In den 1990er Jahren begannen die Mitgliedstaaten der Interner Link: Europäischen Union (EU), Interner Link: eine gemeinsame Politik zu Flucht und Asyl zu entwickeln. Hintergrund waren vor allem drei Aspekte: Erstens führte der mit dem Interner Link: Schengener Abkommen beschlossene Wegfall der Personenkontrollen an den Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten zu Bestrebungen, die Außengrenzen der Gemeinschaft besser zu kontrollieren, was eine Kooperation notwendig erscheinen ließ. Zweitens gab es gravierende Differenzen zwischen den Asylsystemen der einzelnen EU-Länder, sodass es einen großen Unterschied machte, in welchem der Länder ein Schutzsuchender einen Asylantrag stellte. Drittens erschien es erforderlich zu regeln, welcher Mitgliedstaat letztendlich für die Prüfung eines Asylantrags zuständig sein sollte. Asylsuchende sollten nicht in mehreren Mitgliedstaaten Asylanträge stellen können und es sollte sich in jedem Fall ein Staat für die Prüfung des Asylgesuchs verantwortlich fühlen, um ein "Weiterschieben" von Schutzsuchenden zu vermeiden.
Aus diesen Bestrebungen heraus Interner Link: entstand das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS). Seit Mitte der 2000er Jahre besteht es im Kern aus zwei Verordnungen und drei Richtlinien: Sie regeln die Zuständigkeit für die Prüfung von Asylanträgen, die Bestimmungen über Mindeststandards bei der Unterbringung und Versorgung Asylsuchender und beinhalten Regelungen zur Standardisierung von Asylverfahren. Dadurch sollten sich die Asylsysteme der Mitgliedstaaten angleichen. Darauf zielte zwischen 2011 und 2013 auch eine Reform dieser Rechtsakte. Die Interner Link: umfangreiche Fluchtzuwanderung im Jahr 2015 jedoch stürzte die europäische Flüchtlingspolitik in eine tiefe Krise und legte die Defizite der gemeinsamen Asylpolitik offen.
Defizite des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
Das GEAS ist in vielen EU-Staaten nur unzureichend umgesetzt worden, dadurch sind die Unterschiede zwischen den nationalen Asylsystemen weiterhin gravierend. Das wird allein schon anhand der sehr unterschiedlichen Interner Link: Schutzquoten innerhalb der EU deutlich. So erhielten 2021 beispielsweise nur neun Prozent der Asylbewerber:innen aus Interner Link: Afghanistan in erster Instanz einen Schutzstatus in Bulgarien, während in Spanien und Portugal 100 Prozent der afghanischen Asylsuchenden als schutzberechtigt eingestuft wurden. Die unterschiedlichen Schutzquoten tragen dazu bei, dass Asylsuchende in der EU dort einen Asylantrag stellen, wo sie die besten Chancen auf einen Interner Link: Schutzstatus erwarten. Diesen Bewegungen steht wiederum die Interner Link: Dublin-Verordnung entgegen. Sie enthält Kriterien, die darüber bestimmen, welcher Mitgliedstaat für die Bearbeitung eines Asylantrags Interner Link: zuständig ist: Dies ist in der Regel der Mitgliedstaat, in den Asylsuchende als erstes in die EU einreisen. Damit tragen vor allem die Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen die Verantwortung für die Durchführung von Asylverfahren – zumindest formell. In der Praxis jedoch reisen viele Asylsuchende, die etwa in Griechenland oder Italien ankommen, in andere EU-Staaten weiter. Reichen sie dort einen Asylantrag ein, prüfen die Behörden zunächst, ob sie überhaupt für das Asylverfahren zuständig sind. Stellen sie dabei z.B. anhand einer entsprechenden Registrierung in der Interner Link: Fingerabdruck-Datenbank EURODAC fest, dass die asylsuchende Person in ein anderes EU-Land zuerst eingereist ist, fragen die Asylbehörde dieses Land an, ob sie den Schutzsuchenden dorthin überstellen dürfen. Die Dublin-Regeln führen dazu, dass viele Asylsuchende in der EU hin- und hergeschoben werden, bevor ihr Asylantrag inhaltlich geprüft wird. Der Verwaltungsaufwand ist hoch. Viele Überstellungen scheitern in der Praxis. 2020 beispielsweise wurden innerhalb der EU 94.600 Überstellungsersuchen erfasst, in 50.400 Fällen stimmten die angefragten Mitgliedstaaten einer Überstellung zu – tatsächlich durchgeführt wurden dann 12.500 Überstellungen.
