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Vergleich von sechs Ansätzen | bpb.de

Vergleich von sechs Ansätzen

Susanne Worb Susanne Worbs

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In den folgenden Abschnitten wird ein Überblick zu diesen Monitorings anhand von sieben Merkmalen gegeben. Dabei ist zu beachten, dass sie sich in unterschiedlichen Stadien der Entwicklung befinden.

Einbürgerung von Migranten im Bonner Alten Rathaus. (© picture-alliance/dpa)

Herangezogen werden

  • für die kommunale Ebene das Monitoring von Wiesbaden;

  • für die Ebene der Bundesländer der 2008 vorgelegte Integrationsbericht von Nordrhein-Westfalen sowie das gemeinsame Indikatorenset der Bundesländer;

  • für die Bundesebene der "Integrationsreport" des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie das Indikatorenset und der darauf aufbauende Bericht für die Bundesbeauftragte;

  • als Beispiel für einen nicht-staatlichen Bericht, der sich auf verschiedene regionale Ebenen bezieht, die Studie des Berlin-Instituts.

Ziel und Integrationsverständnis ausgewählter Monitorings (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

In den folgenden Abschnitten wird ein Überblick zu diesen Monitorings anhand von sieben Merkmalen gegeben. Dabei ist zu beachten, dass sie sich in unterschiedlichen Stadien der Entwicklung befinden: Das gemeinsame Indikatorenset der Bundesländer wurde bis vor Kurzem in einer Pilotstudie erprobt, es gibt also noch keine Entscheidung über seine endgültige Ausgestaltung und das Berichtswesen, das daraus entstehen soll. Die Berichte für die Bundesbeauftragte sowie des Berlin-Instituts und des Landes Nordrhein-Westfalen wurden bisher nur je einmal vorgelegt, während Wiesbaden auf eine inzwischen sechsjährige Tradition seines Integrationsmonitorings zurückblicken kann. Trotz dieser Entwicklungsunterschiede sind aber Vergleiche zwischen den Ansätzen möglich.

1) Was ist Ziel des Monitorings?

Fast alle dargestellten Ansätze verfolgen explizit das Ziel, den Stand der Integration für die jeweilige regionale Einheit (Kommune, Bundesland, Bundesgebiet) abzubilden. Jedoch wird auch der Prozesscharakter von Integration angesprochen durch Formulierungen wie "Stand des Integrationsprozesses und seine Entwicklung" (Wiesbaden). Zwei Ansätze fallen hier etwas aus dem Rahmen: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge strebt an, "grundlegende Informationen zum Thema Integration" für verschiedene Nutzerkreise bereitzustellen, und das Berlin-Institut möchte vor allem aufzeigen, bei welchen Zuwanderergruppen besondere Integrationsprobleme bestehen. De facto betreiben aber auch diese beiden Akteure zunächst einmal eine Zustandsdiagnose.

2) Welches Verständnis von Integration liegt vor?

Der Begriff Integration wird in den betrachteten Monitorings nicht immer explizit definiert. Aus Tabelle 1 werden jedoch zwei zentrale Elemente deutlich:

  • die "Chancengleichheit" bzw. "gleiche Teilhabechancen" für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, die durch Integrationspolitik erreicht werden sollen,

  • sowie die "Angleichung" von Lebenslagen oder Lebensverhältnissen zwischen beiden Gruppen.

Der Aspekt "Chancengleichheit" lässt sich am Beispiel des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch Migranten verdeutlichen. Eine Einbürgerung steigert ohne Zweifel die politischen und gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten, da sie unter anderem mit dem uneingeschränkten Wahlrecht auf allen politischen Ebenen verbunden ist . Im Fall von Wiesbaden wird dieses Thema sogar zweimal als Indikator verwendet, nämlich zum einen als Anteil der Ausländer mit einem Anspruch auf Einbürgerung, zum anderen als realisierte Einbürgerungen je 100 Anspruchsberechtigte. Es wird also abgebildet, wie viele Ausländerinnen und Ausländer formal die rechtliche Chancengleichheit erreichen könnten und wie viele tatsächlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Die Tabelle zeigt, dass zwischen diesen beiden Indikatoren eine beträchtliche und im Zeitverlauf relativ konstante Lücke existiert: Rund die Hälfte der ausländischen Staatsangehörigen in Wiesbaden wäre anspruchsberechtigt, von diesen lassen sich aber nur 2,5 bis 4,2% pro Jahr einbürgern.

