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Arbeitsmigration qualifizierter Frauen | bpb.de

Arbeitsmigration qualifizierter Frauen

Eleonore Kofman Parvati Raghuram Eleonore Kofman und Parvati Raghuram

/ 5 Minuten zu lesen

Spanische Arbeitsmigrantin an ihrem neuen Arbeitsplatz in Deutschland. (© picture-alliance/dpa)

Datenprobleme

Der weiterhin bestehende Mangel an Forschung zu qualifizierten Migrantinnen ist zu einem nicht unwesentlichen Teil auf einen Mangel an Daten zurückzuführen, besonders in einigen europäischen Staaten. In traditionellen Einwanderungsländern hingegen sind nach Geschlecht aufgeschlüsselte Migrationsstatistiken verfügbar – auch wenn dies bislang nicht zu einer Vielzahl von Forschungsstudien geführt hat. Die kanadische Einwanderungsbehörde (Citizenship and Immigration Canada) gibt zum Beispiel jährlich Fakten und Daten über qualifizierte Migration, aufgeschlüsselt nach Geschlechtszugehörigkeit, heraus. In europäischen Staaten wie dem Vereinigten Königreich, in die qualifizierte Zuwanderung im großen Stil stattfindet, müssen nach Geschlecht aufgeschlüsselte Daten hingegen eigens angefordert werden. Die OECD hat damit begonnen, das Datendefizit im Bereich der qualifizierten Migranten, der Arbeitsmärkte für Qualifizierte und der geschlechtsspezifischen Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften ins Ausland (Braindrain) anzugehen. Die SOPEMI-Länderberichte enthalten jedoch bislang nicht in ausreichendem Maße disaggregierte Daten, um tiefergehende Analysen zu Erfolgen von qualifizierten Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt vorzunehmen. Das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN) hat Untersuchungen zur Migration von Fachkräften, speziell im Gesundheitssektor, durchgeführt. Besonders auffällig war, dass nur einige wenige Länderbetrachtungen, beispielsweise die schwedische Analyse zum Gesundheitssektor, auch geschlechtsspezifische Daten beinhalteten. Der vorliegende Mangel an ausreichendem Datenmaterial verdeutlicht das bisherige Desinteresse der Forscher und politischen Entscheidungsträgern an der Wanderung qualifizierter Migrantinnen.

Qualifikationsniveaus

Wie bereits erwähnt bildet die Familienmigration und nicht die Arbeitsmigration die wichtigste Zuzugsmöglichkeit für Migrantinnen. Beim weiblichen Ehegatten- oder Familiennachzug wird aber nicht unbedingt angenommen, dass Frauen Qualifikationen haben, die maßgebliche Beiträge zum Arbeitsmarkt ermöglichen. Statistiken weisen jedoch darauf hin, dass diese angenommene Verbindung zwischen dem Qualifikationsniveau und der Einwanderungskategorie so nicht unbedingt zutreffend ist. Der Anteil der weiblichen Zuwanderer in OECD-Ländern, die über einen höheren Bildungsabschluss verfügen, ist nur drei Prozentpunkte niedriger als der der männlichen Zuwanderer. In Australien ist er fast gleich groß. Unter den über 15-Jährigen, die 2007 mit einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung nach Kanada einwanderten (insgesamt 188.480 Personen in allen Zuwanderungskategorien), war die Zahl der qualifizierten Männer und Frauen jeweils fast gleich hoch. 13 % der Männer hatten einen Bachelorabschluss, 6 % einen Masterabschluss und 1 % einen Doktortitel. Im Vergleich dazu hatten 16 % der Frauen einen Bachelorabschluss, 5 % einen Masterabschluss und 0,8 % einen Doktortitel.

Außerdem ist in einigen Ländern der Anteil der Migrantinnen aus Nicht-OECD-Ländern in qualifizierten Berufen gleich hoch oder höher als der der einheimischen Frauen. Dies ist im Vereinigten Königreich und in Portugal der Fall. In Belgien ist der Anteil fast gleich. Im Gegensatz dazu ist der Anteil von Migrantinnen in qualifizierten Berufen in den meisten südeuropäischen Ländern bedeutend niedriger, da sich in diesen Ländern das Phänomen der Dequalifikation besonders auswirkt und eine Konzentration von Migrantinnen in Sektoren für Geringqualifizierte zu verzeichnen ist.

 
Prozentsatz von Frauen (15-64 Jahre) in hochqualifizierten Berufen nach Herkunft, 2004
 
Im Inland geborenIm Ausland geborenIm Ausland geboren, nicht OECD
Österreich38,225,318,6
Belgien42,941,642,5
Dänemark43,338,633,9
Finnland42,832,521,9
Frankreich37,730,031,1
Deutschland46,030,5..
Griechenland36,613,56,8
Ungarn40,842,740,8
Irland40,047,9-
Italien43,929,220,4
Luxemburg51,338,526,3
Norwegen42,238,923,8
Portugal25,733,631,3
Spanien36,221,612,3
Schweden45,438,325,7
Schweiz44,138,029,2
Vereinigtes Königreich36,243,739,8
"-" bedeutet, dass die Zahl nicht signifikant ist
".." keine Erklärung
Quelle: Tabelle I.15. SOPEMI 2006
 
Hauptherkunftsländer hochqualifizierter Einwanderer in OECD-Ländern nach Geschlecht, 2000
 
