Auf der Basis einfacher Wirtschaftsmodelle kann argumentiert werden, dass die Beseitigung der Barrieren für die Arbeitnehmermobilität zwischen zwei Ländern negative Auswirkungen auf bestimmte Bevölkerungsteile haben kann, wenn die wirtschaftlichen Bedingungen in diesen Ländern stark voneinander abweichen.
Arbeitnehmerfreizügigkeit und Wirtschaftstheorie
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Die Modelle zeigen zum Beispiel, dass eine durch Lohnunterschiede zweier Länder ausgelöste Arbeitskräftewanderung im Zielland zu sinkenden Löhnen aufgrund von Wettbewerb führen kann. Sind Lohnsenkungen nicht möglich, führt die Zuwanderung im Modell zu steigender Arbeitslosigkeit, weil mehr Arbeitskräfte vorhanden sind, als auf dem Arbeitsmarkt beschäftigt werden können. Die Sorge vor niedrigen Löhnen und höherer Arbeitslosigkeit wurde in vielen EU15-Staaten unmittelbar vor dem Beitritt der EU8- Länder durch die Medien noch verstärkt.
Theoretischen Modellen liegen jedoch immer Annahmen zugrunde, die in der Praxis nicht immer zutreffen. So wird zum Beispiel davon ausgegangen, dass zugewanderte Arbeitskräfte vor allem nach wirtschaftlichem Gewinn strebten. Während höhere Löhne tatsächlich ein Wanderungsgrund sein können, hemmen soziale und kulturelle Faktoren sowie Sprachprobleme und Schwierigkeiten bei der Anerkennung von Qualifikationen oft die Wanderungsbereitschaft. Im Hinblick auf den Arbeitsmarkt wird ferner angenommen, dass einheimische Arbeitnehmer und Zuwanderer austauschbar seien, d.h. dass sie sich für die gleiche Arbeit eignen und daher miteinander um die gleichen Stellen konkurrieren. Insbesondere in Westeuropa herrscht jedoch ein Fachkräftemangel, den Zuwanderer ausgleichen können. In diesem Fall ergänzen die Zuwanderer die einheimischen Arbeitskräfte und konkurrieren nicht mit ihnen, was bedeutet, dass Beschäftigungsniveau und Löhne nicht notwendigerweise negativ beeinflusst werden.
Auch die Entwicklung der Lebensstandards in den EU15 und EU8 wird die Arbeitskräftewanderung beeinflussen. Die bereits jetzt erkennbare wirtschaftliche Angleichung lässt vermuten, dass die Anreize zur Wanderung im Zeitverlauf geringer werden. Je stärker sich der Lebensstandard in den Beitrittsländern an das EU-Niveau angleicht, desto geringer wird die Neigung der dort ansässigen Arbeitskräfte, das Heimatland zu verlassen. Diese Entwicklung muss neben zahlreichen weiteren Faktoren bei Schätzungen der zu erwartenden Zuwanderung berücksichtigt werden.
Michael Heinen und Anna Pegels sind Doktoranden am Lehrstuhl für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Ruhr-Universität Bochum.
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