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Kommunen und ihre Rolle bei der Flüchtlingsaufnahme: Rechtslage, Rechtsprechung, relevante Rechtsquellen | Kommunale Migrations- und Flüchtlingspolitik | bpb.de

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Kommunen und ihre Rolle bei der Flüchtlingsaufnahme: Rechtslage, Rechtsprechung, relevante Rechtsquellen

Johannes Hellermann

/ 8 Minuten zu lesen

Einige Kommunen in Deutschland wollen freiwillig mehr Geflüchtete aufnehmen. Sie setzen sich seit einigen Jahren für ein stärkeres Mitspracherecht bei der Flüchtlingsaufnahme ein. Wie ist es um die kommunale Rechtsposition in dieser Hinsicht bestellt?

Ein aufgeschlagenes Gesetzbuch zeigt den Art. 63 Asyl, Einwanderungspolitik. Kommunen können weder gesetzlich noch von Verfassungs wegen eigenständige Entscheidungsbefugnisse in Asylfragen beanspruchen. (© picture-alliance, Bildagentur-online/Leitner-McPhoto)

Seit einigen Jahren streben Städte und Gemeinden nach einer stärkeren Einflussnahme auf die Aufnahme von größeren Gruppen geflüchteter Menschen. An Bedeutung gewannen diese Bestrebungen durch Ereignisse wie die umfangreiche Interner Link: Fluchtzuwanderung im Jahr 2015 oder durch Notsituationen, etwa nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos im Interner Link: September 2020. Welche Rechtsposition haben Kommunen mit Blick auf die Aufnahme Geflüchteter? Dies soll im Folgenden skizziert werden.

Grundlagen zur Rechtsstellung der Kommunen

In der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes bilden die Interner Link: Kommunen, d.h. insbesondere die Städte bzw. Gemeinden und die Landkreise, keine eigene staatliche Ebene, sondern sind sie Teil der Länder. Innerhalb der Länder stellen sie eine weitere Verwaltungsebene dar. Dabei zeichnet die Interner Link: Kommunen aus, dass sie als Gebietskörperschaften gegenüber dem Land rechtlich verselbständigt sind und Art. 28 Abs. 2 GG (wie auch entsprechende Bestimmungen der Landesverfassungen) ihnen ein besonderes Recht zur Selbstverwaltung garantiert. Auf Grund dieser Verfassungsgarantie genießen insbesondere Städte und Gemeinden grundsätzlich Allzuständigkeit für einen eigenen, örtlichen Wirkungskreis – nämlich das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze eigenverantwortlich wahrzunehmen.

Unter den – von überörtlichen, insbesondere staatlichen Aufgaben abzugrenzenden – Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft versteht das Bundesverfassungsgericht in seinem bis heute grundlegenden Rastede-Beschluss aus dem Jahr 1988 Folgendes: "…diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben …, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen;…". Diese Definition kann gewisse Schwierigkeiten und Unsicherheiten aufwerfen – nicht zuletzt, weil sich bei einzelnen Aufgaben örtliche und überörtliche Bezüge vermischen und im Laufe der Zeit auch verändern können. Soweit es um eine Aufgabe mit relevantem örtlichen Charakter geht, muss der Gesetzgeber beachten, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ein – so das Bundesverfassungsgericht – "materielles Aufgabenverteilungsprinzip" zugunsten der Gemeinden beinhaltet. Das bedeutet – knapp zusammengefasst –, dass der Gesetzgeber die Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft den Gemeinden nur entziehen oder beschränkend regeln darf, wenn Gründe des (überwiegenden) Gemeininteresses dies gebieten; das soll vor allem dann der Fall sein, wenn anders die ordnungsgemäße Erfüllung der jeweiligen Aufgabe nicht sichergestellt wäre. So hat das Bundesverfassungsgericht in dem genannten Rastede-Beschluss gebilligt, dass der Gesetzgeber herkömmliche gemeindliche Aufgaben der Abfallbeseitigung von den kreisangehörigen Gemeinden auf die Landkreise verlagert hat, weil die Gemeinden die gestiegenen Anforderungen an Umweltschutz, Seuchenabwehr und Landschaftspflege nicht (mehr) erfüllen konnten.

