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Migrantinnen und Migranten auf dem Arbeitsmarkt | bpb.de

Migrantinnen und Migranten auf dem Arbeitsmarkt

Eleonore Kofman Parvati Raghuram Eleonore Kofman und Parvati Raghuram

/ 5 Minuten zu lesen

Frauen machen heute fast die Hälfte (49,6 % im Jahr 2005) aller internationalen Migranten aus. Dieser Anteil ist von 46,6% im Jahr 1960 um 3% gestiegen. Auch wenn der prozentuale Unterschied klein ist, hat die zunehmende weibliche Arbeitsmigration, d. h. die Migration von Frauen, die auf der Suche nach Beschäftigung internationale Grenzen überqueren, das Interesse von Wissenschaftlern, Medien und internationalen sowie nationalen politischen Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt geweckt.

Obwohl sie einen bedeutenden Anteil an der Erwerbsbevölkerung ausmachen, haben Frauen große Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt. (© Moodboard)

Diese Aufmerksamkeit hat sich jedoch vorrangig auf Migrantinnen gerichtet, die in Arbeitsmarktbereichen für Niedrigqualifizierte beschäftigt sind und die dort vor allem Tätigkeiten verrichten, die gefährlich, schmutzig und schlecht bezahlt sind. Wissenschaftliche Forschung und Medienbeiträge konzentrieren sich meist auf die Sexindustrie und die Arbeit in Privathaushalten. Dieser Fokus ignoriert jedoch die zahlreichen anderen Arbeitsmarktbereiche, in denen Frauen ebenfalls vertreten sind, einschließlich derjenigen, für die hohe Qualifikationen erforderlich sind.

Im vorliegenden Kurzdossier wollen wir diese Lücke schließen, indem wir die Präsenz von qualifizierten Migrantinnen in internationalen Migrationsströmen hervorheben. Im nächsten Abschnitt bieten wir einen kurzen Überblick über einige Migrationsmuster und -trends des vergangenen Jahrzehnts, vor allem in Bezug auf Frauen. Anschließend untersuchen wir, warum die Migration qualifizierter Frauen bisher in der Fachliteratur weitestgehend ignoriert wurde. Dazu werden wir die weit verbreitete Auffassung überprüfen, wonach Arbeitsmigrantinnen meist unqualifiziert sind. Der dritte Abschnitt zeigt, auf welche Weise Frauen, entgegen dieser Annahme, einen wichtigen Teil der Ströme qualifizierter Migranten bilden. Der vierte Abschnitt geht auf einige der Faktoren ein, die die Migration qualifizierter Frauen beeinflussen, insbesondere auf die geschlechtsdiskriminierenden Prozesse, die Migrationspolitik prägen, sowie das Problem der Anerkennung von Qualifikationen in den Zielländern. Das Fazit umreißt einige Vorschläge für die weitere Forschung und Politikmaßnahmen.

Muster und Trends

Im letzten Jahrzehnt sind die Migrationsmuster, etwa in Bezug auf Herkunftsländer, Migrationsweisen oder Aufenthaltsdauer, immer vielfältiger geworden. Geographisch gesehen haben sich die Migrationsströme aus dem globalen Süden in den globalen Norden und von Osten nach Westen verstärkt, da Menschen durch grenzüberschreitende Wanderungen versuchen, ihre sozioökonomische Lage zu verbessern. Sowohl die Migration von geringqualifizierten als auch von hochqualifizierten Menschen hat zugenommen. Ein weiteres auffälliges Muster ist der weltweite Anstieg der Zahl der Migrantinnen, die 2005 geschätzte 94,5 Millionen (oder 49,6 % aller Migranten) ausmachten. Von den Migranten, die sich im globalen Süden aufhielten, waren im selben Jahr ungefähr 39,8 Millionen (51 %) Frauen, verglichen mit 46,2 Millionen (51 %) in den Hochlohnländern, die der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angehören, und 8,7 Millionen (40 %) in den Hochlohnländern, die nicht zur OECD gehören.

Migrantinnen und Migranten, die Teil der Erwerbsbevölkerung sind, können auf verschiedenen Wegen in ihr Zielland eingereist sein. Es kann sich um eine befristete oder unbefristete Arbeitsmigration, um Familienmigration (Familiennachzug, Familiengründung und begleitende Familienmitglieder von Arbeitsmigranten), um Studierende oder um eine Migration im Rahmen von Asyl- und Flüchtlingsprogrammen handeln. In einer Reihe von europäischen Staaten, wie dem Vereinigten Königreich, der Schweiz, Dänemark und Portugal, machten im Jahr 2005 Menschen, denen die Einreise explizit zur Arbeitsaufnahme erlaubt wurde, mehr als 40 % der gesamten Zuzüge aus. Für Migrantinnen ist Familienmigration zwar in vielen Ländern die wichtigste Einwanderungsform, jedoch gehören viele Familienmigrantinnen später der arbeitenden Bevölkerung an.

Obwohl sie einen bedeutenden Anteil an der Erwerbsbevölkerung ausmachen, haben Frauen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge große Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt. In einer Reihe von OECD-Ländern zeigt sich, dass im Ausland geborene Frauen eine niedrigere Erwerbsquote haben, und zwar sowohl im Vergleich zu im Ausland geborenen Männern als auch im Vergleich zu einheimischen Frauen. Die Differenz zwischen der Erwerbsquote von im Ausland geborenen Frauen und einheimischen Frauen beträgt in den meisten skandinavischen Ländern über 12 %. In Neuseeland, Australien und den USA ist die Erwerbsquote von im Ausland geborenen Frauen 10 bis 13 % niedriger als die der einheimischen Frauen (6 % Unterschied in Kanada). Dieses Muster ist jedoch nicht allgemeingültig. So haben zum Beispiel in den südeuropäischen Ländern im Ausland geborene Frauen eine höhere Erwerbsquote als einheimische Frauen. Außerdem verschleiern diese aggregierten Zahlen wichtige Unterschiede im Hinblick auf das jeweilige Herkunftsland. Nicht nur das Geschlecht, sondern auch Hautfarbe und Nationalität nehmen einen Einfluss darauf, welche Frauen Zugang zu welcher Art von Jobs haben.