GeburtslandWeiblichGesamt%
Philippinen562.215887.47763,3
Vereinigtes Königreich509.8871.075.16047,4
Ehemalige UDSSR506.999930.15054,5
Deutschland440.991856.67951,5
Indien429.547999.56643,0
China400.495816.96649,0
Polen235.147446.49652,7
Mexiko234.781474.07249,5
Kanada217.106422.16751,4
Vereinigte Staaten205.847391.44852,6
Frankreich199.630365.81454,6
Quelle: Dumont u.a. (2007:11)


Die Beschäftigung von Frauen, vor allem im Gesundheitssektor, hat maßgeblich dazu beigetragen, das Geschlechterverhältnis unter qualifizierten Migranten zu ändern. Während der 1960er Jahre war das Vereinigte Königreich von der Einwanderung von Krankenschwestern aus der Karibik und aus Irland abhängig. Kanada importierte ebenfalls Krankenschwestern aus Ländern des globalen Südens, um damit Kosten zu senken bzw. um einen Arbeitskräftemangel in den 1980er Jahren auszugleichen. Eine große Zahl philippinischer Krankenschwestern ging während der 1970er und 1980er Jahre in die USA. Seit den späten 1990er Jahren hat in Staaten wie Australien, Kanada und dem Vereinigten Königreich die Kürzung von Investitionen in die Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal sowie Lehrerinnen und Lehrern zu einem erheblichen Arbeitskräftemangel in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Sozialarbeit geführt. Dieser kann nicht mit einheimischen Arbeitskräften ausgeglichen werden und zwingt die betroffenen Staaten dazu (oft weibliche) Arbeitskräfte im Ausland anzuwerben. Über 90 % der Migranten im Pflegebereich sind Frauen, und in vielen Ländern sind Krankenschwestern die größte einzelne Gesundheitsberufsgruppe. Im Vereinigten Königreich ist die Zahl der eingewanderten Krankenschwestern von 1997 bis 2004 um 49.000 oder 92 % gewachsen, im Vergleich zu einem Anstieg von 1 % bei den einheimischen Krankenschwestern. Die Zahl der Krankenpfleger stieg in diesem Zeitraum prozentual sogar noch stärker um 184 % (15.000). Im Verhältnis zur Zahl der Krankenschwestern ist die Zahl der Krankenpfleger aber weiterhin gering. Im Vereinigten Königreich gibt es eine bedeutende Anzahl eingewanderter Ärztinnen. Im Jahr 2002 waren ungefähr 54 % aller Ärzte, die eine neue Vollregistrierung von der Ärztekammer (General Medical Council) erhielten, Frauen. In England waren im Jahr 2000 40,2 % der Ärzte aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), 36,75 % der im Vereinigten Königreich ausgebildeten Ärzte und 26,2 % der Ärzte von außerhalb des EWR weiblich. Somit hatten die aus dem EWR eingewanderten, qualifizierten medizinischen Arbeitskräfte den höchsten Frauenanteil.

Frauen stellen auch eine kleine, aber bedeutende Minderheit der wandernden Spezialisten in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), die jedes Jahr in die Haupteinwanderungsländer immigrieren. In Australien waren 2005 zwischen einem Viertel und einem Drittel der Computerspezialisten, die über Zuwanderungsprogramme für Qualifizierte oder als Familienmitglieder einwanderten, weiblich. In Kanada waren zwischen 1998 und 2000 ungefähr 20 % aller Computerprogrammierer und Systemanalytiker, die als Hauptantragsteller im Programm für Qualifizierte einwanderten, Frauen; dies galt im selben Zeitraum für ungefähr 10 % der Computeringenieure. Auch wenn diese Anteile klein erscheinen, müssen sie im Kontext der hohen (und in den meisten Ländern bis vor kurzem schnell steigenden) Gesamtzahlen der Zuwanderer in dieser Kategorie gesehen werden. Zum Beispiel gab es im Vereinigten Königreich zwischen 1995 und 2002 einen rapiden Anstieg bei den eingewanderten IKT-Spezialisten, und die IKT-Branche war sogar bei den weiblichen Inhabern von Arbeitsgenehmigungen die siebthäufigste Branche.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe SOPEMI (2007).

  2. Siehe Dumont et al. (2007).

  3. Siehe EMN (2007a, b).

  4. Siehe CIC (2008).

  5. Siehe Stasiulis und Bakan (2003: 107).

  6. In vielen anderen verwandten Gesundheits- und Wohlfahrtsberufen, wie Physiotherapie und Sozialarbeit, arbeiten ebenfalls vorwiegend Frauen, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie beim Pflegepersonal und als Hebammen.

  7. Siehe EMN (2007b).

  8. Siehe Kofman et al. (2005).

  9. Siehe Raghuram und Kofman (2002).

  10. Siehe Raghuram (2008).

  11. Siehe Raghuram (2004).

Dr. Eleonore Kofman hat eine Professur für Geschlechterforschung, Migration und Staatsbürgerschaft inne und ist Co-Direktorin am Social Policy Research Centre der Middlesex University in England. Wissenschaftliche Artikel sind von ihr zum Themenfeld der Geschlechterforschung, der Migration von Fachkräften und der Familienmigration in Europa erschienen.

Dr. Parvati Raghuram ist Dozentin für Geographie an der Open University in England. Sie hat bereits zahlreiche Artikel im Bereich der Geschlechter- und Migrationsforschung mit einem Schwerpunkt auf das Vereinigte Königreich und die Erfahrungen von medizinischen Personal und IT-Fachleuten aus dem asiatischen Raum veröffentlicht.