Einige Überlegungen zur Bewertung des Richtlinienvorschlags werden hier zur Diskussion gestellt, ohne jedoch an dieser Stelle auf im Vorfeld ausgearbeitete Analysen oder Diskussionen einzugehen.
Erweiterte und harmonisierte Arbeitgeberpflichten
Dass private und kommerzielle Arbeitgeber in Zukunft Aufenthaltsdokumente einsehen und Unternehmen auch die Beschäftigung von Ausländern melden sollen, wird in erster Linie die "versehentliche" Beschäftigung von irregulären Migranten eindämmen . Dies ist jedoch nach dem Stand der Forschung kein verbreitetes Phänomen in Europa. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass die Beschäftigung von Ausländern ohne Status in der Regel mit Schwarzarbeit einhergeht, sodass den Arbeitgebern die Illegalität der Beschäftigung durchaus bewusst ist, wenn auch nicht unbedingt der Aufenthaltsstatus der Arbeitnehmer. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, zeigen Erfahrungen aus den USA, dass mit erhöhten Prüfanforderungen an Arbeitgeber die Beschäftigung von irregulären Migranten nicht eingedämmt werden kann: In erster Linie stieg die Zahl der Beschäftigungen mit mehr oder weniger gut gefälschten Papieren . Anders zu beurteilen ist die Einführung von Meldepflichten, wie sie für Unternehmen vorgesehen sind. Diese können die versehentliche Beschäftigung von Zuwanderern ohne Aufenthaltsrecht in regulären Jobs weitgehend reduzieren. Voraussetzung ist, dass Arbeitgeber nach einem Datenabgleich zeitnah mit der Rückmeldung konfrontiert werden, dass möglicherweise keine Arbeitsgenehmigung vorliegt. Wenn sich der Arbeitgeber nach einer solchen Rückfrage an den Arbeitnehmer wendet, wird dieser typischerweise das Beschäftigungsverhältnis beenden, weil er keine echten Papiere vorweisen kann und Nachforschungen fürchtet . Auf die Beschäftigung von irregulären Zuwanderern in Schwarzarbeit haben die erweiterten Arbeitgeberpflichten aber keinen Einfluss. Es ist daher auch nicht zu erwarten, dass weniger irreguläre Migranten in solchen Beschäftigungen nachgefragt werden.
Ob ein höherer Strafrahmen wegen illegaler Beschäftigung Abschreckungseffekte hat, hängt stark davon ab, welche Sanktionen am Ende tatsächlich durchsetzbar sind. Häufig werden Geldbußen und Strafen vor Gericht gemindert, weil nur leichte Delikte gerichtsfest nachweisbar sind . Auch in den Nachforderungen von Sozialabgaben und Steuern gibt es ein Vollzugsdefizit. In Deutschland wurden nach Auswertungen des Bundesrechnungshofes höchstens 10 % der geschätzten Schadenssummen eingetrieben.
Erweiterte Kontrollen
Ob die Erhöhung der Kontrollintensität tatsächlich zu einer Reduzierung von Beschäftigungsgelegenheiten für irreguläre Migranten führt, hängt davon ab, was und wie eigentlich genau kontrolliert werden soll. Dies ist im Richtlinienvorschlag nicht näher beschrieben. Für die Kostenschätzung wird angenommen, dass die Inspekteure pro Firma im Durchschnitt einschließlich Vor- und Nachbereitung drei Tage brauchen . Das erscheint nach den Ergebnissen von Studien zu den Arbeitsabläufen bei Kontrollen in Deutschland ein durchaus realistischer Wert zu sein, wenn es um die Kontrolle von Arbeitsstätten wie z. B. Restaurants oder Baustellen geht . Größere Unternehmen haben aber eine Vielzahl von Arbeitsstätten und hohe Beschäftigungszahlen, sodass der Ansatz zu gering erscheint. Außerdem wird davon ausgegangen, dass die Inspektionen allein dazu dienen, die Beschäftigung irregulärer Migranten festzustellen. In der Praxis gibt es in Europa aber häufig Mehrzweck-Kontrollen, bei denen z. B. wie in Deutschland zugleich nach Ausländern ohne Arbeitsgenehmigung, Arbeitslosen mit unangemeldetem "Nebenerwerb" und Abgabenhinterziehung gesucht wird . In Deutschland handelt es sich beispielsweise in 70 % der im Rahmen von Arbeitsmarktprüfungen aufgedeckten Verdachtsfälle um Leistungsmissbrauch durch ortsansässige Arbeitnehmer . Auf schwacher empirischer Basis wird geschätzt, dass derzeit rund 2 % aller Unternehmen jährlich kontrolliert werden und durch eine Ausweitung der Kontrollen Zusatzkosten in Höhe von etwa 1,1 Milliarden Euro entstehen . Unsere – ebenfalls nur sehr groben – Berechnungen für Deutschland deuten allerdings auf einen zu niedrigen Ansatz der Kosten hin. Wir kommen für die "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" (FKS) auf Quoten kontrollierter Unternehmen von 2,5 bis 3 % . Nach neuesten Berechnungen des Bundesrechnungshofs kostete die Finanzkontrolle Schwarzarbeit etwa 386 Millionen Euro im Jahr 2006 . Deutschland müsste – bei gleichbleibender Kontrollintensität – demnach die Aufwendungen in etwa verdreifachen, um die EU-Vorgaben zu erreichen. Somit würde schon Deutschland allein so viele Zusatzaufwendungen benötigen, wie die EU-Kostenschätzung für alle Mitgliedstaaten zusammen angesetzt hat.
