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Weitere Einflussfaktoren für die Mobilität von Wissenschaftlern und der Entscheidung für ein Zielland: Mobilitätsauslöser | bpb.de

Weitere Einflussfaktoren für die Mobilität von Wissenschaftlern und der Entscheidung für ein Zielland: Mobilitätsauslöser

Jessica Guth

/ 7 Minuten zu lesen

Die Migrationsliteratur neigt gewöhnlich dazu, die Motivation für Mobilität und die Wahl eines Ziellandes im Sinne von Push- und Pull-Faktoren zu betrachten. Grundlegende Modelle zur Wirtschaftsmigration betonen die Rolle, die Lohnunterschiede für Migration und die Entscheidung für ein bestimmtes Zielland spielen.

Abschlussfeier der Uni Bonn (© picture alliance/JOKER)

Die Forschung weist außerdem auf die Bedeutung von finanzieller Sicherheit und Arbeitsbedingungen hin. Während einige Autoren vielfältige Ursachen berücksichtigen, geht die Migrationsforschung im Allgemeinen jedoch von einer Art Kosten-Nutzen-Analyse auf Seiten der potenziellen Arbeitsmigranten aus. Es wird vermutet, dass "Migration damit beginnt, sich das neue Zielland vorzustellen, mit dem Abwägen der Vorteile und der Kosten weitergeht und mit dem eigentlichen Umzug endet." In der Literatur über Migration von Hochqualifizierten und über Mobilität von Wissenschaftlern im Besonderen werden unter anderem bessere Arbeitsbedingungen, besseres Gehalt und bessere Aussichten für wissenschaftliches Arbeiten als Hauptauslöser genannt. Nur einige wenige Autoren heben dagegen den Einfluss persönlicherer Faktoren hervor.

Während Push- und Pull-Faktoren die Hochqualifizierten-Migration bis zum gewissen Grad lenken dürften, stehen Mobilität und Standortwahl bei Nachwuchswissenschaftlern auch in Zusammenhang mit bestimmten Mobilitätsauslösern, die in der Forschungsliteratur größtenteils vernachlässigt und daher an dieser Stelle näher erläutert werden. Zu Auslösern von Mobilität gehören Impulse, Ereignisse, Personen oder Zusammenhänge, die Mobilität für einen bestimmten Wissenschaftler praktikabel und möglich erscheinen lassen. Mobilitätsauslöser wirken nicht notwendigerweise plan- oder kontrollierbar, sondern in starkem Maß zufällig oder als "glückliche Fügung." Damit soll nicht gesagt werden, dass der Staat keinerlei Einfluss auf die Mobilität von Wissenschaftlern hat. Vielmehr, so wird in der Schlussfolgerung argumentiert, müssten Staaten auch Faktoren jenseits von Arbeitsbedingungen, Gehalt und Gesetzgebung in Erwägung ziehen, wenn es darum geht, die Zuwanderung hochqualifizierter Personen zu erhöhen. Zu den konkreten Auslösern, die hier beschrieben werden, gehören Netzwerke, Austauschprogramme für Studenten, Stipendien sowie Familie und Partnerschaft.

Netzwerke

Es wird behauptet, "dass mit Sicherheit gesagt werden kann, Netzwerke gehören zu den wichtigsten Erklärungsvariablen für Migration." Einige Forscher weisen jedoch darauf hin, dass die Rolle von "ad hoc"-Netzwerken in Bezug auf wissenschaftliche Mobilität bisher heruntergespielt und vielmehr Mobilität durch transnationale Unternehmen und "Organisationskanäle" in den Mittelpunkt gerückt worden sei. Doch werden Wissenschaftler beim Umzug im Allgemeinen wenig von einem Unternehmen unterstützt, daher erfolge die Mobilität von Wissenschaftlern "eher durch Netzwerke, eigene Motivation und auf eigenes Risiko." Aus diesem Grund scheint es notwendig zu sein, die Entstehung und Funktionsweise von "ad hoc"-Netzwerken genauer zu betrachten, um die daraus resultierenden Mobilitätsmuster zu verstehen und zu fördern.