 
Beschäftigung von Frauen nach Arbeitsbereich und Geburtsort
Frauen 15-64 Jahre, Daten aggregiert über alle EU-Staaten*
 
Im Ausland geborenIm Inland geboren
Anteil an der gesamten Beschäftigung im Ausland geborener Fauen (%)Überre-
präsentiert
Anteil an der gesamten Beschäftigung im Inland geborener Frauen (%)Überre-
präsentiert
Landwirtschaft und Fischerei1,1Nein3,3Nein
Bergbau, verarbeitende Industrie und Energie12,1Nein12,8Nein
Bauwirtschaft1,0Nein1,5Nein
Groß- und Einzelhandel12,6-15,6Ja
Hotels und Gaststätten8,1Ja4,4Ja
Bildung8,1Ja11,2Ja
Gesundheit und andere soziale Dienstleistungen17,0Ja16,5Ja
Haushalte6,2Ja1,6Ja
Verwaltung und internationale / supranationale Organisationen4,7Nein7,5-
Andere Dienstleistungen23,2-21,2-
* Die Spalten summieren sich nicht zu 100, weil nicht alle beschäftigten Frauen die Branche, in der sie tätig sind, angegeben haben. Überrepräsentierung tritt auf, wenn der Anteil der im Ausland geborenen oder einheimischen Frauen in einer bestimmten Branche höher ist als ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung. Die Überrepräsentation in einer Branche wird als unentschieden (Ind.) angenommen, wenn der Anteil der im Ausland geborenen oder einheimischen Frauen an der Beschäftigung, geteilt durch ihren Anteil an der Gesamtbeschäftigung, zwischen 0,9 und 1,1 liegt.
Quellen: Arbeitskräfteerhebung der Europäischen Gemeinschaft (Daten bereitgestellt von Eurostat)


Die Beschäftigung von Migrantinnen zeigt auch bestimmte Muster, was die Verteilung auf die Wirtschaftszweige angeht. Wie Tabelle 1 zeigt, besteht eine signifikante Konzentration von Migrantinnen in einigen Berufszweigen, wie im Dienstleistungssektor und vor allem im Bereich personenbezogener und sozialer Dienstleistungen. In allen Ländern außer der Türkei und der Tschechischen Republik arbeiten mehr als 40 % der angestellten Migrantinnen in diesen Wirtschaftszweigen. Obwohl auch einheimische Frauen in diesen Wirtschaftszweigen stark vertreten sind, besteht oft eine signifikante Überrepräsentation von Migrantinnen. Vor allem in der Türkei (+17 % im Vergleich zu den Einheimischen), Griechenland (+16 %), Spanien (+13 %), Mexiko (+8 %), Portugal (+8 %) und Italien (+7 %) ist dies offensichtlich. Dies liegt in hohem Maß an der besonders starken Konzentration von Frauen in bestimmten Tätigkeitsbereichen, wie etwa in Privathaushalten, Hotels und Restaurants. Leider wird der Vielfalt der Arbeitsmarkterfahrungen von Migrantinnen nicht genug Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Forschung geschenkt, die sich, wie wir im Weiteren darlegen werden, weitestgehend auf die Arbeit im Haushalt und in der Sexindustrie beschränkt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe Morrison et al. (2007).

  2. Die Definition von Qualifikationen ist ein wichtiges Thema in der Diskussion über die Migration qualifizierter Arbeitskräfte. Es gibt bisher keine klaren Definitionen, aber die meisten Wissenschaftler bezeichnen Migranten mit einer akademischen oder beruflichen Ausbildung als qualifiziert. Sie unterscheiden dabei oft zwischen Qualifizierten (etwa Krankenschwestern/-pfleger und Lehrer/innen) und Hochqualifizierten (etwa Fachkräfte in der Informations- und Kommunikationstechnologie, Wissenschaftler/innen oder Ärztinnen und Ärzte).

  3. In diesem Kurzdossier konzentrieren wir uns vor allem auf Migration in die Länder der OECD (Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und nach Europa, insbesondere von Migrant/innen aus Nicht-OECD Ländern.

  4. Die Bezeichnung globaler Süden bezieht sich auf "Entwicklungsländer" und hat in der Wissenschaft inzwischen diese ältere Bezeichnung zum Teil ersetzt. Der globale Norden ist die Bezeichnung, die für die industrialisierten Länder verwendet wird.

  5. Siehe Ratha und Shaw (2007).

  6. Siehe SOPEMI (2007).

  7. See SOPEMI (2007).

Dr. Eleonore Kofman hat eine Professur für Geschlechterforschung, Migration und Staatsbürgerschaft inne und ist Co-Direktorin am Social Policy Research Centre der Middlesex University in England. Wissenschaftliche Artikel sind von ihr zum Themenfeld der Geschlechterforschung, der Migration von Fachkräften und der Familienmigration in Europa erschienen.

Dr. Parvati Raghuram ist Dozentin für Geographie an der Open University in England. Sie hat bereits zahlreiche Artikel im Bereich der Geschlechter- und Migrationsforschung mit einem Schwerpunkt auf das Vereinigte Königreich und die Erfahrungen von medizinischen Personal und IT-Fachleuten aus dem asiatischen Raum veröffentlicht.