 
Indikatoren zur Einbürgerung im Wiesbadener Monitoring
 
JahrAnteil Ausländer mit Einbürgerungsanspruch (in %)*Einbürgerungen je 100 Anspruchsberechtigte
200048,14,2
2002**49,13,2
200349,13,9
200449,43,1
200550,52,5
200652,13,1
200751,62,9
Quelle: Landeshauptstadt Wiesbaden, 2008. Eigene Zusammenstellung.
* Einbürgerungsanspruch: mindestens 16 Jahre alt, seit min. 8 Jahren in Deutschland, gesicherter Aufenthaltstitel.
** Keine Daten für 2001 veröffentlicht.


Der zweite genannte Aspekt, die "Angleichung von Lebenslagen" zwischen Zuwanderern und Einheimischen, bedeutet in der Praxis, dass die Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit von Merkmalsverteilungen in beiden Gruppen gemessen wird. So zeigt beispielsweise der erste Indikatorenbericht für die Bundesbeauftragte, dass unter den 18- bis 25-Jährigen ohne Migrationshintergrund im Jahr 2007 1,6% keinen Schulabschluss besaßen, während der Anteil bei ihren Altersgenossen mit Migrationshintergrund mit 4,4% mehr als zweieinhalb Mal so hoch war . Es geht hier also um direkt vergleichbare Kennziffern zwischen Migranten und Nicht-Migranten. Weitere Beispiele dieser Art sind die Wohneigentümerquote oder der Bevölkerungsanteil, der soziale Mindestsicherungsleistungen bezieht.

Indikatoren, Dimensionen und Datenquellen ausgewählter Monitorings (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

Schließlich gibt es noch einen dritten Aspekt, den man als Voraussetzung für Chancengleichheit bzw. Angleichungsprozesse von Migranten begreifen kann und der deshalb auch in den Monitorings eine Rolle spielt: die Offenheit der Aufnahmegesellschaft. Dass eine solche Offenheit auf sozialer und institutioneller Ebene vorhanden sein muss, ist mehr oder weniger explizit Teil des Integrationsverständnisses aller Ansätze. Dies findet seinen Ausdruck in Indikatoren wie "Anteil bikultureller Ehen" (Berlin-Institut) oder "Anzahl der registrierten rassistischen, fremdenfeindlichen oder antisemitischen Gewalttaten" (Indikatorenset der Bundesländer). Auch der Anteil von Beschäftigten mit Migrationshintergrund in verschiedenen Tätigkeitsfeldern, wie dem Öffentlichen Dienst, kann als ein Indikator für diesen Aspekt betrachtet werden.

3) Wie viele Indikatoren werden verwendet?

Bis auf Nordrhein-Westfalen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeiten alle Monitorings mit vorab definierten Indikatorensets. Zwei grundsätzliche Tendenzen lassen sich erkennen:

  • Es wird versucht, die Indikatorenzahl überschaubar zu halten oder gegebenenfalls zu verkleinern. So werden zum Beispiel bei der Studie des Berlin-Instituts im Kern nur 15 Indikatoren herangezogen. Die Arbeitsgruppe der Bundesländer formuliert dementsprechend, dass "die Auflistung einer Vielzahl von Kennzahlen und Indikatoren ohne gesicherte Datengrundlage [...] ausdrücklich vermieden werden sollte" .

  • In den beiden Fällen ohne vordefinierte Indikatorensets werden anhand verschiedener Datenquellen möglichst umfassende Betrachtungen eines Themenfeldes vorgenommen. So wird zum Beispiel das Thema berufliche Bildung im Rahmen des Integrationsreports des BAMF sowohl anhand amtlicher Statistiken zur Berufsausbildung und zum Hochschulstudium, als auch mittels Mikrozensus- und sonstiger Umfragedaten behandelt.

4) Welche Dimensionen werden abgedeckt?