In der Wissenschaft entstehen Netzwerke häufig auf Basis von internationaler Zusammenarbeit. Projektpartner statten Partnerorganisationen kurze Besuche ab oder bleiben für längere Forschungsaufenthalte. Anerkannte Professoren senden jüngere Kollegen aus, damit sie neue Verfahren oder Arbeitsweisen erlernen; im Gegenzug werden erfahrenere Wissenschaftler eingeladen, damit sie ihre Fachkenntnisse zur Verfügung stellen und ihr Wissen weitergeben. Auf diese Weise werden ständig wissenschaftliche Netzwerke gebildet und erweitert. Diese internationale Zusammenarbeit führt oft dazu, dass Wissenschaftler "in einem Umfeld sozialisiert werden, in dem Mobilität einen wichtigen Stellenwert hat," so dass die allgemeine Mobilitätserwartung wächst. Die Rolle, die Netzwerke für die Mobilität im wissenschaftlichen Bereich spielen, sollte nicht unterschätzt werden, und fast jeder Wissenschaftler nutzt berufliche Kontakte oder größere Netzwerke, um in seiner Arbeit oder Karriere irgendwann voranzukommen. Je eher diese Netzwerke aufgebaut werden können, desto mehr Spielraum haben die Wissenschaftler, Nutzen daraus zu ziehen. Deswegen kann internationale Wissenschaftsförderung, die der Zusammenarbeit zwischen Ländern dient und multinationale Forschungsteams zusammenbringt, ein wirksames Instrument sein, um Netzwerke zu bilden und Mobilität zu fördern.

Austauschprogramme für Studenten

Jüngere Untersuchungen haben herausgefunden, dass ein hoher Anteil der mobilen Wissenschaftler bereits während des Studiums Erfahrungen mit Mobilität gemacht hat, und dass Studenten, die einige Zeit im Ausland verbracht haben, eher dazu neigen, auch später einmal ins Ausland zu gehen . Mobilität während des Studiums gibt den Studenten eine erste Vorstellung davon, wie wissenschaftliches Arbeiten im Ausland sein könnte. Sie ermöglicht Einblicke in die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsmoral und in das Alltagsleben des Gastlandes, und kann damit den Wunsch hervorrufen, zu einem späteren Zeitpunkt ins Ausland zu ziehen. Außerdem gewinnen Studierende aus eigener Anschauung Kenntnisse über die Wissenslandschaft, einschließlich Stipendienmöglichkeiten und Bewerbungsverfahren. Ein Studienaufenthalt im Ausland legt den Grundstein für Netzwerke und Kontakte, die später für den Studenten wichtig sein könnten. Netzwerke, Kontakte und der Auslandsaufenthalt allgemein, können ihnen dabei helfen, die Chancen im Ausland zu nutzen, die sich bieten und die sie sonst nicht wahrgenommen hätten.

Stipendien für Studien- und Forschungszwecke

Fördermöglichkeiten wie Einzelstipendien bieten eine relativ risikolose Möglichkeit für Mobilität, besonders in Fällen, in denen man einen Arbeitsplatz zu Hause beibehalten kann. Die Art der Stipendien sowie die Möglichkeiten ihrer Wahrnehmung sind wichtige Faktoren für die Frage, ob sie Mobilitätsprozesse auslösen oder nicht. Deutschland rühmt sich einer Vielfalt von Fördereinrichtungen, die Einzelstipendien für jede Ebene vergeben. Die Tabelle zeigt, dass der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Max-Planck-Gesellschaft und die Alexander von Humboldt Stiftung die vier wichtigsten Anbieter für Einzelstipendien sind.

Während Stipendien zweifellos wichtig sind, um ausländische Forscher nach Deutschland zu holen, steigert sich ihre mobilitätsfördernde Wirkung, wenn im Anschluss an Einzelstipendien Netzwerke entstehen (siehe oben). Dies haben einige Einrichtungen wie die deutsche Alexander von Humboldt Stiftung oder das europäische Marie Curie-Forschungsstipendium erkannt und nachhaltige Zusammenschlüsse zwischen ehemaligen und gegenwärtigen Stipendiaten aufgebaut.

 
Ausländische Wissenschaftler in Deutschland im Jahr 2003, nach Erfahrung und Förderorganisation
 
GraduiertePostdoktorandenWissenschaftler/
Hochschullehrer
FörderorganisationAnzahlFörderorganisationAnzahlFörderorganisationAnzahl
DAAD5.845Max Planck1.569DFG1.409
DFG1.558Helmholtz669DAAD1.225
Max Planck1.383Humboldt581Humboldt1.168
Quelle:DAAD (2006)