Neben der unzureichenden Angleichung der Asylsysteme der EU-Mitgliedstaaten machte die sich ab 2015 deutlich abzeichnende Krise des EU-Asylsystems vor allem auf eines aufmerksam: Eine 'solidarische Verantwortungsteilung' existiert nicht; die Hauptverantwortung bei der Aufnahme Asylsuchender lastet auf den Externer Link: Schultern einiger weniger EU-Staaten.
Insbesondere die Mittelmeeranrainer Italien, Spanien, Griechenland, Malta und Zypern fühlen sich aufgrund der Dublin-Regelungen und der fehlenden Bereitschaft vieler EU-Staaten, ihnen Schutzsuchende z.B. im Wege von Umverteilungsprogrammen (Relocation) abzunehmen, mit den über das Mittelmeer nach Europa gelangenden Schutzsuchenden alleine gelassen. Für zahlreiche Schutzsuchende endet diese Reise tödlich: Jährlich sterben hunderte Menschen beim Versuch der Überfahrt; rund 25.000 waren es seit 2014 (Stand: Oktober 2022). Eine europäisch koordinierte Interner Link: Seenotrettung gibt es nicht. Auch werden Seenotrettungsoperationen einzelner Staaten, wie die von 2013 bis 2014 von der italienischen Küstenwache durchgeführte Operation 'Mare Nostrum', die in einem Jahr 130.000 Menschen rettete, von anderen EU-Regierungschef:innen nicht unterstützt. Die italienische Rettungsmission wurde schließlich durch EU-Operationen ersetzt, in deren Fokus aber nicht die Rettung von Menschenleben, sondern Grenzkontrollen und die Bekämpfung von Interner Link: Schleuseraktivitäten stehen. Seither kommt zivilgesellschaftlichen Organisationen eine wichtige Rolle bei der Seenotrettung zu. Nur wenige EU-Staaten beteiligen sich allerdings an der Aufnahme von geretteten Geflüchteten. Dies trägt dazu bei, dass viele Aufnahmeeinrichtungen in den Ländern an der europäischen Außengrenze in den letzten Jahren zeitweise total überfüllt waren. Die humanitäre Situation in diesen Flüchtlingslagern – insbesondere Interner Link: auf den griechischen Inseln in der Ägäis – ist mit europäischen Werten und der Europäischen Menschenrechtscharta kaum vereinbar.
Reformversuche
Bereits im Mai 2015 legte die Interner Link: Europäische Kommission unter ihrem damaligen Präsidenten Jean-Claude Juncker eine Strategie zur zukünftigen Gestaltung der EU-Migrations- und Asylpolitik vor. Konkrete Vorschläge für reformierte Rechtsvorschriften folgten im Interner Link: Frühjahr 2016. Bis zum Ende der Legislatur der Juncker-Kommission Ende Oktober 2019 konnten die Verhandlungen über die Reformvorschläge jedoch nicht abgeschlossen werden – zu groß waren die Interessenunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Ihnen gelang es lediglich, eine verstärkte Kontrolle und Überwachung der Außengrenzen durch die Ausweitung des Mandats der Interner Link: Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) zu beschließen. Demgegenüber gerieten humanitäre Aspekte des Flüchtlingsschutzes zunehmend ins Hintertreffen. So verschob sich der Fokus der gemeinsamen Asylpolitik weiter in Richtung sicherheitspolitischer Interessen: Drittstaaten sollten stärker in die Interner Link: Unterbindung von Bewegungen in Richtung EU eingebunden und Maßnahmen zur Rückführung abgelehnter Asylbewerber:innen ausgebaut werden. Die Interner Link: EU-Türkei-Vereinbarung und die Interner Link: Kooperation mit der libyschen Küstenwache sind zwei Beispiele für dieser Entwicklung.