Die Kommunen sind Teil der staatlichen Exekutive der Bundesrepublik. Daher müssen sie einschlägige, unmittelbar anwendbare Vorgaben des Europäischen Unionsrechts beachten. Innerstaatlich unterliegen sie – wie der Vorbehalt „im Rahmen der Gesetze“ in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verdeutlicht – der in Art. 20 Abs. 3 GG festgelegten Gesetzesbindung der Interner Link: vollziehenden Gewalt. Kommunen sind also verpflichtet, die – verfassungsgemäßen, insbesondere mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbaren – Gesetze des Bundes und des jeweiligen Landes zu beachten.

Auf der Grundlage dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben regeln die einzelnen Bundesländer die Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinden konzeptionell unterschiedlich. Einige Bundesländer (z.B. Bayern) unterscheiden zwischen den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft als den verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsaufgaben und weiteren, staatlich übertragenen Aufgaben der Gemeinden. Andere Bundesländer (z.B. Nordrhein-Westfalen) verstehen alle Verwaltungstätigkeit der Städte und Gemeinden in ihrem Gebiet als Selbstverwaltungstätigkeit – erkennen aber ebenso an, dass es Aufgaben gibt, die den Städten und Gemeinden als Pflichtaufgaben auferlegt worden sind, bei deren Erfüllung sie an (staatliche) Weisungen gebunden sind. Ungeachtet konzeptioneller Unterschiede ist es freilich in Deutschland flächendeckend so, dass die Gemeinden allein im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben eigenständig entscheiden dürfen, welche Aufgaben sie sich vornehmen wollen und wie sie diese erfüllen möchten. Bei der Wahrnehmung bestimmter ihnen auferlegter Pflichtaufgaben hingegen müssen sie, soweit das Gesetz dies vorsieht, staatliche Weisungen befolgen und unterstehen hierbei einer staatlichen Fachaufsicht.

Folgerungen für die Rechtsstellung bei der Aufnahme von geflüchteten Menschen

Der gesetzliche Rahmen

Viele Kommunen haben in den vergangenen Jahren gegenüber Bund und Ländern signalisiert, freiwillig geflüchtete Menschen aufnehmen zu wollen – etwa Schutzsuchende, die aus Seenot gerettet wurden. Weder das Europäische Unionsrecht noch das verfassungsrechtliche Selbstverwaltungsrecht stehen dem entgegen. Für die Kommunen maßgeblich ist insoweit die nationale, bundesgesetzliche Ausgestaltung des Rechts von Ausländerinnen und Ausländern, nach Deutschland einzureisen und sich in der Bundesrepublik aufzuhalten.

Die wesentlichen, hier relevanten Regelungen finden sich im Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Danach müssen ausländische Staatsangehörige, die in das Bundesgebiet einreisen wollen, in der Regel über einen sogenannten Aufenthaltstitel verfügen, also beispielsweise ein Visum, eine Interner Link: Blaue Karte EU oder eine Niederlassungserlaubnis besitzen (§ 4 AufenthG). Im Bereich der Aufnahme von geflüchteten Menschen ist hier vor allem die sogenannte Interner Link: Aufenthaltserlaubnis (§ 7 AufenthG) relevant, die es Ausländerinnen und Ausländern erlaubt, sich zu bestimmten Zwecken vorübergehend in Deutschland aufzuhalten – etwa weil sie erfolgreich Asyl beantragt haben und ihnen Interner Link: ein Schutzstatus gewährt wurde. Für die Aufnahme von geflüchteten Ausländerinnen und Ausländern aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen sind die §§ 22 ff. AufenthG relevant, insbesondere § 23 Abs. 1, der sich auf die Aufnahme größerer Gruppen bezieht. Er erlaubt der obersten Landesbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anzuordnen, dass Ausländerinnen und Ausländern "aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen" eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Ein Beispiel, bei dem diese Bestimmungen angewendet wurden, waren die 2013 bis 2015 aufgelegten Programme der Bundesländer zur Interner Link: humanitären Aufnahme von Syrerinnen und Syrern. Wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Vorgängerbestimmung von § 23 Abs. 1 AufenthG, dem bis 2004 geltenden § 32a Abs. 1 Ausländergesetz, ausdrücklich festgestellt hat, sind nach dem Gesetz Belange von Kommunen nicht zu berücksichtigen und sollen Kommunen insoweit erst recht keinen rechtlichen Einfluss haben.