Ein Argument für eine Anhebung des Kontrollniveaus auf einen einheitlichen Prozentsatz in allen Mitgliedstaaten liegt darin, Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Geht man jedoch davon aus, dass die Staaten aufgrund ihrer geographischen Lage, ihres Lohnniveaus und der Relevanz sensibler Sektoren deutlich unterschiedlich von illegalem Aufenthalt betroffen sind, so ist zu fragen, ob ein einheitliches Kontrollniveau nicht Staaten, in denen der illegale Aufenthalt von Migranten von geringer Bedeutung ist, überproportional belastet.
Erweiterte Arbeitnehmerrechte
Während die bisher diskutierten Ansätze im Wesentlichen die Pflichten der Arbeitgeber verschärfen und diejenigen der Kontrollbehörden ausweiten, folgt die Ausweitung der Arbeitnehmerrechte einer anderen Logik. Arbeitnehmer ohne Aufenthaltsstatus werden zwar weiterhin mit Ausweisung bzw. Abschiebung sanktioniert, wenn sie im Rahmen der Arbeitgeberkontrollen auffallen, sollen aber durch staatliche und private Institutionen in die Lage versetzt werden, ausstehende Lohnansprüche geltend zu machen und als Zeugen in gravierenden Fällen zur Verfügung zu stehen. Damit werden Schritte in Richtung der Stärkung der Rechtssicherheit und Konfliktfähigkeit unternommen . Eine effektive Durchsetzung dieser Maßnahmen würde im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einer Umkehr des Bestrafungsrisikos führen. Während es zur Zeit immer wieder Berichte gibt, dass Arbeitgeber im Konfliktfall Hinweise an Kontrollbehörden weitergegeben haben sollen, um Arbeitnehmern ohne Aufenthaltsstatus den Lohn vorzuenthalten, hätten Arbeitnehmer dann einen Anreiz, betrügerische Arbeitgeber bei den Kontrollbehörden anzuzeigen, um ihre Lohnansprüche durchzusetzen. Voraussetzung wäre aber, dass sie ihre eigene Ausweisung in Kauf nehmen. Damit würde für die Arbeitgeber nicht nur das Risiko der Beschäftigung irregulärer Migranten an sich erhöht, sondern vor allem der Anreiz zum Lohnbetrug und zur ausbeuterischen Beschäftigung reduziert werden. Allerdings gibt es bei der praktischen Umsetzung solcher Ansätze bisher in Europa nur geringe Erfahrungen dahingehend, wie eine effektive Durchsetzung ausstehender Ansprüche gesichert werden kann. Im Unterschied zur Ausweitung der Kontrollen wird hier nicht mit verbindlichen quantitativen Vorgaben gearbeitet, die eine Umsetzung unterstützen könnten. Hier könnten z. B. Beratungsstellen für Städte ab einer festgelegten Größe angestrebt werden; es könnte auch festgelegt werden, dass die Beratungstätigkeit in einem festen Verhältnis zur Kontrolltätigkeit ausgeweitet wird (Berater/Kontrollbeschäftigte).