Ein wesentlicher Streitpunkt in den Verhandlungen zur Zukunft der gemeinsamen Asylpolitik blieb die Reform der Interner Link: Dublin-Regelungen und die Frage nach einer 'solidarischen Verantwortungsteilung' bei der Aufnahme von Asylsuchenden. Insbesondere die Mittelmeeranrainer Italien, Malta, Zypern, Spanien und Griechenland drängten auf Entlastung, während sich andere EU-Länder, Interner Link: wie die osteuropäischen Visegrád-Staaten, gegen verbindliche Verteilungsquoten positionierten. Der Streit um die Dublin-Reform führte auch dazu, dass die Verhandlungen über die Neufassung anderer Rechtsakte, auf die sich das Interner Link: Europäische Parlament und der Interner Link: Rat weitgehend einigen konnten, auf Eis gelegt wurden: Die Mittelmeerstaaten und das Europäische Parlament bestanden darauf, die überarbeiteten Rechtsakte nur im Paket mit der Dublin-Reform zu verabschieden. Dadurch wollten sie sicherstellen, dass ihre Interessen bei der Neugestaltung des Dublin-Systems gewahrt würden.
Im Interner Link: September 2020 unternahm die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen (Kommissionspräsidentin seit dem 1. Dezember 2019) den Versuch, die Blockade des Reformprozesses zu durchbrechen: Der Neue Pakt für Asyl und Migration sollte einen "Neustart" in den Verhandlungen herbeiführen. Er schließt in Teilen an die Vorschläge der Juncker-Kommission an, enthält aber auch neue Initiativen zur Reform des EU-Asylrechts. Zentraler Bestandteil ist die Ablösung des Dublin-Systems durch ein neues System für Asyl- und Migrationsmanagement. Es zielt im Kern auf "eine gerechtere Verteilung der Verantwortlichkeiten unter den Mitgliedstaaten" , die durch Solidaritätsmechanismen hergestellt werden soll. In der Regel steht es den Mitgliedstaaten dabei weiterhin frei, andere Mitgliedstaaten bei der Aufnahme von Asylsuchenden zu unterstützen. Die wesentlichen Regelungen der Dublin-Verordnung zur Bestimmung desjenigen EU-Landes, das für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, wurden in die neue Asyl- und Managementverordnung übernommen; allerdings ist nun vorgesehen, dass dabei zukünftig stärker soziale Kriterien bei der Feststellung des für die Asylantragsprüfung zuständigen EU-Staates berücksichtigt werden, etwa, ob in einem EU-Mitgliedstaat bereits Familienangehörige des Asylsuchenden leben oder in der Vergangenheit in einem EU-Staat bereits ein Bildungsabschluss erworben wurde. Verpflichtend wird die Verantwortungsteilung nur in Zeiten, in denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten durch einen "Massenzustrom" von Schutzsuchenden derart unter Druck geraten, dass ihre Asyl-, Aufnahme- und Rückführungssysteme funktionsunfähig werden. Die Mitgliedstaaten können sich in solchen Fällen im Sinne einer "flexiblen Solidarität" zwischen verschiedenen Formen der Verantwortungsübernahme entscheiden: So können sie sich entweder an der Umverteilung (relocation) von Asylsuchenden aus den unter "Migrationsdruck" geratenen Staaten beteiligen oder im Wege sogenannter Rückführungspatenschaften (return sponsorships) Verantwortung für die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerber:innen übernehmen. Schließlich besteht auch die Möglichkeit, andere Mitgliedstaaten operativ zu unterstützen, Fachwissen zur Verfügung zu stellen oder am Kapazitätsaufbau mitzuwirken. Im Juni 2022 einigten sich 21 Staaten – 18 EU-Mitgliedsländer und drei assoziierte Schengen-Länder – auf einen zunächst auf ein Jahr befristeten "freiwilligen Solidaritätsmechanismus". Er soll vor allem die EU-Staaten im Mittelmeerraum entlasten – durch die Umverteilung von (v.a. aus Seenot geretteten) Schutzsuchenden und finanzielle Unterstützung. Außerdem soll der Mechanismus Erkenntnisse für den im Migrations- und Asylpakt der EU-Kommission vorgesehenen ständigen Solidaritätsmechanismus liefern. Bislang wurde die Umverteilung von etwa 8.000 Geflüchteten zugesagt , wobei der Großteil der Aufnahmezusagen von Deutschland (3.500) und Frankreich (3.000) kam.