Der Vollzug des Aufenthaltsgesetzes obliegt nach den einschlägigen Ausführungsregelungen der Länder durchweg den Kommunen – zumeist den Landkreisen und kreisfreien Städten, in einzelnen Ländern auch größeren kreisangehörigen Gemeinden. Die kommunalen Ausländerbehörden nehmen diese Verwaltungsaufgabe – je nach landesrechtlicher Konzeption – als übertragene staatliche Aufgabe oder als "Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung" wahr. Damit unterliegen sie der Fachaufsicht der übergeordneten Ausländerbehörden und müssen sich an entsprechende Weisungen halten. So enthält eine Anordnung nach § 23 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich die an die Ausländerbehörde gerichtete Weisung, Ausländerinnen und Ausländern, die die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Umgekehrt lässt § 23 Abs. 1 AufenthG es wegen seines humanitären und politischen Gehalts der Rechtsprechung nach in aller Regel nicht zu, den Anwendungsbereich über die Intention der obersten Landesbehörde hinaus auszudehnen; ohne deren Anordnung sind daher die Kommunen als Ausländerbehörden zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht befugt.

Weitergehende Befugnisse auf Grund der Garantie kommunaler Selbstverwaltung?

Dass das Aufenthaltsgesetz den Städten und Gemeinden so wenig Spielraum bei der Flüchtlingsaufnahme gewährt, wirft die Frage auf, ob ihnen auf Grund des verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechts weitergehende Mitentscheidungs- oder jedenfalls Mitspracherechte zuzugestehen sind. Das hängt davon ab, ob sie geltend machen können, dass es sich dabei um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 GG handelt.

Nicht ganz unumstritten, aber überzeugend wird angenommen, dass die Entscheidung über die Einreise von ausländischen Staatsangehörigen keine Angelegenheit einer örtlichen Gemeinschaft, sondern eine überörtliche, staatliche Angelegenheit ist, weil die Auswirkungen nicht nur die zunächst aufnehmende Kommune, sondern Deutschland insgesamt betreffen würden. Dies wird bestätigt durch die im Grundgesetz festgelegten Bundeskompetenzen (vgl. Art. 32 Abs. 1, Art. 73 Nr. 3, Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 und 6 GG). Das mit der Aufnahme geflüchteter Menschen verfolgte humanitäre Anliegen wird nicht schon dadurch zu einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, dass eine Gemeinde es lokal verwirklichen will. Dass die Rechtsprechung den Gemeinden zugestanden hat, für die Benutzung einer bestehenden gemeindlichen Einrichtung, dem Zweck der Einrichtung entsprechend, die Wahrung bestimmter humanitärer Standards vorzuschreiben, kann dem nicht entgegengehalten werden. Denn: Im Fall der Anwendung auf eine vorhandene kommunale Einrichtung ist der spezifische örtliche Bezug gegeben; hinsichtlich der Entscheidung über die Aufnahme von geflüchteten Ausländerinnen und Ausländern gilt dies allerdings nicht. Dass das Aufenthaltsgesetz den Städten und Gemeinden insoweit kein eigenes Entscheidungsrecht einräumt, steht mit Art. 28 Abs. 2 GG im Einklang.