Ein häufig verwendetes, vierdimensionales Integrationsmodell unterscheidet zwischen struktureller Integration (Einnahme von Positionen und Erwerb von Rechten), kultureller Integration (Erwerb von Wissen und Fertigkeiten), sozialer Integration (Aufbau interethnischer Netzwerke und Beziehungen) und identifikatorischer Integration (Entwicklung von Zugehörigkeitsgefühlen) . In zwei Ansätzen (Wiesbaden und BAMF) werden diese Dimensionen auf Teilbereiche heruntergebrochen, während die übrigen Monitorings von vornherein mit Teilbereichen arbeiten.

Inhaltlich wird deutlich, dass der Schwerpunkt aller Monitorings auf strukturellen Integrationsaspekten liegt, was mit der verhältnismäßig guten Datenlage in diesem Bereich zusammenhängt. Angaben zu Rechtsstatus und Aufenthaltsdauer, Staatsangehörigkeit, Einbürgerung, Bildung, Ausbildung sowie zur Arbeitsmarktbeteiligung von Migranten sind fast durchgängig enthalten, ebenso Daten zu Einkommen und Armutsrisiko. Je nach Ansatz kommen weitere Bereiche hinzu. Gerade wenn es um kulturelle oder identifikatorische Integration geht, gibt es allerdings oft Schwierigkeiten, geeignete Indikatoren zu finden und zu interpretieren. Ein interessantes Beispiel bietet hier wiederum Wiesbaden, in dessen Monitoring bei "kultureller Integration" unter anderem die jährliche zusammengefasste Geburtenziffer von ausländischen und deutschen Frauen ausgewiesen wird. Im zeitlichen Verlauf von 2000 bis 2007 ist bei Ersteren eine sinkende Tendenz (von 1,81 auf 1,67), bei Letzteren eine steigende Tendenz (von 1,24 auf 1,33) erkennbar . Ob sich dies als "Werteannäherung" interpretieren lässt, wie die entsprechende Überschrift im Monitoringbericht nahelegt, oder ob hier andere Faktoren eine Rolle spielen, lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres sagen.

5) Woher stammen die Daten?

Es werden drei Arten von Datengrundlagen verwendet:

  • Der Mikrozensus bildet für alle vorgestellten Ansätze mit Ausnahme Wiesbadens eine wichtige Datenquelle, im Falle des Berlin-Instituts sogar die einzige. Aus dieser stichprobenbasierten Erhebung werden vorrangig Daten zur strukturellen Integration gewonnen, zum Beispiel hinsichtlich Schulabschlüssen, aber auch zu Bereichen wie Wohnen und Gesundheit.

  • Eine weitere Quelle sind amtliche und behördliche Daten. Als Beispiele lassen sich die Arbeitslosenzahlen der Bundesagentur für Arbeit oder die Polizeiliche Kriminalstatistik nennen. Sie unterscheiden bislang meist nur nach der Staatsangehörigkeit. Dafür handelt es sich in der Regel um Vollerhebungen und nicht nur um Stichproben.

  • Zum Dritten werden Erhebungen der empirischen Sozialforschung herangezogen, die insbesondere nach "weichen" integrationsrelevanten Fakten fragen. Auf Bundesebene ist das Sozio-Ökonomische Panel als wichtige Quelle dieser Art zu nennen, das zum Beispiel Daten zur subjektiven Einschätzung des Gesundheitszustandes und zu politischem Engagement bei Migranten enthält.

Mess- und Referenzgruppen sowie Analysetiefe ausgewählter Monitorings (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

Die Vielfalt der Datenquellen ist prinzipiell positiv zu sehen, da insbesondere die amtliche Statistik nicht alle integrationsrelevanten Aspekte abdecken kann und deshalb der Ergänzung durch die empirische Sozialforschung bedarf. Allerdings ergeben sich auch Probleme durch unterschiedliche Erhebungskonzepte und die daraus resultierende mangelnde Vergleichbarkeit verschiedener Quellen. Um dem entgegenzuwirken, wird unter anderem seit einigen Jahren versucht, über den Mikrozensus hinaus amtliche und behördliche Erhebungen von der Kategorie "Ausländer" auf die Kategorie "Migrationshintergrund" umzustellen. Dies betrifft zum Beispiel die oben erwähnten Daten zur Arbeitslosigkeit.

6) Wessen Integration wird gemessen?

