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Welcher rechtliche Rahmen gilt in Deutschland, um hochqualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen? | bpb.de

Welcher rechtliche Rahmen gilt in Deutschland, um hochqualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen?

Jessica Guth

/ 3 Minuten zu lesen

Der rechtliche Rahmen, der den Zuzug hochqualifizierter Arbeitskräfte nach Deutschland regelt, umfasst Gesetzgebungen sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Auf EU-Ebene gibt die Verordnung 1612/68 über die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft dem Einzelnen das Recht, eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat unter den gleichen Bedingungen anzunehmen, wie sie den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates gewährt werden.

Broschüren mit dem Titel «Arbeitsrecht Informationen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber» (© picture-alliance/dpa)

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit war einer der umstrittensten Aspekte der EU-Osterweiterung von 2004 . Als Ergebnis führten die Aufnahmeverträge von April 2003 eine Übergangsphase ein, in der es den EU15-Staaten erlaubt ist, von Artikel 1-6 der Vorschrift 1612/68 für maximal 7 Jahre abzuweichen . Außer dem Vereinigten Königreich, Schweden und Irland entschlossen sich alle anderen EU15-Staaten zunächst, für die ersten zwei Jahre Übergangsbeschränkungen für die Staatsbürger von acht der neuen Mitgliedstaaten (EU8) einzuführen . Im Jahr 2006 öffneten auch Finnland, Italien, Griechenland, Portugal und Spanien ihre Arbeitsmärkte für die EU8-Staatsbürger. Sieben Länder, darunter Deutschland, halten die Beschränkungen weiterhin aufrecht.

Folglich sind polnische und bulgarische Wissenschaftler, die Gegenstand dieser Untersuchung sind, in der gleichen rechtlichen Ausgangssituation, wenn sie in Deutschland Arbeit suchen. Aufgrund der Einführung von Übergangsmaßnahmen in Deutschland waren polnische Wissenschaftler den gleichen nationalen Einwanderungsbeschränkungen unterworfen wie bulgarische Wissenschaftler bzw. Staatsangehörige aus anderen Drittländern, obwohl zum Zeitpunkt der Untersuchung Polen bereits Bürger der Europäischen Union waren und Bulgaren nicht.

Wissenschaftler von außerhalb der EU15, die in Deutschland arbeiten möchten, sind von den Bestimmungen des Arbeitserlaubnisrechts abhängig, die in der nationalstaatlichen Gesetzgebung verankert sind. Arbeitserlaubnisse werden nach dem Aufenthaltsgesetz vergeben, dessen Grundsatz lautet: "Die Zulassung ausländischer Beschäftigter orientiert sich an den Erfordernissen des Wirtschaftsstandortes Deutschland unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und dem Erfordernis, die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen." Eine Arbeitserlaubnis wird nur erteilt, wenn ein konkretes Jobangebot vorliegt und nach einer individuellen Vorrangprüfung festgestellt wird, dass keine bevorrechtigten Bewerber, d.h. deutsche oder EU15-Bürger zur Verfügung stehen. Nach §19 des Aufenthaltsgesetzes können jedoch hochqualifizierte Ausländer eine Niederlassungserlaubnis erhalten, die nicht an ein bestimmtes Jobangebot gebunden ist. Damit können sie sich überall in Deutschland niederlassen und arbeiten – und mit ihnen die sie begleitenden Familienangehörigen . Der Begriff "hochqualifiziert" in §19 (2) des Gesetzes ist nicht sehr genau definiert. Er bezieht sich auf "Wissenschaftler mit besonderen fachlichen Kenntnissen", "wissenschaftliche Mitarbeiter in herausgehobener Funktion" und "Spezialisten mit besonderer Berufserfahrung, die ein Gehalt in Höhe von mindestens dem Doppelten der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten." Dieser Formulierung nach scheint §19 eher auf anerkannte erfahrene Wissenschaftler bzw. leitende Angestellte und Führungskräfte gerichtet zu sein, als auf Wissenschaftler, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen. Tatsächlich hatte keiner der in dieser Studie befragten Berufseinsteiger bzw. nur einer der interviewten erfahrenen Wissenschaftler von der Regelung profitiert. Das Aufenthaltsgesetz wird gegenwärtig novelliert und danach vermutlich zwei aktuelle EU-Richtlinien umsetzen, die sich mit den Zugangsmöglichkeiten für Studenten und Forscher aus Drittländern beschäftigen .

Fussnoten

Fußnoten

  1. Official Journal of the European Communities: O.J.SP.Ed 1968, no. L257/2.

  2. Im Jahr 2004 traten 10 Länder der Europäischen Union bei: Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Malta und Zypern.

  3. Die EU15 besteht aus Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Portugal, Spanien, Schweden, Niederlande und dem Vereinigten Königreich.

  4. Für eine klare und hilfreiche Beurteilung der Übergangsregelungen mit besonderer Bezugnahme auf Deutschland und das Vereinigte Königreich siehe Focus Migration Kurzdossier 4 (Heinen und Pegels 2006).

  5. Staatsbürger von Zypern und Malta sind nicht von den Beschränkungen betroffen.

  6. Aufenthaltsgesetz (30. Juni 2004), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes zur Anpassung von Rechtsvorschriften des Bundes infolge des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union vom 07.12.2006 (BGBl. I S. 2814) (im Weiteren Aufenthaltsgesetz genannt).

  7. § 5 der Beschäftigungsverordnung legt fest, dass eine begrenzte Aufenthaltsgenehmigung an wissenschaftliches und akademisches Personal an Universitäten und Forschungseinrichtungen ohne vorherige Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) vergeben werden kann.

  8. Siehe § 29 des Aufenthaltsgesetzes.

  9. Die Beitragsbemessungsgrenze wird in der Regel jedes Jahr geringfügig geändert. Bei der Fertigstellung dieses Manuskriptes betrug das Doppelte der Beitragsbemessungsgrenze ungefähr 85.500 Euro.

  10. Richtlinie 2004/114/EC bzw. 2005/71/EC. Keine der beiden Richtlinien wird hier weiter behandelt, da sie für die Befragten dieser Studie keine Bedeutung hatten. Außerdem ist es noch zu früh, um mögliche Auswirkung dieser Richtlinien auf wissenschaftliche Mobilität beurteilen zu können.

Jessica Guth ist Forschungsstipendiatin und Doktorandin am Zentrum für Rechts- und Politikwissenschaften in Europa an der University of Leeds. Außerdem war sie T.H. Marshall-Stipendiatin 2006 an der London School of Economics und verbrachte ihr sechsmonatiges Stipendium bei der Migration Research Group (MRG), Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI).