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Fußballmigration aus Afrika | Migration und Sport | bpb.de

Migration und Sport Migration im Profisport Diversität im Männerfußball Integration in und durch Sportvereine Fußballmigration aus Afrika Rassismus im europäischen Fußball Entwicklung des Anteils ausländischer Spieler in der Fußball Bundesliga 1963-2024

Fußballmigration aus Afrika

Christian Ungruhe

/ 7 Minuten zu lesen

Viele afrikanische Fußballerinnen und Fußballer hoffen auf eine Karriere in Ligen auf anderen Kontinenten. Wie hat sich Fußballmigration aus Afrika entwickelt? Mit welchen Risiken ist sie verbunden?

Asisat Oshoala (Mitte) während des Spiels zwischen dem FC Barcelona und AS Roma (Rückspiel Viertelfinale UEFA Womens Champions League) am 29. März 2023 im Camp Nou Stadion in Barcelona, ​​Spanien. (© picture-alliance, NurPhoto | Urbanandsport)

Die Migration von Fußballerinnen und Fußballern ist in vielen afrikanischen Ländern allgegenwärtig. Der Erfolg von Spielerinnen und Spielern wie Sadio Mané aus dem Senegal, Mohamed Salah aus Ägypten oder Asisat Oshoala aus Nigeria im europäischen Fußball hat den Traum Tausender junger Talente auf dem afrikanischen Kontinent befeuert, in ihre Fußstapfen zu treten. Jüngste Zahlen aus der Saison 2021/22 zeigen, dass allein im Männerfußball über 500 afrikanische Spieler in den elf größten europäischen Ligen aktiv waren, die meisten davon aus dem Senegal, Marokko, Nigeria, Côte d‘Ivoire und Ghana. Im Jahr 2022 zogen insgesamt 1.337 Fußballer aus afrikanischen Ländern zu Clubs außerhalb Afrikas. Diese Zahl stieg auf 1.479 im Jahr 2023.

Historische Entwicklung der Migration afrikanischer Spieler im Männerfußball

In den Jahren vor und nach dem Zweiten Weltkrieg verlief die Migration männlicher afrikanischer Fußballspieler hauptsächlich entlang kolonialer Abhängigkeitsverhältnisse. Vereine aus Frankreich, Belgien und Portugal nutzten diese Verbindungen, um Fußballer aus ihren Kolonien zu rekrutieren. So spielten Ende der 1930er Jahre mehr als 140 überwiegend nordafrikanische Spieler in Frankreichs inzwischen professionalisiertem Ligasystem. In der Nachkriegszeit rekrutierten französische Vereine zunehmend Spieler aus Côte d’Ivoire, Mali und Kamerun. In ähnlicher Weise förderte die portugiesische Regierung in den 1950er und 1960er Jahren die Anwerbung von Fußballern aus Angola und Mosambik – nicht zuletzt, um die portugiesische Nationalmannschaft zu stärken. Darüber hinaus spielten Anfang der 1960er Jahre rund 30 Spieler aus der heutigen Demokratischen Republik Kongo in den beiden höchsten belgischen Ligen.

Großbritannien hingegen verfolgte während der Kolonialzeit und in der frühen postkolonialen Periode einen anderen Ansatz. Nachdem um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert einige afrikanische Pioniere in Großbritannien Fußball gespielt hatten, schränkten Einwanderungsregelungen, die sowohl von der britischen Regierung als auch vom englischen Fußballverband im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts eingeführt wurden, die Mobilität afrikanischer Fußballer stark ein. Doch selbst als diese Beschränkungen nach und nach gelockert wurden, bestanden rassistische Vorurteile gegenüber Schwarzen Spielern im britischen Fußball fort, und die britischen Vereine nahmen abgesehen von einigen – hauptsächlich weißen – Südafrikanern kaum afrikanische Fußballer unter Vertrag. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts nutzte der britische Fußball seine existierenden bzw. fortbestehenden (post-)kolonialen Verflechtungen daher nicht annähernd so aus wie Frankreich, Belgien oder Portugal.

Lange Zeit war Deutschland kein Zielland für afrikanische Fußballer. Erst ab den 1960er Jahren migrierten einige wenige Spieler über persönliche und vereinsinterne Verbindungen nach Deutschland. Pioniere wie Charles Gyamfi oder Ibrahim Sunday aus Ghana konnten sich jedoch nicht nachhaltig durchsetzen. Es dauerte bis in die späten 1980er Jahre, bis Spieler wie Anthony Yeboah (Ghana) – in den 1990er Jahren gefolgt von Jay-Jay Okocha (Nigeria), Samuel Kuffour (Ghana) und Jonathan Akpoborie (Nigeria) – dem deutschen Fußball ihren Stempel aufdrückten. Einerseits waren sie Publikumslieblinge und Aushängeschilder ihrer Vereine, andererseits wurden sie oft Opfer von Rassifizierung und rassistischen Beschimpfungen. Während ihre Spielweise in den Medien oft exotisiert und als anmutig, infantil und verspielt, aber auch als roh und kraftvoll beschrieben wurde, was sowohl Bewunderung als auch Herablassung widerspiegelte, waren rassistische Gesänge gegnerischer Fans ein wöchentliches Phänomen in deutschen Stadien.