Familiärer Kontext

Zusätzlich zu beruflichen Netzwerken, Austauschprogrammen für Studenten und Stipendienprogrammen spielen Familie und Partnerschaft eine sehr große Rolle bei der Mobilitätsentscheidung. Die Fachliteratur zu Migration und Mobilität von Hochqualifizierten richtet ihre Aufmerksamkeit erst seit Kurzem auf nicht-ökonomische Fragen, die Mobilitätsentscheidungen und -erfahrungen prägen. Selbst wenn Familienbeziehungen als wichtige Ursache erkannt werden, finden sie meist nur dahingehend Erwähnung, dass sie Mobilität einschränken oder Wissenschaftler an einen bestimmten Ort binden. Die Familie kann jedoch entscheidend dazu beitragen, dass der Wissenschaftler sich zu einem Umzug entschließt. Neben der notwendigen Hilfe im Alltag bieten Familien emotionale Unterstützung und Ermutigung. Krystina erklärt das im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung: "Ich habe eine Schwiegermutter, die mich sehr unterstützt [...]. Sie kann in Rente gehen, wenn sie will, sie mag nicht zu Hause sitzen und sie sagte, wenn wir ein Baby bekommen, und selbst, wenn wir im Ausland sind, wird sie kommen und uns helfen; das ist großartig." Umgekehrt erklärt Krystof , was passiert, wenn Familienangelegenheiten ungeklärt bleiben: "Ich glaube, dass die Leute es manchmal nicht schaffen, ihre persönlichen Angelegenheiten zu regeln, um ins Ausland zu gehen ... es gab diesen Promotionsstudenten, der [...] wollte sich bewerben, aber am Ende konnte er seine persönlichen Angelegenheiten nicht regeln – Familie." Familienmitglieder, die schon im Ausland sind, können Mobilität von Kindern und Geschwistern beeinflussen, und einige Wissenschaftler ziehen sogar deswegen ins Ausland, um ihren Kindern bessere Ausbildungsmöglichkeiten zu bieten.

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu, wenn der Partner eines Wissenschaftlers ebenfalls in der Wissenschaft arbeitet (Doppelkarriere-Paare in der Wissenschaft). Forscher haben Aspekte untersucht, die sich aus dieser Konstellation ergeben, darunter die Auswirkung auf Familienleben und berufliche Entwicklung. Jeder der beiden Partner eines wissenschaftlichen Doppelkarriere-Paares kann auch als wichtiger Mobilitätsauslöser fungieren, da das Paar versucht, die Zeit der Trennung zu verkürzen. Zunächst kann der Wegzug des einen Partners starken Anreiz für den anderen Partner bedeuten, mitzuziehen, um am gleichen Ort zu sein. Der Umzug des einen Partners kann jedoch dem anderen Partner auch das Selbstvertrauen geben, in einem fremden Land leben und arbeiten zu können. Besonders zu Beginn einer wissenschaftlichen Karriere bietet ein Partner, der schon im Ausland arbeitet oder zur gleichen Zeit dorthin geht, eine gewisse Sicherheit, da der Wissenschaftler nicht allein gehen muss. Selbst wenn Doppelkarriere-Paare sich nicht in der gleichen Stadt einen Arbeitsplatz verschaffen, kann es für sie von Vorteil sein, dass sie jemanden in einer erreichbaren Entfernung haben, der ähnliche Alltagserfahrungen macht und mit dessen Unterstützung sie rechnen können. Außerdem kann es einfacher sein, über die Partner an wichtige Kontakte und Informationen zu beruflichen Möglichkeiten, Bewerbungsverfahren und zur Lebensweise im Gastland zu kommen. In den seltensten Fällen wechseln beide Partner gemeinsam den Arbeitsplatz. Oft verschafft sich einer der Partner eine Stelle und der andere zieht mit um und versucht später, im Gastland eine Beschäftigung zu finden. Das war der Fall bei Justyna : "Ich bin hierher gekommen, um bei meinem Mann zu sein; es war nicht mein Wunsch, in dieses Land zu kommen, ich war einfach plötzlich hier und ich beschloss, dass ich etwas mit meinem Abschluss und für mein berufliches Weiterkommen tun musste." Noch häufiger jedoch ist einer der Partner schon im Gastland, entweder als Staatsangehöriger dieses Landes oder durch einen beruflichen Wechsel, und der andere Partner kommt zu einem späteren Zeitpunkt ins Gastland nach. Im Laufe ihrer Karrieren können die Partner bei Umzügen ins Ausland abwechselnd die Rolle des Pioniers bzw. des Nachfolgers annehmen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe Hadler (2006).

  2. Siehe Arango (2000).

  3. "Organisationskanäle" beziehen sich auf formale Mechanismen, die Mobilität als Transfer zwischen verschiedenen Dienststellen des gleichen Unternehmens etc. ermöglichen sollen. Siehe Arango (2000) und Willliams et al (2004).

  4. Siehe Ackers (2005a).

  5. Siehe Ferro (2006).

  6. Siehe Ackers (2001) und King und Ruiz-Gelices (2003).

  7. Polnische Wissenschaftlerin im Vereinigten Königreich.

  8. Polnischer Postdoktorand im Vereinigten Königreich.

  9. Polnische Wissenschaftlerin im Vereinigten Königreich.

Jessica Guth ist Forschungsstipendiatin und Doktorandin am Zentrum für Rechts- und Politikwissenschaften in Europa an der University of Leeds. Außerdem war sie T.H. Marshall-Stipendiatin 2006 an der London School of Economics und verbrachte ihr sechsmonatiges Stipendium bei der Migration Research Group (MRG), Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI).