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Jüngste Entwicklungen im Bereich Asyl und Migration in Schweden

Bernd Parusel

/ 5 Minuten zu lesen

Schweden, das einst als „humanitäre Supermacht“ galt, hat seinen migrationspolitischen Kurs seit 2015 geändert. Abschreckungsmaßnahmen sollen dem Ruf als aufnahmebereite Gesellschaft entgegenwirken.

Pendler in Stockholm (Aufnahmedatum: 2022). (© picture-alliance, Tim Aro/TT)

Die hohe Zahl an Asylsuchenden im Jahr 2015 löste in Schweden eine migrationspolitische Kehrtwende aus – und beeinflusst die Debatten bis heute. Obwohl die Zahl der Asylbewerberinnen und -bewerber seitdem stark abgenommen hat (Abbildung 1), hält die Regierung an dem Kurs fest, die Abschreckungs- und Kontrollpolitik weiter zu verschärfen. Nicht nur bei Asylsuchenden, Flüchtlingen und Menschen, die aus familiären Gründen zuwandern, sondern auch beim Erwerb der schwedischen Staatsbürgerschaft und der Zuwanderung von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern hat sie restriktive Maßnahmen ergriffen. Zu diesem migrationspolitischen Kurs haben auch Wahlerfolge der rechtspopulistischen Schwedendemokraten, Debatten über fehlgeschlagene Integration und einen angeblichen Missbrauch des Sozialstaats sowie ein Anstieg der organisierten Kriminalität von Banden mit Bezügen zu Staaten auf dem Westbalkan und im Nahen Osten beigetragen.

Asyl und Familienzusammenführung

Im Herbst 2015 führte die damalige Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und Grünen vorübergehende Maßnahmen ein, um Schweden als Zielland für Schutzsuchende weniger attraktiv zu machen: Sie führte Kontrollen an Schwedens Grenzen mit anderen Schengen-Ländern wieder ein und etablierte extraterritoriale Identitätskontrollen beim Einsteigen in Busse, Züge und Fähren nach Schweden. Flüchtlinge und andere schutzberechtigte Personenerhielten nur noch befristete (statt unbefristete) Aufenthaltsgenehmigungen, die Familienzusammenführung wurde eingeschränkt und die Gewährung von Aufenthaltserlaubnissen aus (nicht asylrechtlichen) humanitären Gründen wurde stark eingeschränkt. Einige dieser Maßnahmen wurden später zunächst gelockert, dann aber doch wiedereingeführt – mit Ausnahme der Identitätskontrollen.

Die Interner Link: derzeitige Mitte-Rechts-Regierung, die von den Schwedendemokraten gestützt wird, hat diesen Ansatz ausgeweitet und intensiviert, zudem wurde ein „Paradigmenwechsel“ in der Migrationsfrage angekündigt. Das Kooperationsabkommen zwischen den Regierungsparteien und den rechtspopulistischen Schwedendemokraten sieht ein Programm zur systematischen Senkung der Aufnahme- und Asylstandards vor. Ziel ist es, dass sich Schweden in keinem Bereich großzügiger zeigt als die nach EU-Recht geltenden Mindeststandards vorschreiben. Darüber hinaus hat die Regierung die jährliche Quote für die Neuansiedlung von Flüchtlingen (Resettlement) von 5.000 auf 900 Aufnahmen gesenkt.

Arbeitsmigration

Das schwedische System für die Zulassung von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern – das einst als eines der liberalsten der Welt galt – wurde ebenfalls verschärft. So dürfen ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beispielsweise keine Familienangehörigen mehr mitbringen, wenn sie nicht für deren Unterhalt sorgen können; ebenfalls wurde die monatliche Gehaltsschwelle für die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte mehr als verdoppelt – von 13.000 SEK (etwa 1.140 Euro) auf 80 Prozent des Medianlohns, derzeit 28.480 SEK (etwa 2.500 Euro). Diese Politik schließt viele Arbeitskräfte mit niedrigeren Qualifikationsniveaus von der Einwanderung aus. Die Zulassung von hochqualifizierten Arbeitskräften wird jedoch weiterhin befürwortet.

Einwanderung insgesamt und öffentliche Debatte

Während die Abwanderung in den letzten fünf Jahren tendenziell zugenommen hat, war die Zuwanderung nach Schweden in diesem Zeitraum geringer als in den fünf Jahren davor (Abbildung 2).

