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Der Diskurs um ethnische und politische Grenzziehung in Deutschland | bpb.de

Der Diskurs um ethnische und politische Grenzziehung in Deutschland

Daniel Naujoks

/ 3 Minuten zu lesen

Diskussionen um die Zulässigkeit der doppelten Staatsbürgerschaft nehmen im gesellschaftlichen Diskurs eine besondere Rolle ein. Neben technischen und praktischen Erwägungen geht es dabei zugleich um Ideen von Staatsbürgerschaft und Einbürgerung als ethnische und politische Grenzziehung, um das Verhältnis zu dauerhaft im Land lebenden Menschen anderer Herkunft und deren Einbindung in das Gesellschaftssystem .

Zwei aktuelle Anlässe geben Anstoß, erneut über dieses Thema nachzudenken. Zum Ersten zeigen sich seit Januar 2008 die ersten Folgen des sogenannten Optionsmodells. Bei der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 wurde zwar darauf verzichtet, die doppelte Staatsbürgerschaft allgemein anzuerkennen, jedoch wurde eine beschränkte Ius-soli-Regelung eingeführt. Hiernach erhalten in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern qua Geburt einen deutschen Pass, auch wenn sie eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen . Erst bei Erreichen der Volljährigkeit, spätestens jedoch mit der Vollendung ihres 23. Lebensjahrs müssen sie sich für eine der beiden Staatsangehörigkeiten entscheiden ("Optionspflicht"). Aufgrund einer Übergangsregelung konnten auch in Deutschland geborene Kinder, die im Januar 2000 noch keine zehn Jahre alt waren, eingebürgert werden, ohne hierfür ihre elterliche Staatsbürgerschaft abgeben zu müssen . Seit Januar 2008 können, ab Januar 2013 müssen jedoch die ersten dieser jungen Erwachsenen die Wahl zwischen ihren beiden Staatsangehörigkeiten treffen. Zum Zweiten wurde 2007 die Hinnahme der Mehrstaatigkeit von EU-Ausländern generell akzeptiert, sodass nunmehr jeder EU-Bürger, der in Deutschland eingebürgert wird, seine alte Staatsangehörigkeit behalten kann .

Auch darüber hinaus bleibt Mehrstaatigkeit in Deutschland nicht auf Einzelfälle beschränkt. Abgesehen von den oben genannten Konstellationen und Fällen, in denen Kinder aus binationalen Partnerschaften hervorgehen und somit nach dem Abstammungsprinzip ohnehin beide Staatsangehörigkeiten erhalten , wurde bei den über 620.000 in den Jahren 2003 bis 2007 eingebürgerten Personen in der Hälfte der Fälle die Beibehaltung der bisherigen Staatsbürgerschaft gestattet – wie die Abbildung zeigt mit steigender Tendenz. Nur knapp 18% der Neu-Doppelstaatler kommen dabei aus einem EU-Land, während der Rest aus sogenannten Drittländern stammt. Die Beibehaltung der ehemaligen Staatsangehörigkeit ist dabei rechtlich zulässig, wenn das Herkunftsland ein Ausscheiden nicht ermöglicht oder andere Unzumutbarkeiten wie beispielsweise hohe Entlassungsgebühren bestehen.

Diese Entwicklungen und die gleichzeitig existierenden Vorbehalte gegen die grundsätzliche Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft geben Anlass, das Für und Wider dieses Konzepts und seiner Auswirkungen in diesem Kurzdossier zu erörtern. Im ersten Teil des Dossiers werden zunächst klassische Einwände gegen die doppelte Staatsbürgerschaft vorgestellt und kommentiert, bevor im zweiten und dritten Teil ein Fokuswechsel auf das eigentliche Fundament vielfach vorgebrachter Kritik erfolgt, das mit Kernfragen der Einbürgerung und der Definition der Gesellschaft zusammenhängt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Ich danke Dietrich Thränhardt, Uwe Hunger und dem Redaktionsteam von focus Migration für wertvolle Kommentare bezüglich der Entwurfsfassung dieses Kurzdossiers. Der Beitrag beruht in weiten Teilen auf Naujoks (2008).

  2. Für nicht EU-Angehörige gilt dies jedoch nur, wenn zumindest ein Elternteil bereits seit 8 Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte (§ 4 Abs. 3 StAG).

  3. In 93% der Fälle bestand die bisherige Staatsangehörigkeit fort (Einbürgerungsstatistik, Einbürgerungen nach § 40b StAG).

  4. Dabei kann das Recht des Herkunftslandes nach wie vor der doppelten Staatsbürgerschaft entgegenstehen, wie dies bei Österreich und Belgien der Fall ist.

  5. Gemäß dem Mikrozensus 2005 bestehen in Deutschland allein 1,3 Mio. Ehen, bei denen nur ein Ehepartner die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Daniel Naujoks ist Rechts- und Wirtschaftwissenschaftler und promoviert am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI). Zurzeit ist er Mitarbeiter der Organisation for Diaspora Initiatives, New Delhi.