Einer der insgesamt neun im Neuen Pakt für Asyl und Migration vorgestellten Legislativvorschläge beinhaltet die Schaffung gemeinsamer Vorschriften zur Neuansiedlung (Interner Link: Resettlement) und zur Aufnahme aus humanitären Gründen. Dadurch sollen mehr Flüchtlinge die Möglichkeit haben, legal in die EU zu gelangen und hier Schutz zu erhalten. Bislang erfolgen Aufnahmezusagen eher ad hoc. Zukünftig soll die Zahl der Resettlement-Plätze jeweils für einen Zeitraum von zwei Jahren festgelegt werden. Verbindlich ist die Beteiligung der EU-Mitgliedstaaten am gemeinsamen Neuansiedlungsrahmen jedoch auch in Zukunft nicht.
Um die nationalen Asylsysteme zu entlasten, sehen die Vorschläge der EU-Kommission zur Reform des GEAS die Einführung eines neuen unmittelbaren Schutzstatus für Personen vor, die aus Kriegsgebieten fliehen. Er soll die Richtlinie über den temporären Schutz (in Deutschland als "Massenzustromrichtlinie" bezeichnet) ablösen. Sie war 2001 infolge der Interner Link: postjugoslawischen Kriege und der damit verbundenen umfangreichen Fluchtbewegungen in die EU-Mitgliedstaaten verabschiedet, allerdings bis März 2022 nie aktiviert worden. Erst Interner Link: Russlands Angriff auf die Ukraine führte dazu, dass der Rat der Europäischen Union die Anwendung der Richtlinie beschloss. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine haben dadurch unmittelbar ein befristetes Aufenthaltsrecht in der EU, das ihnen auch Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Bildungs- und Gesundheitssystem sowie zu Sozialleistungen ermöglicht.
Auch die ebenfalls im neuen Asyl- und Migrationspakt vorgeschlagenen Asylverfahren an den Außengrenzen der EU sollen zur Entlastung der nationalen Asylsysteme beitragen. Dazu sollen in einem neuen Screening-Verfahren (pre-entry screening) zunächst die Identität und Herkunft von Asylsuchenden festgestellt, mögliche Sicherheits- und Gesundheitsrisiken geprüft sowie Fingerabdrücke in der EURODAC-Datenbank gespeichert werden. Daran soll sich ein beschleunigtes Asylverfahren insbesondere für diejenigen Asylsuchenden anschließen, die aus Ländern mit niedrigen Schutzquoten kommen und daher wenig Aussicht auf einen Schutzstatus haben. Wird ihr Asylantrag abgelehnt, sollen sie umgehend in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. Damit die Rückführungen auch durchgesetzt werden können, strebt die EU-Kommission unter anderem eine stärkere Zusammenarbeit mit Drittstaaten und die Benennung eines Rückkehrkoordinators an. Darüber hinaus sehen die Pläne der EU-Kommission vor, dass in der Fingerabdruck-Datenbank EURODAC zukünftig mehr Daten gesammelt werden dürfen, etwa Gesichtsbilder, auf die auch Strafverfolgungsbehörden einfacher zugreifen können sollen. Einheitliche Vorschriften für Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in den EU-Mitgliedsländern sollen zudem dazu führen, dass Asylsuchende in allen Mitgliedstaaten die gleichen Rechte haben und sich die Schutzquoten angleichen – dadurch sollen Weiterwanderungen (sogenannte Sekundärmigration) vermieden werden. Damit sich die Asylsysteme weiter angleichen, beinhalten die Reformvorschläge der EU-Kommission auch die Interner Link: Umwandlung des seit 2010 existierenden Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) in eine EU-Asylagentur (EUAA) mit erweitertem Mandat. Dieser Vorschlag lag bereits seit 2016 auf dem Tisch. Die EASO-Reform wurde 2021 aus dem Migrationspaket herausgelöst und im Dezember 2021 vom Rat der Europäischen Union verabschiedet, sodass die EU-Asylagentur im Januar 2022 ihre Arbeit aufnehmen konnte.