Seit Mitte der 1990er Jahre hat die Migration afrikanischer Fußballspieler nach ganz Europa massiv zugenommen. Einerseits haben die zunehmende Kommerzialisierung und globale Übertragung nationaler und kontinentaler Wettbewerbe das Interesse am europäischen Fußball weltweit und insbesondere in Afrika geweckt – während parallel die Lockerung der Beschränkungen für ausländische Spieler im europäischen Profifußball infolge des sogenannten Interner Link: Bosman-Urteils (1995) afrikanischen Spielern die Türen zum europäischen Fußball öffnete. Andererseits führten verbesserte Ansätze der Talentförderung in einer wachsenden Zahl afrikanischer Länder dazu, dass afrikanische Nationalmannschaften bei Weltmeisterschaften und internationalen Jugendturnieren vermehrt Erfolge erzielten, was zur Anerkennung des afrikanischen Fußballs auf der Weltbühne beitrug. Aus Sicht der europäischen Vereine bieten afrikanische Fußballer seither vielversprechende Fähigkeiten zu relativ geringen Kosten.

Seit Anfang der 2000er Jahre sind die Ziele afrikanischer Fußballmigration immer vielfältiger geworden und reichen von alteingesessenen Ligen in Europa bis zu neueren und aufstrebenden Wettbewerben in den USA und Südostasien. West- und Nordafrika bleiben die dominierenden Herkunftsregionen, weil es dort eine solide Infrastruktur für die Talentförderung gibt – einschließlich von europäischen Akteuren betriebener professioneller Akademien. Im südlichen Teil des afrikanischen Kontinents bietet Südafrika vergleichsweise attraktive Bedingungen sowohl für einheimische Spieler als auch für Fußballer aus anderen Ländern der Region. Die Fußballmigration im südlichen Afrika richtet sich daher häufig auf die dortigen Profi-Wettbewerbe und verbleibt damit zumeist innerhalb der Region. Dass aus Ostafrika hingegen nur eine geringe Zahl von Fußballern auf der internationalen Bühne erscheint, liegt an der Kombination verschiedener historischer, struktureller und kultureller Faktoren: schwach ausgeprägte Beziehungen aufgrund der erwähnten protektionistischen Transferpolitiken während der britischen Kolonialherrschaft und nach der Unabhängigkeit der ostafrikanischen Staaten, schlechte Regierungsführung und eine fehlende Infrastruktur im nationalen Fußball sowie eine vergleichsweise schwach ausgeprägte Migrationskultur im Allgemeinen.

Migration von Fußballerinnen aus Afrika

Die Migration aus Afrika im Fußball ist nicht auf männliche Spieler beschränkt. Seit den späten 1990er Jahren werden – wenn auch in vergleichsweise bescheidenem Umfang – Fußballerinnen aus Afrika von Vereinen aus Übersee unter Vertrag genommen. Die Bemühungen um die Entwicklung und Professionalisierung des Frauenfußballs in Ländern wie Südafrika, Nigeria und Ghana, in jüngerer Zeit auch in Senegal, Sambia und Marokko sowie die erfolgreichen Auftritte der Nationalmannschaften von Nigeria und Ghana bei Weltmeisterschaften haben Adjoa Bayor und Alberta Sackey (Ghana) ebenso wie Perpetua Nkwocha und Cynthia Uwak (Nigeria) den Weg in die USA, nach Deutschland und Schweden geebnet. Jahrelang waren diese Länder die Hauptziele, nicht zuletzt, weil viele Spielerinnen dort die Möglichkeit hatten, ihre Fußballkarriere mit einer Ausbildung zu kombinieren. Mit der Professionalisierung des Fußballs haben sich die Zielländer diversifiziert und umfassen nun auch Länder wie Spanien, England, die Türkei und China. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 260 Fußballerinnen aus afrikanischen Staaten ins Ausland transferiert (davon 125 an Klubs außerhalb des afrikanischen Kontinents), wobei Ghana und Nigeria die wichtigsten Herkunftsländer blieben: Mit 52 (Ghana) und 74 (Nigeria) Spielerinnen gehörten die beiden westafrikanischen Länder auch 2023 weltweit zu den zehn wichtigsten Herkunftsländern von transferierten Fußballerinnen. Der Trend der zunehmenden Migration von afrikanischen Spielerinnen dürfte sich fortsetzen. Die Entwicklung von Weltklassespielerinnen wird sowohl das Interesse internationaler Klubs an afrikanischen Spielerinnen als auch den Traum talentierter Frauen auf dem Kontinent nähren, über den Fußball ins Ausland zu gelangen. Als jüngste Beispiele seien hier die bereits erwähnte sechsfache afrikanische Fußballerin des Jahres Asisat Oshoala (Nigeria) genannt, oder die beiden Spielerinnen, die die weltweit höchsten Ablösesummen erzielten: die Sambierinnen Racheal Kundananji (im Februar 2024 für 787.600 US-Dollar vom spanischen Verein Madrid CFF an Bay FC, USA, transferiert) und Barbra Banda (im März 2024 für 740.000 US-Dollar vom chinesischen Verein Shanghai Shengli an Orlando Pride, USA, transferiert). Dennoch bleibt der Frauenfußball im Allgemeinen durch geschlechtsspezifische Ungleichheiten beeinträchtigt – und die Mehrheit der afrikanischen Spielerinnen haben nach wie vor weitaus geringere Migrationschancen als ihre männlichen Kollegen.