Die Rechtsprechung erkennt allerdings eine über die eigenen Entscheidungskompetenzen hinausgehende sogenannte Befassungskompetenz der Städte und Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 GG an. Eine solche bloße Befassungskompetenz nehmen Städte und Gemeinde in Anspruch, wenn sie den Stellen in Bund und Land, die über die Aufnahme zu entscheiden haben, anbieten, freiwillig mehr geflüchtete Menschen in ihrem Gebiet aufzunehmen. Auch insoweit besteht nach der Leitentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ("atomwaffenfreie Zone") aus dem Jahr 1990 kein allgemeinpolitisches Mandat. Städte und Gemeinden dürfen sich mit Fragen, die nach der gesetzlichen Kompetenzordnung anderen Trägern öffentlicher Gewalt zugewiesen und überörtlicher Natur sind, nur befassen, sofern es dafür einen spezifischen örtlichen Bezug gibt. Beim Angebot, freiwillig mehr geflüchtete Menschen im eigenen Gemeindegebiet aufzunehmen, wird dieser spezifische örtliche Bezug zu bejahen sein. Das Befassungsrecht kann man den Städten und Gemeinden in diesem Fall kaum absprechen.

Schluss

Die Rechtsstellung der Kommunen im Zusammenhang mit der Aufnahme geflüchteter Menschen erweist sich als eher schwach. Weder gesetzlich noch von Verfassungs wegen können sie eigenständige Entscheidungsbefugnisse beanspruchen; sie sind nur Vollzugsbehörden unter der Fachaufsicht und dem Weisungsrecht des Landes. Hinsichtlich der Aufnahme größerer Gruppen geflüchteter Menschen aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen sind sie nach gegebener Gesetzeslage abhängig von der Entscheidung von Land und Bund, die sie allenfalls mit ihrem politischen Gewicht zu beeinflussen versuchen können. Erst nach der Aufnahme, wenn es um die Unterbringung, Betreuung und Integration aufgenommener Flüchtlinge geht, verlagert sich der Schwerpunkt der Aufgabenerledigung auf die Kommunen, so dass sich vor Ort größere Gestaltungsspielräume eröffnen.

Dieser Artikel ist Teil des Interner Link: Kurzdossiers "Kommunale Migrations- und Flüchtlingspolitik".

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die ebenfalls von Art. 28 Abs. 2 GG erfassten Landkreise haben keine solche Allzuständigkeit.

  2. BVerfGE 79, 127 (151 f.).

  3. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 79, 127 [154]; 110, 370 [400]) gesteht dem Gesetzgeber insoweit einen begrenzten Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Reichweite der Selbstverwaltungsgarantie zu.

  4. BVerwG, B. v. 26.09.1997 – 1 B 139.97, juris, Rn. 10 = NVwZ 1998, 184.

  5. BVerwG, B. v. 14.03.1994 – 1 B 25/94 -, juris, Rn. 4; B. v. 26.09.1997 – 1 B 139.97, juris, Rn. 10 = NVwZ 1998, 184, jeweils zum früheren Ausländergesetz.

  6. Vgl. z.B. § 1 S. 2 Verordnung über Zuständigkeiten im Ausländerwesen (ZustAVO) NRW.

  7. BVerwG, Urt. v. 19.09.2000 – 1 C 19.19, Rn. 16 = BVerwGE 112, 63 (66) = NVwZ 2001, 210.

  8. OVG Magdeburg, B. v. 07.07.2006 – 2 M 182/06, juris, Rn. 11; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 19.09.2011 – 1 C 21.10, juris, Rn. 16 = NVwZ-RR 2012, 292 (293), VGH München, Urt. v. 28.07.2014 – 19 ZB 12.2521, juris, Rn. 14, zu der insoweit parallel zu beurteilenden Bestimmung des § 23 Abs. 2 AufenthG.

  9. Vgl. BVerwGE 148, 133 (137 ff.), zu dem Verbot in einer gemeindlichen Friedhofssatzung, in ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellte Grabmäler zu verwenden.

  10. BVerwGE 87, 228 (230 ff.).

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Prof. Dr. Johannes Hellermann ist Inhaber eines Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Bielefeld. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen das Verfassungs- und das Kommunalrecht.