Als Reaktion auf Interner Link: Versuche seitens Belarus, Migration zu instrumentalisieren, um Druck auf die EU auszuüben, brachte die EU-Kommission im Dezember 2021 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Bewältigung solcher Situationen in den Reformprozess ein. Diese Verordnung erlaubt es Mitgliedstaaten unter anderem, ein "Notverfahren für das Migrations- und Asylmanagement" einzurichten und von rechtlichen Verpflichtungen abzuweichen, die sich aus anderen Verordnungen und Richtlinien des GEAS ergeben. So können zum Beispiel Asylanträge unmittelbar an der Grenze an zu diesem Zweck benannten Grenzübergangsstellen geprüft werden. Aufgrund dieser Verordnung schlugen im September 2022 60 NGOs aus ganz Europa in einer gemeinsamen Erklärung Alarm: Die durch eine Einführung der Verordnung ständig verfügbaren Ausnahmeregelungen würden den Flüchtlingsschutz und das gemeinsame Asylsystem aushöhlen. Zahlreiche Forschende, aber auch Akteure des Flüchtlingsschutzes kritisieren, dass die sogenannte Instrumentalisierungsverordnung den sicherheitspolitischen Fokus der Vorschläge für eine Reform der EU-Asylpolitik unterstreiche, der den Neuen Asyl- und Migrationspakt insgesamt durchziehe. Eine für den 8. Dezember 2022 anberaumte Abstimmung über die Instrumentalisierungsverordnung im Rat wurde kurzfristig von der Tagesordnung genommen, da sich keine ausreichende Mehrheit für den Entwurf abzeichnete.
Bewegt sie sich doch?
Zwei Jahre nach der Vorstellung des neuen Asyl- und Migrationspakts der EU-Kommission ist die Dynamik des proklamierten "Neuanfangs" in den Verhandlungen um eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems weitgehend verpufft: Zum großen Durchbruch ist es bislang nicht gekommen. Zwar wurden das Mandat der Grenzschutzagentur Frontex ausgeweitet und die neue EU-Asylagentur eingerichtet. Für die meisten der von der Kommission vorgeschlagenen Verordnungen stehen Verhandlungsmandate und eine Einigung der Co-Gesetzgeber (Rat und Europäisches Parlament) hingegen noch aus. Immerhin scheint der Reformprozess nicht ganz still zu stehen, politisch wird weiterhin der Wille demonstriert, die Reform abzuschließen. Anfang September 2022 einigten sich das EU-Parlament und die fünf rotierenden Ratspräsidentschaften Frankreich, Tschechien, Schweden, Spanien und Belgien auf einen Fahrplan: Bis Februar 2024 sollen die Verhandlungen über die verschiedenen im Asyl- und Migrationspakt vorgesehenen Rechtsakte zum Abschluss kommen. Die Wahl rechtspopulistischer/rechtsgerichteter Regierungen in EU-Mitgliedstaaten wie Schweden und Italien wird es nicht leichter machen, eine Einigung zu erzielen. Und: Mit der Tendenz der vergangenen Jahre, sicherheitspolitische Interessen über den Schutz und die Rechte von Flüchtlingen zu stellen, bricht die Reform der gemeinsamen europäischen Asylpolitik nicht.
(Der Beitrag wird flankiert von vier Expert:innen-Statements zur Frage "Wie weiter in der EU-Asylpolitik?" von Petra Bendel, Birgit Glorius, Gerald Knaus und Raphael Bossong).