Die Schattenseiten der Fußballmigration aus Afrika

Insgesamt können die steigenden Zahlen und der Erfolg afrikanischer Spielerinnen und Spieler auf der Weltbühne nicht über die Schattenseiten der Fußballmigration aus Afrika hinwegtäuschen. Vor allem im Männerfußball – aber zunehmend auch im Frauenfußball – häufen sich Berichte über die Ausbeutung und den Handel mit Spielern, die von dubiosen Mittelsmännern mit leeren Versprechungen lukrativer Verträge ins Ausland gelockt werden. Und selbst wenn ein Wechsel ins Ausland zustande kommt, verlaufen die Karriere- und Lebenswege selten linear. Afrikanische Fußballerinnen und Fußballer in europäischen Ligen sind häufiger als einheimische Spielerinnen und Spieler aus anderen Weltregionen mit befristeten Verträgen, niedrigeren Gehältern, Rassismus und fehlenden dualen Karrieremöglichkeiten konfrontiert. Daher endet für viele der Traum von einer erfolgreichen Karriere im Ausland in prekären Lebensbedingungen nach dem Karriereende. Fraglich ist schließlich auch, ob der afrikanische Fußball von der Migration seiner Spielerinnen und Spieler profitiert. Die Nationalmannschaften mögen zwar von der Teilnahme ihrer Spielerinnen und Spieler an Weltklasse-Klubwettbewerben in Europa und anderswo profitiert haben, doch das Fehlen von Stars in den afrikanischen Ligen hat zu einem nachlassenden Interesse und unzureichenden Investitionen in die lokalen Ligen in Afrika geführt, was schwerwiegende Folgen für die Entwicklung des Fußballs auf dem Kontinent hat. Die Migration afrikanischer Fußballerinnen und Fußballer mag deshalb zwar auf den ersten Blick glanzvolle Bilder des Erfolgs hervorbringen, ist aber eher eine zweifelhafte Angelegenheit, die zur Marginalisierung Afrikas auf der globalen Fußballbühne und darüber hinaus beiträgt.

Übersetzung aus dem Englischen: Vera Hanewinkel

Quellen / Literatur

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Fussnoten

Fußnoten

  1. Ejekwumadu (2023).

  2. FB (2021).

  3. FIFA (2023).

  4. FIFA (2024).

  5. Lanfranchi et al. (2001) und Taylor (2006).

  6. Lanfranchi et al. (2001), Taylor (2006) und Vasili (2000).

  7. Ungruhe (2014).

  8. Darby et al. (2022).

  9. Darby et al. (2018 und 2022).

  10. Ungruhe et al. (2020).

  11. Saavedra (2003), Acheampong (2022) und Darby et al. (2024).

  12. Engh et al. (2015) und Darby et al. (2024).

  13. FIFA (2024).

  14. The Guardian (2024).

  15. Poli (2006) und Darby et al. (2022).

  16. Ungruhe et al. (2020).

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Dr. Christian Ungruhe ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter (Postdoc) an der Professur für Geographie mit dem Schwerpunkt Bildung für nachhaltige Entwicklung an der Universität Passau und Research Fellow im internationalen Forschungskonsortium Externer Link: Migration and Translocality in West Africa (MiTra-WA). Seine Forschung konzentriert sich auf Fragen von Migration und Mobilität mit einem Fokus auf Jugend, Gender, Arbeit und Sport und einem regionalen Schwerpunkt auf dem ländlichen und städtischen Westafrika. Er ist Mitautor der Monographie African Football Migration. Aspirations, Experiences and Trajectories (zusammen mit Paul Darby und James Esson; Manchester University Press; 2022).