Als Schweden im Jahr 2004 eine Einwohnerzahl von neun Millionen erreichte, wurde dies allgemein positiv bewertet. Heute hat das Land knapp 10,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Dies wird jedoch oft negativ diskutiert, weil das Wachstum zu einem großen Teil auf Zuwanderung zurückzuführen ist, die häufig eher als Problem denn als Errungenschaft dargestellt wird. Der Anteil der im Ausland geborenen Menschen an der Bevölkerung Schwedens liegt derzeit bei 20,6 Prozent. In öffentlichen Debatten wird Einwanderung häufig mit Kriminalität – insbesondere mit Bandenkriminalität – in Verbindung gebracht, obwohl diese nicht auf die jüngere Einwanderung zurückzuführen ist, sondern ihre Wurzeln in lang gewachsenen Problemen wie Segregation, Ungleichheit und Armut hat.

Ukrainische Flüchtlinge

Nur ein kleiner Teil der Menschen, die durch den Interner Link: Ende Februar 2022 begonnenen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vertrieben wurden, ist nach Schweden gekommen. Wie andere EU-Mitgliedstaaten bietet auch Schweden ihnen ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gemäß der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz. Allerdings wurde eine relativ strenge Auslegung der Rechte, die im Rahmen dieses Status gewährt werden, vorgenommen. Im Juni 2024 hatten etwas mehr als 41.000 Menschen aus der Ukraine einen vorübergehenden Schutzstatus in Schweden.

Schwedens Position im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS)

Anders als vor zehn Jahren nimmt Schweden heute – im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl – weniger Asylsuchende auf als der EU-Durchschnitt. Schweden hat die jüngste Interner Link: Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) unterstützt und während seiner EU-Ratspräsidentschaft im Frühjahr 2023 aktiv zu deren Verabschiedung beigetragen. In der Vergangenheit befürwortete Schweden ein System zur verpflichtenden Aufteilung der Verantwortung, einschließlich der Umverteilung von Asylantragstellenden innerhalb der EU. Die derzeitige Mitte-Rechts-Regierung lehnt solche Umsiedlungen jedoch ab und hat angedeutet, dass sie keine Asylbewerberinnen und -bewerber aus anderen EU-Ländern übernehmen wird.

Änderungen der Politik zum Erwerb der Staatsbürgerschaft und der Integration

Die schwedische Regierung will Einbürgerungen erschweren, indem sie neue Sprach- und Integrationsanforderungen einführt und die erforderliche Aufenthaltsdauer vor der Einbürgerung verlängert. Außerdem plant sie, das langjährige Prinzip des schwedischen Wohlfahrtsstaates aufzugeben, wonach alle legal ansässigen Menschen die gleichen Rechte auf Sozialleistungen haben. Im Rahmen eines vorgeschlagenen „Qualifizierungssystems“ sollen Eingewanderte Beiträge leisten und Integrationsanforderungen erfüllen müssen, bevor sie Zugang zu bestimmten Sozialleistungen erhalten. Darüber hinaus sollen einige Ansprüche von der schwedischen Staatsangehörigkeit abhängig gemacht werden, wodurch ein System geschaffen würde, das beim Zugang zu bestimmten Sozialleistungen zwischen Staatsbürgern und Nicht-Staatsbürgern unterscheidet.

Übersetzung aus dem Englischen: Vera Hanewinkel

Fussnoten

Fußnoten

  1. Government Offices of Sweden (2023): Adjustment of Swedish asylum regulations and procedures to minimum level required under EU law. Pressemitteilung, 9. Oktober.

  2. Government Offices of Sweden (2023): Increased maintenance requirement for work permits. Pressemitteilung, 10. Mai.

  3. Statistics Sweden (2024): Sweden's population in summary 1960-2023. Letztes Update: 22. März.

  4. Sunnemark, Viktor (2023): How gang violence took hold of Sweden – in five charts. The Guardian, 30. November; Brottsförebyggande rådet [Schwedischer Nationaler Rat für Kriminalitätsprävention] (2021): Misstänkta för brott bland personer med inrikes respektive utrikes bakgrund [Straftatverdächtige unter Personen mit in- und ausländischem Hintergrund]. Rapport 2021:9, S. 109–119.

  5. Nordic Council of Ministers/UNHCR (2022): Implementation of temporary protection for refugees from Ukraine – A systematic review of the Nordic countries.

  6. Eurostat (2024): 4.3 million people under temporary protection in June. News Article, 9. August.

  7. Parusel, Bernd (2023): Ordförandeskapet och migrationspolitiken. In: Rikard Bengtsson (Hg.): För Europa i en ny tid – Sveriges ordförandeskap i EU 2023. Santérus Förlag, S. 132–156.

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Dr. Bernd Parusel ist Senior Researcher im Bereich Politikwissenschaft am Schwedischen Institut für Europapolitische Studien (Sieps). Sein Hauptforschungsinteresse gilt der Migrations-, Integrations-, Asyl- und Grenzpolitik der EU und in den EU-Mitgliedstaaten.