Die Geschichte der UNRWA beginnt mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Großbritannien hatte sein Mandatsgebiet Palästina an die neu geschaffenen Externer Link: Vereinten Nationen (UN) übergeben. 1947 beschloss die UN-Generalversammlung in ihrer Resolution 181 einen eigenen Teilungsplan für Palästina. Dieser sprach Jüdinnen und Juden sowie arabischen Palästinenser:innen mehrere ungefähr gleich große Gebiete zu, für Jerusalem war eine internationale Verwaltung vorgesehen. Die 1945 gegründete Arabische Liga bzw. ihre sechs UN-Mitgliedsstaaten lehnten den Teilungsbeschluss vehement ab und kündigten für den Fall seiner Verwirklichung militärische Maßnahmen an. Als das britische Mandat am 14. Mai 1948 auslief, rief David Ben Gurion den Staat Israel aus, woraufhin die Armeen der arabischen Länder (Syrien, Libanon, Jordanien, Ägypten und Irak) Israel angriffen – der
Im Zuge dieses Konflikts flohen Hunderttausende Menschen in der Region, darunter rund 700.000 palästinensische Araber:innen, die überwiegend in benachbarten Staaten Zuflucht fanden. 1949 wurde mit der Gründung des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East, UNRWA) ein internationaler Akteur geschaffen, der die humanitäre Versorgung aller Geflüchteten gewährleisten, Arbeitsperspektiven schaffen und gemeinsam mit den betroffenen arabischen Staaten Maßnahmen abstimmen sollte, die bei einem Rückzug der internationalen Hilfe für die Geflüchteten greifen würden. Versuche der UN, eine schnelle Vermittlung zwischen den Konfliktparteien zu erreichen, scheiterten bis heute. Damit bleibt auch die Frage nach potentiellen Rückkehr- und Entschädigungsansprüchen für die Palästina-Flüchtlinge ungelöst und das Mandat des ursprünglich vorübergehend eingerichteten Hilfswerks UNRWA weiter bestehen. Heute ist UNRWA mit rund 30.000 Mitarbeiter:innen eine der größten Organisationen der Vereinten Nationen.
Mandat und Leistungen
Geflüchtete aus dem historischen Palästina fallen nicht unter das Mandat des 1950 gegründeten
In Notsituationen darf UNRWA auch nicht als Palästina-Flüchtlinge registrierten Personen humanitäre Hilfe leisten. Für diese Mandatserweiterung hatte sich die Organisation vor allem eingesetzt, nachdem als unmittelbare Folge des
Geflüchtetenhilfe in einem schwierigen politischen Umfeld
Die Rolle der Hilfsorganisation UNRWA in der Region ist hinsichtlich ihres Mandats ambivalent: Zum einen besteht mit Resolution 194 (III) der
Zudem profitieren die Konfliktparteien von dieser mandatorischen Uneindeutigkeit, die auf Seiten der verschiedenen Konfliktparteien auch dazu beiträgt, die Übernahme von Verantwortung für die palästinensische Flüchtlingsfrage aufzuschieben: So hat bspw. die Arbeit des Hilfswerks positive Effekte für den Staat Israel, da sie die finanziellen Aufwendungen der humanitären und entwicklungspolitischen Hilfe in den besetzten palästinensischen Gebieten mitträgt. Trotzdem kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen der israelischen Regierung und der UN-Organisation. Auch die arabischen Staaten profitieren von der Arbeit der UNRWA. Wie auch in Israel kommt die Organisation für einen wesentlichen Teil der humanitären und entwicklungspolitischen Kosten zur Versorgung der Geflüchteten auf und trägt mit ihrer Arbeit zur Stabilisierung der Region bei. Zugleich können Palästina-Flüchtlinge in von UNRWA eingerichteten und finanzierten Schulen und Berufsbildungszentren eine Ausbildung durchlaufen, die in der arabischen Welt vor allem im Ingenieursbereich einen guten Ruf genießt und Fachkräfte für die Staaten in der Region schafft. UNRWA macht allerdings auch die UN in diesen Ländern dauerhaft präsent. Das Hilfswerk ist zu einer Organisation mit quasi-staatlichen Zügen herangewachsen: Es unterhält heute ein eigenes Gesundheits- und Bildungssystem und stellt Identitätsdokumente (UNRWA-ID) als Passersatz für Staatenlose aus. Dadurch wirkt UNRWA fast wie ein Staat im Staate. Dies löst innerhalb der Regierungen der Staaten und Gebiete, in denen UNRWA aktiv ist (Jordanien, Libanon, Syrien, Westjordanland, Gazastreifen), immer wieder Sorgen vor einer indirekten internationalen Kontrolle aus.
