Das Grundgesetz weist dem Bund die Gesetzgebungskompetenz über das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht von ausländischen Staatsangehörigen und Angelegenheiten von Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlingen zu. Der Bund wirkt wiederum bei der Entwicklung und Anwendung einer in den EU-Verträgen vorgesehenen
Kriterien für die Aufnahme von Flüchtlingen und das Asylverfahren sind im Asylgesetz und im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geregelt. Aus humanitären Gründen können Flüchtlinge auch außerhalb des Asylverfahrens aufgenommen werden. § 23 AufenthG ermächtigt das Bundesinnenministerium "im Benehmen" – d.h. in Absprache – mit den Ländern, die letztlich die Flüchtlinge unterzubringen und zu versorgen haben, zur Wahrung "besonders gelagerter politischer Interessen" der Bundesrepublik Deutschland Flüchtlinge in größerer Zahl aufzunehmen. Dasselbe gilt für das Resettlement (
Auch die Länder können Aufnahmeprogramme beschließen,
Diese Struktur soll nach den Vorstellungen einiger Bundesländer und Kommunen dahingehend geändert werden, dass ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, eigenverantwortlich – also ohne die Zustimmung des Bundes – über die humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen zu entscheiden. Diese Länder und Kommunen wollen einen Entscheidungsspielraum erwirken, der es ihnen ermöglicht, Schutzsuchende auch ohne das Einverständnis des Bundesinnenministeriums aufzunehmen.
Der Vorschlag stößt allerdings meines Erachtens nach auf gravierende rechtspolitische und verfassungsrechtliche Bedenken. Wie ich im Folgenden skizzieren werde, ist er mit Grundprinzipien des deutschen Aufenthaltsrechts nicht vereinbar, gefährdet die Verhandlungsposition der Bundesrepublik Deutschland beim Versuch, eine EU-weite einheitliche Aufnahmeregelung für humanitäre Flüchtlinge zu erreichen und beeinträchtigt die Zielsetzung einer auf die Interessen der gesamten Bundesrepublik Deutschland ausgerichteten Steuerung der humanitären Aufnahme von Flüchtlingen in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarstaaten.
Ein Grundprinzip des deutschen Einwanderungs-und Asylrechts ist die in § 1 AufenthG normierte Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländerinnen und Ausländern unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit und unter Beachtung der humanitären Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Die Erfüllung dieser Aufgabe beinhaltet ein weites politisches Gestaltungrecht des Bundes, dem entsprechend seiner Gesetzgebungsbefugnis die Ausgestaltung und Koordinierung der zahlreichen Aspekte einer kohärenten Einwanderungs- und Asylpolitik zukommt. Damit kann auch die Übertragung neuer Aufgaben und Befugnisse und selbstverständlich auch die logistische und finanzielle Unterstützung von Ländern und Gemeinden verbunden sein – insbesondere hinsichtlich der Aufgabe, die im Bundesgebiet aus humanitären Gründen aufgenommenen Flüchtlinge unterzubringen und in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt zu integrieren. Diese Übertragung von Aufgaben und Befugnissen beinhaltet jedoch meines Erachtens nach keine eigenständige politische Gestaltungsbefugnis von Ländern und Gemeinden bei der humanitär motivierten Aufnahme von Flüchtlingen. Humanitäre Aufnahmeprogramme haben eine hohe asylpolitische Bedeutung, da sie Aufnahmemöglichkeiten auch außerhalb des geltenden Einreise- und Asylrechts eröffnen. Selbst, wenn sie – wie Art. 23 AufenthG – keine individuellen Ansprüche beinhalten, senden sie, wie ich meine, Signale nach außen und geben damit Anreize, die häufig gefährliche Reise in Richtung Deutschland zu unternehmen.
Erheblich bedeutsamer ist aber die asylpolitische Funktion solcher Aufnahmeprogramme. Die Eröffnung neuer und von Bundesland zu Bundesland und möglicherweise von Kommune zu Kommune divergierender humanitärer Aufnahmeprogramme läuft praktisch auf die Notwendigkeit einer koordinierten und transparenten einheitlichen Aufnahmepolitik hinaus. Die Teilnahme der Bundesrepublik an einem abgestimmten EU-Konzept zur Aufnahme und Verteilung von Schutzsuchenden würde signifikant gefährdet, wenn Länder und Kommunen eine eigene Aufnahmepolitik betreiben könnten, da dies den EU-internen Verhandlungsprozess notwendigerweise beeinflussen würde. Hinzu kommt, dass die von einem Bundesland oder einer Kommune beschlossene humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen längerfristig die Belange anderer Bundesländer und Kommunen tangieren kann. Zwar gibt es die Möglichkeit, die aufgenommenen Schutzsuchenden mithilfe einer Wohnsitzauflage zu verpflichten, in der aufnahmegewährenden Kommune zu verbleiben, eine solche Wohnsitzpflicht kann aber nur vorübergehend auferlegt werden, sodass nach ihrem Ablauf eine Weiterwanderung in eine andere Kommune in einem anderen Bundesland nicht ausgeschlossen werden kann. Diese müsste dann gegebenenfalls für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge aufkommen. Eine auf eine Gemeinde beschränkte Aufenthaltserlaubnis ist im deutschen Recht nicht vorgesehen. Die Aufenthaltserlaubnis beinhaltet ein Aufenthaltsrecht für das Bundesgebiet. Die Zustimmung des Bundes zur Auflage von humanitären Aufnahmeprogrammen ist daher unverzichtbar.
Voraussetzung einer gesetzlichen Übertragung von
Zwar lässt der Begriff der eigenverantwortlichen humanitären Aufnahme unterschiedliche Verständnisse darüber zu, inwieweit die Ausübung solcher Befugnisse mit den bundespolitischen Grundsätzen der Asylpolitik und den gesetzlichen Vorgaben des Bundes vereinbar sein muss. Ungeachtet dessen ist aber eine potentielle Konfliktsituation mit den bundesrechtlichen Kompetenzen sowohl bei der Gestaltung einer EU-koordinierten Asylpolitik als auch den bundesrechtlichen Vorgaben einer das Asylrecht ergänzenden humanitären Flüchtlingsaufnahme strukturell vorprogrammiert. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die fiskalpolitischen Belastungen des Bundes, anderer Länder und Kommunen, sondern betrifft auch die Verhandlungspotentiale des Bundes bei der EU-internen Verteilung von Asylsuchenden. Ein Flickenteppich regionalpolitisch motivierter Aufnahmeprojekte kann eine kohärente und einheitliche Aufnahmepolitik sowohl im Bund als auch in der EU empfindlich stören und überschreitet damit die Grenzen, die die Verfassung dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden setzt.
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