Fachkräfteengpässe in Deutschland: Wo und warum treten sie auf?
Der deutsche Arbeitsmarkt verzeichnet Fachkräfteengpässe in verschiedenen Berufen und Regionen. Sie resultieren aus einem zu geringen Angebot an Fachkräften, also Personen mit einer qualifizierten beruflichen oder Hochschul-Ausbildung. Dadurch können nicht alle offenen Arbeitsplätze mit adäquatem Personal besetzt werden. Die Gründe dafür sind zum einen die Interner Link: demografische Entwicklung in Deutschland, die zu einem Rückgang der Erwerbsbevölkerung führt, und zum anderen qualifikatorische, berufliche oder regionale “Mismatches“. Das bedeutet, dass durch unterschiedliche Präferenzen in der Bildungs-, Berufs- oder Wohnortwahl passend ausgebildete Personen für die jeweils zu besetzenden Stellen fehlen. Diese Passungsprobleme können auch bei allgemeiner Interner Link: Arbeitslosigkeit auftreten, wenn das Berufs- und Qualifikationsprofil der Arbeitslosen nicht den gesuchten Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt entspricht.
Den Bedarf an Fachkräften bestimmen soziale, politische und technologische Entwicklungen. Auch die Interner Link: Corona-Pandemie hat sich ab dem Frühjahr 2020 auf die Fachkräftenachfrage ausgewirkt, zumindest kurzfristig. Insbesondere in Branchen, in denen aufgrund der Infektionsschutzmaßnahmen die Arbeit nicht wie gewohnt fortgesetzt werden konnte (z.B. im Tourismus und Gastgewerbe), ging auch der Personalbedarf zurück. Langfristige Veränderungsimpulse gehen hingegen eher von einer Interner Link: alternden Bevölkerung aus, einer anhaltenden Phase der Interner Link: Niedrigzinspolitik und damit steigenden Investitionstätigkeiten in Neubau und Renovierungen oder einer zunehmenden Interner Link: Digitalisierung des Arbeitsmarktes.
Demzufolge zeigen sich bereits heute insbesondere in Handwerks- und Bauberufen sowie in der Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege Engpässe bei der Besetzung von Fachkräftestellen, die eine Berufsausbildung voraussetzen. Aber auch der Bedarf an Hochqualifizierten, vor allem in den Berufsbereichen Humanmedizin und Informatik, kann derzeit nicht vollständig gedeckt werden. In den Stadtstaaten Berlin und Hamburg oder auch in Sachsen treten Engpässe im Berufsbereich Informatik verstärkt auf. In Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und den östlichen Flächenländern sind sie in den medizinischen Gesundheitsberufen besonders groß. Aktuelle Projektionen bis zum Jahr 2040 verdeutlichen, dass sich die Engpasssituation in den genannten Berufsfeldern weiter verschärfen wird.
Qualifizierte Zuwanderung zur Sicherung der Fachkräftebedarfe
Um jetzigen und zukünftigen Engpässen entgegenzuwirken, verfolgt die deutsche Bundesregierung im Rahmen ihrer Fachkräftestrategie neben der Stärkung inländischer Fachkräftepotenziale (durch z. B. Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen und Verbesserungen im Hinblick auf Vereinbarkeitsmöglichkeiten von Familie und Beruf) auch das Ziel der qualifizierten Zuwanderung aus EU- und Drittstaaten. So verzeichnete Deutschland im Jahr 2019 zusätzlich zu 593.987 zugezogenen Bürger/-innen Interner Link: anderer EU-Staaten die Zuwanderung von über 39.400 qualifizierten Personen aus Drittstaaten, die überwiegend aus Indien, den USA und der Türkei kamen.
Während die Zuwanderung zur Erwerbstätigkeit für Fachkräfte aus EU-Staaten bereits seit 2005 durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit uneingeschränkt möglich ist, erleichtert seit 2020 das Interner Link: Fachkräfteeinwanderungsgesetz Fachkräften aus Drittstaaten den Arbeitsmarkteinstieg. Seitdem ist es beruflich sowie akademisch qualifizierten Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten gestattet, zur Erwerbstätigkeit oder auch für bis zu sechs Monate zur Suche eines Arbeitsplatzes nach Deutschland zu kommen – eine Option, die zuvor nur Hochqualifizierten vorbehalten war. Dabei spielt es keine Rolle mehr, ob die zugewanderten Personen in Engpassberufen (d.h. Berufen, in denen Engpässe an Fachkräften bestehen) eingesetzt werden oder nicht, entscheidend ist es einen Arbeitsvertrag vorweisen zu können. Auch die Vorrangprüfung wurde aufgehoben, sodass die Bundesagentur für Arbeit vor der Einstellung einer zugewanderten Fachkraft aus Drittstaaten nicht mehr prüfen muss, ob unter den in Deutschland als arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten Personen deutsche oder EU-Bürger/-innen bzw. Ausländer/-innen (mit Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis) für die zu besetzende Stelle zur Verfügung stehen. Voraussetzung ist, dass Zugewanderte über einen Berufsabschluss verfügen, der im Rahmen eines Interner Link: Anerkennungsverfahrens formal als gleichwertig mit deutschen Standards angesehen wird. Dieses Vorgehen regeln seit 2012 die Anerkennungsgesetze des Bundes und der Länder. Ist eine Gleichwertigkeit nicht auf Anhieb feststellbar, aber über entsprechende Weiterbildungen zu erreichen, ermöglicht das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch eine Nachqualifizierung in Deutschland.
Herausforderungen bei der Arbeitsmarktintegration zugewanderter Fachkräfte
Ein anerkannter ausländischer Abschluss erhöht zwar die Transparenz hinsichtlich zu erwartender Fachkompetenzen, Betriebe sind jedoch weiterhin mit Unsicherheiten bei der Rekrutierung ausländischer Fachkräfte konfrontiert. Zugewanderte haben häufig sprachliche Schwierigkeiten oder mangelnde Erfahrungen mit der neuen Arbeitskultur. Für Betriebe bedeutet dies oft längere und aufwendigere Einarbeitungsphasen, weshalb sie, wenn sie die Wahl haben, meist inländische Fachkräfte bei der Stellenbesetzung präferieren.
Aber auch die zugewanderten Fachkräfte stehen enormen Anstrengungen gegenüber, da sie sich zum Beispiel trotz absolvierter Sprachkurse das Fachvokabular und auch die Alltagsbegriffe im Beruf aneignen und gleichzeitig spezifische Arbeitsprozesse erlernen müssen. Überdies erleben Zugewanderte längerfristig nachteilige Arbeitsmarktchancen in Deutschland. Sie sind unter anderem häufiger in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt und durchschnittlich schlechter entlohnt als Einheimische.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass mit den Maßnahmen der Bundesregierung der Arbeitsmarktzugang für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland zwar verbessert wird, die Herausforderungen bei der Arbeitsmarktintegration damit allerdings noch nicht behoben sind. Das kann die Attraktivität des deutschen Arbeitsmarktes für gut ausgebildete internationale Arbeitskräfte mindern und hinsichtlich der bereits vorhandenen und prognostizierten Fachkräfteengpässe sowohl wirtschaftlich aber auch gesamtgesellschaftlich problematisch werden. So muss Deutschland z. B. insbesondere im Interner Link: Gesundheits- und Krankenpflegebereich zukünftig für Fachkräfte attraktiv sein, um dem Anstieg an pflegebedürftigen Menschen in einer alternden Gesellschaft gerecht zu werden und keinen Pflegenotstand zu riskieren.
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