Städte und Gemeinden stehen im Zentrum eines dynamischen Wanderungsgeschehens, das humanitär begründete, familiär und ökonomisch motivierte sowie bildungsbezogene Interner Link: Migration umfasst. Deutschland ist in Europa nicht nur zu einem attraktiven Ziel für freizügigkeitsberechtigte EU-Staatsangehörige und Interner Link: ausländische Studierende geworden, sondern hat in den vergangenen Jahren auch Interner Link: viele Schutzsuchende aufgenommen. Zwar ist der Anteil der Interner Link: Menschen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung in städtischen Regionen (32,4 Prozent) doppelt so hoch wie in ländlichen Regionen (16,0 Prozent), aber Migration ist nicht mehr nur in Groß- und Mittelstädten ein soziales Phänomen, sondern auch in vielen kleinen Städten und Gemeinden. Verfügt in Großstädten mit 500.000 und mehr Einwohner*innen etwa jede*r Dritte (35,8 Prozent) über einen Migrationshintergrund, ist es in Kleinstädten mit 5.000 bis 20.000 Einwohner*innen jeder Fünfte (20,3 Prozent).
Während der Bund erst mit dem 2005 in Kraft getretenen Interner Link: Zuwanderungsgesetz Integration als staatliche Aufgabe festschrieb, bildet die Gestaltung des Zusammenlebens von Einheimischen und Zugewanderten für viele Städte, Gemeinden und Landkreise in Deutschland bereits seit Jahrzehnten einen festen Bestandteil lokaler Politik: Viele Kommunen haben über die Zeit differenzierte Integrationskonzepte und -strategien entwickelt, entsprechende Einrichtungen und Dienste geschaffen sowie die örtliche Interner Link: Zivilgesellschaft eingebunden. Durch die verstärkte, teilweise wirtschaftlich motivierte Zuwanderung im vergangenen Jahrzehnt und die umfassende Aufnahme von Asylsuchenden 2015/2016 entwickelte sich die Integration von Menschen mit Migrations- und Fluchtbiografie zu einer der wichtigsten aktuellen Herausforderungen für Politik und Gesellschaft in Deutschland.
Im Interner Link: föderalen Mehrebenensystem der Bundesrepublik Deutschland wird Interner Link: Integrationspolitik als Gemeinschaftsaufgabe von Staat und Gesellschaft, Bund, Ländern und Kommunen sowie einer Vielzahl zivilgesellschaftlicher Akteure entwickelt und umgesetzt. Kommunen haben in diesem Politikfeld deutlich größere Mitgestaltungsmöglichkeiten als bei der Steuerung von Migration, die in erster Linie dem Bund obliegt.
Bundesregierung und Bundesländer sind im Bereich der Integrationspolitik insbesondere für die Gestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen sowie die Förderung in zentralen Integrationsbereichen verantwortlich – etwa die Vermittlung von Sprachkenntnissen im Rahmen von Interner Link: Integrationskursen. Sie beeinflussen die Bedingungen der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Städten, Gemeinden und Landkreisen, beispielsweise über die Verteilung von Geflüchteten innerhalb Deutschlands und die Festlegung der Voraussetzungen für eine (dauerhafte) Aufenthaltserlaubnis. Die Kommunen verfügen aber gemäß Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes über das Recht, "alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln". Sie können ihre Integrationspolitik an die lokalen Bedingungen anpassen und nach eigenen Vorstellungen organisieren. Sie fördern und gestalten – zusammen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren – die Interner Link: Integration und Teilhabe von Eingewanderten, die Öffnung der Verwaltung und das Miteinander vor Ort und leisten damit einen unverzichtbaren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Relevanz der lokalen Ebene
Für die soziale Integration von Migrant*innen ist die kommunale Ebene von zentraler Bedeutung. In Städten und Gemeinden, Stadtvierteln und Quartieren erfolgt die Integration in die zentralen Bereiche der Gesellschaft: Dort wohnen und arbeiten die Menschen, gehen in den Kindergarten und zur Schule, begegnen anderen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Hier werden die Grundlagen für Anerkennung, Vertrauen und sozialen Zusammenhalt gelegt. Integrationserfolge, aber auch die Folgen einer mangelnden Integration von Zugewanderten und ihren Nachkommen zeigen sich vor allem auf lokaler Ebene. Die Kommunen haben daher ein großes Interesse an einer gelingenden Interner Link: Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.
Entwicklung und Ausgestaltung der kommunalen Integrationspolitik werden vor allem durch lokale Faktoren wie Größe und soziodemografische Struktur der Kommune, Anteil der Zugewanderten und ihrer Nachkommen an der Gesamtbevölkerung, (finanzielle) Handlungsmöglichkeiten und politische Konstellationen, Geschichte und Struktur der Integrationsarbeit sowie Initiativen und Zusammenwirken verschiedener Akteure vor Ort beeinflusst. Die über lange Zeit mangelnde Klarheit und Widersprüchlichkeit der integrationspolitischen Rahmensetzungen von Bund und Ländern in einem "Einwanderungsland wider Willen" hat zudem die Herausbildung verschiedener Pfade kommunaler Integrationspolitik und vielerorts auch eine mangelnde Kontinuität lokaler Integrationsbemühungen begünstigt.
