Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Einwanderungsgesellschaft gewandelt und ist zu einem der weltweit beliebtesten Zielländer für Migrant:innen geworden. Für die Migrant:innen selbst, aber auch für die aufnehmende Gesellschaft spielt eine erfolgreiche
Unterschiedliche Verständnisse von Einbürgerung
Die Einbürgerungspolitik legt fest, unter welchen Bedingungen Migrant:innen und ihre Nachkommen vollwertige Mitglieder der Aufnahmegesellschaft werden können – mit allen Rechten und Pflichten. Länder unterscheiden sich erheblich in ihren Einbürgerungskriterien. Zentral ist dabei die Frage, wie lange Menschen im Land leben müssen, bis sie das Recht erhalten, sich einbürgern zu lassen. Darin spiegeln sich sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Funktion von Einbürgerung im Integrationsprozess wider: In klassischen Einwanderungsgesellschaften (z.B. in den USA oder Kanada) wird Einbürgerung als Katalysator für Integration verstanden. Migrant:innen können sich hier bereits nach wenigen Jahren einbürgern lassen. In anderen Ländern (z.B. Schweiz oder Österreich) herrscht hingegen die Vorstellung vor, dass Migrant:innen erst eingebürgert werden sollten, wenn sie sich erfolgreich integriert haben. Hier werden für die Einbürgerung lange Aufenthaltszeiten von zehn Jahren oder mehr vorausgesetzt, an deren Ende die Einbürgerung als Belohnung für (erfolgreiche) Integrationsanstrengungen steht.
Wie kann Einbürgerung die Integration von Migrant:innen fördern?
Aus Sicht der Humankapitaltheorie und Arbeitsmarktökonomik gibt es mehrere Gründe, warum die Staatsbürgerschaft des Ziellandes die wirtschaftliche und gesellschaftliche Position von Migrant:innen beeinflussen kann. Erstens verändert sich mit dem Erwerb der Staatsbürgerschaft des Aufnahmelandes die Art der Migrant:innen zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze, die wiederum ihre Karriereoptionen verbessern (z.B. Stellen im öffentlichen Dienst, die in der Regel Staatsangehörigen vorbehalten sind; Wegfall von Reisebeschränkungen, was eine Karriere in international tätigen Unternehmen erleichtert). Zweitens stellt eine Einbürgerung eine langfristige Perspektive im Aufnahmeland dar. Dies kann zum einen Hemmnisse auf Seiten der Arbeitgeber:innen verringern, in die Karriere zugewanderter Arbeitnehmer:innen zu investieren. Zum anderen können die langfristig besseren Karriere- und Ausbildungsmöglichkeiten es für Migrant:innen attraktiver machen, eine gute formale Bildung anzustreben. Drittens kann die Einbürgerung zu einer höheren Identifikation mit dem Zielland führen (u.a. durch die Möglichkeit politischer Mitbestimmung bei Wahlen) und die Normen und Werte beeinflussen, die die Entscheidungen einer Person leiten. Schließlich kann der Erwerb der Staatsbürgerschaft des Aufnahmelandes dazu beitragen, mögliche Diskriminierung seitens der Einheimischen zu verringern.
Die verbesserten Karriere- und Ausbildungsmöglichkeiten im Arbeitsmarkt können in Verbindung mit veränderten Werten auch andere Lebensbereiche beeinflussen, wie z.B. das Heiratsverhalten oder die Familienplanung.
Wie kann der Effekt von Einbürgerung gemessen werden?
Inwieweit die Einbürgerung tatsächlich die Integration von Migrant:innen beschleunigt, ist empirisch schwierig zu erfassen. Ein einfacher Vergleich von eingebürgerten und nicht eingebürgerten Migrant:innen unterschlägt systematische Unterschiede wie etwa die Motivation, im Land zu bleiben, vorhandene Sprachkenntnisse oder die bisher im Zielland verbrachte Zeit. Unterschiede im Arbeitsmarkterfolg zwischen beiden Gruppen wären daher nicht ursächlich auf den Effekt der Einbürgerung zurückzuführen. Um die Frage zu beantworten, ob die Integration durch eine Einbürgerung beschleunigt wird, können politische Reformen genutzt werden, die zu Unterschieden im Zugang zur Staatsbürgerschaft zwischen ansonsten vergleichbaren Migrant:innen führen. Die Reformen des deutschen Staatsangehörigkeits¬rechts sind hierfür besonders gut geeignet.
Staatsangehörigkeitsrechtsreformen in Deutschland
Das
Darüber hinaus legten die Reformen von 1991 und 2000 weitere Voraussetzungen für eine Einbürgerung fest, etwa die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft (außer für EU-Bürger), wirtschaftliche Selbständigkeit (als Erwachsene) oder eine mindestens sechsjährige Schulausbildung in Deutschland (als Jugendliche) sowie das Nichtvorhandensein von schweren Vorstrafen. Während diese Kriterien zusätzliche Hürden für eine Einbürgerung darstellen können, sind für die Frage, wie sich ein schnellerer Zugang zur Staatsbürgerschaft ursächlich auf die Integration von Migrant:innen auswirkt, die Unterschiede in der Mindestaufenthaltszeit für ansonsten vergleichbare Migrant:innen entscheidend.
Empirische Ergebnisse
Die empirische Analyse vergleicht nun Migrant:innen, die aufgrund der beiden Reformen unterschiedlich lange Mindestaufenthaltszeiten für die Einbürgerung erfüllen mussten, während für sozio-demographische Unterschiede in den Variablen Alter, Zuwanderungsjahr, Herkunftsland etc. kontrolliert wird. Sie kommt zu folgenden zentralen Ergebnissen
Ein schnellerer Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft erhöht Arbeitsmarktbeteiligung und Arbeitseinkommen, insbesondere von zugewanderten Frauen. Sie sind häufiger erwerbstätig und öfter in Vollzeit beschäftigt. Auch gelingt ihnen häufiger ein Wechsel in besser bezahlte Berufe und Branchen mit besseren Arbeitsbedingungen, wie etwa einem unbefristeten Arbeitsvertrag. Männer profitieren hauptsächlich davon, dass sie seltener als Selbständige in schlecht bezahlten Jobs arbeiten müssen. Außerdem zeigt sich, dass Migrant:innen stärker in berufliche Ausbildung und deutsche Sprachkenntnisse investieren.
Über die Integrationserfolge am Arbeitsmarkt hinaus hat der Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft erhebliche Auswirkungen auf die Familienplanung von Migrant:innen. Sowohl Männer als auch Frauen mit schnellerem Zugang zur Staatsbürgerschaft suchen länger nach einem passenden Partner und heiraten daher später. Zudem bekommen Frauen ihr erstes Kind später. Sowohl beim Heiratsverhalten als auch mit Blick auf das Alter der Mütter bei der Geburt des ersten Kindes nähern sich Migrant:innen in Deutschland dem Verhalten von Einheimischen an. Diese Annäherungen im Heirats- und Geburtenverhalten spiegeln wiederum die sich annähernden Chancen auf dem Arbeitsmarkt wider, die sich durch den leichteren Zugang zur Einbürgerung ergeben.
Fazit
Die Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts in Deutschland liefert überzeugende Evidenz dafür, dass Einbürgerung die ökonomische und soziale Integration deutlich erhöht.