Wessen Integration gemessen werden soll, und im Vergleich zu wem, ist keineswegs einheitlich und eindeutig geklärt. Folgende Unterscheidungen finden sich in den bisher durchgeführten Monitorings:

  • Personen mit und ohne Migrationshintergrund (gelegentlich auch: Personen mit Migrationshintergrund und Gesamtbevölkerung).

  • Ausländische und deutsche Staatsangehörige. Ein Sonderfall hiervon ist der Vergleich von Eingebürgerten mit Ausländern derselben Herkunftsgruppe.

  • Erste Generation (im Ausland Geborene) und zweite Generation (in Deutschland Geborene), alternativ auch eine Differenzierung nach Altersgruppen.

  • Männer und Frauen.

  • Ausgewählte Herkunftsländer bzw. -regionen. Diese Differenzierung ist am umstrittensten, unter anderem weil befürchtet wird, damit einer "Ethnisierung" der Integrationsdebatte Vorschub zu leisten (siehe dazu das Fazit).

Dass die Auswahl der betrachteten Gruppen einen beträchtlichen Einfluss auf die Ergebnisse hat, zeigt folgendes Beispiel aus dem Integrationsbericht 2008 von Nordrhein-Westfalen: Betrachtet man die Erwerbslosenquote zunächst nur für Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte, so ist die Differenz beträchtlich (17,9% versus 7,7%). Nochmals höher liegt die Quote für Ausländer (21,7%), und zwar besonders für solche türkischer Nationalität (26,1%). Eingebürgerte frühere türkische Staatsbürger erreichen jedoch mit 19,4% immerhin einen deutlich niedrigeren Wert als ihre nicht eingebürgerten Landsleute. Die bessere sozioökonomische Platzierung von Migranten, die die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, ist inzwischen vielfach belegt und unterstreicht die Notwendigkeit von möglichst differenzierten Datengrundlagen für ein Integrationsmonitoring.

7) Gibt es weiterführende Analysen?

Kern aller hier betrachteten Monitoring-Ansätze ist eine Beschreibung von Stand und Entwicklung der Integration. Daneben lassen sich in einigen Fällen auch weiterführende Ansätze finden, so in Form von multivariaten Datenanalysen zu ausgewählten Integrationsbereichen (Bundesbeauftragte), oder mit der Berechnung eines zusammenfassenden Index aus einzelnen Indikatorwerten (Berlin-Institut). Auf der Basis dieses Index hat das Berlin-Institut zudem "Rankings" von Migrantengruppen, Bundesländern und Städten erstellt, das heißt bei dieser Studie stehen wertende Vergleiche stark im Vordergrund . Im Bericht für die Bundesbeauftragte sollte hingegen mit den weiterführenden Analysen geklärt werden, ob festgestellte Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund auf dieses Merkmal an sich oder auf andere Faktoren (zum Beispiel Bildungsstand) zurückzuführen sind. Die Resultate sind je nach Bereich unterschiedlich ausgefallen: So zeigte sich, dass Menschen aus Zuwandererfamilien trotz formal gleichwertiger schulischer und beruflicher Qualifikationen eher erwerbslos sind als vergleichbare Einheimische. Hingegen ließ sich unter Berücksichtigung sozialstruktureller Faktoren kein signifikanter Einfluss des Migrationshintergrunds auf den Gesundheitszustand nachweisen .

Fussnoten

Fußnoten

  1. EU-Ausländer dürfen in Deutschland auf kommunaler und EU-Ebene wählen, Ausländer aus Drittstaaten hingegen auf keiner Ebene.

  2. ISG/WZB (2009: 44).

  3. Länderoffene Arbeitsgruppe (2009: 3).

  4. Siegert (2009).

  5. Für theoretische Grundlagen siehe z. B. Esser (1990) und Heckmann (2001).

  6. Landeshauptstadt Wiesbaden (2008: 7)

  7. Das Sozio-Ökonomische Panel (SOEP) ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland, die im jährlichen Rhythmus seit 1984 bei denselben Personen und Familien durchgeführt wird. Die Studie umfasst inzwischen rund 20.000 Erwachsene, die in über 10.000 Haushalten leben, und wird vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) durchgeführt.

  8. Zahl der sofort verfügbaren Erwerbslosen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren je 100 Erwerbspersonen des entsprechenden Alters.

  9. Vgl. kritisch dazu Kunz (2009).

  10. ISG/WZB (2009: 17f.)

Susanne Worbs ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).