Die skizzierte Heterogenität der Ausgangsbedingungen in den Kommunen zur Gestaltung von Integrationsprozessen führt dazu, dass kommunale Integrationspolitik sehr unterschiedlich ansetzt. Sie umfasst dabei eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungsfelder. Hierzu gehören insbesondere Angebote zur Förderung der sozialen Integration von Zugewanderten wie die Verbesserung von Sprachkompetenzen und Bildungschancen, die Erleichterung der Zugänge zu Ausbildung und Arbeitsmarkt, Integration und Teilhabe im Quartier, freiwilliges Engagement und politische Partizipation. Auch Maßnahmen zur Förderung von Toleranz und Zusammenhalt, zur Prävention und Moderation von Konflikten sowie zur interkulturellen Öffnung von Behörden und Vereinen in der Gesamtgesellschaft werden von vielen Kommunen initiiert. Sie unterstützen die Integrationsarbeit von Wohlfahrtsverbänden und Kirchen, von Interner Link: Migrantenselbstorganisationen oder religiösen Gemeinden. Viele Städte fördern zudem zivilgesellschaftliche Initiativen, die Migrant*innen und Geflüchtete unterstützen oder sich für interkulturelle Begegnungen einsetzen.
Stand der kommunalen Integrationspolitik in Deutschland
Bereits eine 2012 im Auftrag der Bundesregierung erstellte Studie zum "Stand der kommunalen Integrationspolitik in Deutschland" hat gezeigt, welche Bedeutung die Kommunen der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund beimessen. Zudem wurde durch die Studie zweierlei deutlich: (1) wie hoch der Verbreitungsgrad eigener, den lokalen Bedingungen angepasster kommunaler Strategien zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ist; (2) dass die Empfehlungen der kommunalen Spitzenverbände zur aktiven Gestaltung der kommunalen Integrationspolitik von vielen Städten, Gemeinden und Landkreisen umgesetzt werden. Die Ergebnisse der Studie zeigten allerdings auch, dass der Stellenwert der kommunalen Integrationspolitik sehr stark von der Gemeindegröße und dem Anteil der Migrant*innen beeinflusst wird: Je größer die Gemeinde und je höher der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dem Thema der Integration von Zugewanderten eine hohe Bedeutung zugeschrieben wird.
Kommunen begründen die große Bedeutung von Integrationspolitik einerseits ressourcenorientiert: Viele Kommunen versuchen vor dem Hintergrund von Interner Link: demografischem Wandel und Interner Link: Fachkräftemangel die Potenziale der Bevölkerung mit Migrationsgeschichte und damit einhergehende Chancen für die Regionalentwicklung systematischer zu erschließen. Andererseits verweisen Kommunen auf die Folgekosten mangelnder Integration oder sozialräumlicher Problemlagen. Die Integration von Zugewanderten wandelt sich in diesem Prozess von einer Sonderaufgabe zu einer zentralen Zukunftsaufgabe, in der nicht mehr nur die soziale Integration einer einzelnen Bevölkerungsgruppe, sondern die Entwicklungsperspektive und der Zusammenhalt der ganzen Kommune in den Fokus genommen wird. Integrationspolitik wird folglich zunehmend als Aufgabe gesehen, die stärker mit anderen zentralen Politikfeldern in der Kommune verknüpft und die gemeinsam mit vielen Akteuren gestaltet werden muss.
Die hohe Interner Link: Zuwanderung von Geflüchteten in den Jahren 2015/2016 ist in vielen Städten, Gemeinden und Landkreisen zu einer zentralen Herausforderung geworden. Während in den ersten Monaten Aufnahme, Unterbringung und Versorgung im Vordergrund standen, zeigte sich schon bald, dass es vielfältiger Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen sowie eines abgestimmten Zusammenwirkens von Kommune, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft bedarf, wenn Integration gelingen soll. Die starke Zuwanderung der letzten Jahre hat dazu geführt, dass inzwischen auch viele Landkreise sowie Klein- und Mittelstädte diesem Politikfeld eine hohe Bedeutung zumessen. In einer neuen Studie wird sogar hervorgehoben, dass die Jahre 2015/2016 in den Kommunen für einen "enormen migrationspolitischen Innovationsschub" sorgten, da bestehende kommunale Integrationskonzepte an vielen Orten um die Gruppe der Geflüchteten erweitert wurden. Zudem waren bislang wenig durch Migration geprägte Regionen gefordert, an die lokalen Bedingungen angepasste Konzepte und Strategien zur Förderung von Integration und Teilhabe zu entwickeln.
Perspektive: Vielfalt gestalten – Zusammenhalt stärken
Kommunen sind gefordert, den sozialen Zusammenhalt in einer Interner Link: immer diverseren Gesellschaft zu gestalten. Sie sollten die vorhandene Akzeptanz von Vielfalt in der Bevölkerung als Ressource nutzen, aber auch den Ängsten und Befürchtungen jener Menschen begegnen, die Migration und demografischen Wandel eher als Bedrohung denn als Bereicherung erleben. Dazu können alltägliche Begegnungen von Einheimischen und Zugewanderten sowie die Vermeidung ihrer Interner Link: sozialräumlichen Segregation erheblich beitragen. Besondere Bedeutung kommt auch Ankerpunkten und Gelegenheiten für Begegnung, Dialog und Engagement im Stadtteil zu. Die Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft wird dabei wesentlich vom Zusammenwirken einer aktiven Kommunalpolitik und einer lebendigen Zivilgesellschaft geprägt sowie von Menschen, die sich vor Ort für ein friedliches Miteinander, ein inklusives Gemeinwesen und Teilhabechancen für alle Bevölkerungsgruppen einsetzen.
Dieser Artikel ist Teil des Interner Link: Kurzdossiers "Kommunale Migrations- und Flüchtlingspolitik".