigrant*innen in der Palmölindustrie aber kaum Unterstützung. Die meisten großen Gewerkschaften des Landes zeigen wenig Solidarität mit migrantischen Arbeitskräften. Stattdessen setzen sie sich für eine Privilegierung heimischer Arbeitskräfte ein, Arbeitsmigrant*innen spielen in ihre Politiken keine Rolle. Unter den anhaltenden prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen bleibt für die meisten ausländischen Arbeitskräfte der mit der Migration verbundene erhoffte soziale Aufstieg daher aus.
Aktuelle Entwicklungen: Arbeitsmigration und Pandemie
Seit dem Beginn der globalen
Weil bei der vorübergehenden Stilllegung der Palmölproduktion die Löhne oft nicht weiter ausgezahlt wurden, verschlechterten sich die Lebensbedingungen der betroffenen Arbeitskräfte. Viele konnten sich nicht mehr ausreichend mit Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern versorgen. Besonders verwundbare migrantische Gruppen (Tagelöhner*innen, Leiharbeiter*innen und undokumentierte Arbeiter*innen) waren hiervon besonders betroffen. Hinzu kam, dass sie von medizinischer Versorgung, die zuvor häufig auf den Plantagen bereitgestellt wurde, abgeschnitten wurden. Insbesondere undokumentierten Arbeitsmigrant*innen, die sich unter Umständen mit dem Virus infizierten hatten, fehlte der Zugang zu ärztlicher Hilfe.
Die Situation verschlechterte sich jedoch nicht flächendeckend. So zeigen Berichte von Arbeiter*innen und Gewerkschaftsaktivist*innen, dass einige Plantagenunternehmen zwar die allgemeinen Hygieneregeln nur rudimentär umgesetzt und auch während der Pandemie "business as usual" betrieben haben. In gewerkschaftlich organisierten Plantagen konnte allerdings häufig eine Weiterzahlung von Löhnen erwirkt, die Unterbringung der Arbeiter*innen gewährleistet und die gesundheitliche Grundversorgung aufrechterhalten werden.
Dieser Artikel ist Teil des Kurzdossiers