UNRWA wird zudem regelmäßig kritisiert, kein neutraler humanitärer Akteur zu sein, sondern mit den politischen Zielen der palästinensischen Konfliktgruppen zu sympathisieren bzw. sich für ihre Zwecke instrumentalisieren zu lassen. Spannungen zwischen politischen palästinensischen Gruppen und anderen politischen Akteuren in den jeweiligen Aufnahmeländern führten bereits in der Vergangenheit wiederholt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, in denen UNRWA eine Rolle spielte. So unterwanderte bspw. die Palestine Liberation Organization (PLO) in den 1960er und 70er Jahren im
Das Personal der UN-Organisation besteht zu 99 Prozent aus lokalen Mitarbeiter:innen. Dies ermöglicht ihr einerseits, ihre Ziele und Programme nah an den Bedürfnissen der Zielgruppe auszurichten und gibt den Palästinenser:innen selbst starke Beteiligungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Andererseits muss UNRWA sich bis heute regelmäßig zu Fällen erklären, in denen politisch aktive Mitarbeiter:innen die Organisation als Vernetzungs- und Mobilisierungsplattform sowie Infrastruktur für ihre Kampagnen nutzen; dies schließt gewalttätige und extremistische Akteure nicht aus. So hatte bspw. die
Ein Blick ist auch zu richten auf die Finanzstruktur des Hilfswerks. Wie sein Mandat (UNRWA arbeitet auf der Grundlage eines temporären, ca. alle drei Jahre zu erneuernden Mandats) wird auch sein Etat alle zwei bis drei Jahre erneuert. Verursacht ist diese Vorgabe durch das Gründungsmandat, welches unter der optimistischen Annahme verabschiedet wurde, dass die Flüchtlingsfrage nach wenigen Jahren gelöst sein werde. Lediglich administrative Kosten werden vom UN-Zentralhaushalt anteilig getragen. Alle weiteren Kosten muss die Organisation durch Spenden finanzieren bzw. Kooperationen mit anderen Organisationen regulieren.
Der Schutzbegriff der UNRWA
UNRWA befindet sich in einem dauerhaften Spannungsfeld: Als UN-Organisation ist sie der Neutralität gegenüber den politischen Akteuren verpflichtet, zugleich hat sie aber das Wohl der Palästina-Flüchtlinge zu verantworten, die Teil der Konfliktparteien sind. Vor allem in Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen tritt sie als Vermittlerin und UN-Stimme für die humanitären Bedürfnisse der Palästina-Flüchtlinge auf; gleichzeitig kommt es vor, dass, wie oben beschrieben, politische Akteure aus ihr heraus agitieren.
Nachdem UNRWA-Mitarbeiter:innen während des Sechstagekriegs 1967 tatenlos bei gewalttätigen Vertreibungen und Verhaftungen zusehen mussten, begann UNRWA im Laufe der
Heute ist der Schutz-Begriff im Normenkanon der Organisation als Gewährleistung wichtiger Güter (wie Bildung, häusliche Sicherheit, Gesundheit) fest verankert: Indem Geflüchtete in ihren individuellen Rechten und Möglichkeiten gestärkt werden, soll die Gefahr konfliktbedingter Armut und Perspektivlosigkeit gemindert werden. Ein Mandat ähnlich desjenigen des UNHCR, dauerhafte Lösungen für Flüchtlinge zu finden, etwa durch Neuansiedlung (
Fazit
UNRWA ist seit ihrer Gründung eine kontrovers betrachtete UN-Organisation und wird dies auch weiterhin bleiben: Sie steht im Spannungsfeld zweier Resolutionen, die sich gegenseitig hinsichtlich ihrer Ziele behindern. Folglich hat jede der Parteien im Nahostkonflikt ein ambivalentes Verhältnis zur UNRWA. Sie agiert als humanitäre Hilfsorganisation, Akteurin der Entwicklungszusammenarbeit, Quasistaat, Fürsprecherin der Palästina-Flüchtlinge und Vermittlerin zwischen den Konfliktparteien. Als regional agierende UN-Organisation sieht sie sich ständig der Gefahr einer Politisierung ausgesetzt. Der UNRWA-Flüchtlingsbegriff trägt durch seine Verknüpfung mit einer Lösung des Nahostkonflikts zur Verstetigung der Flüchtlingsfrage bei. Wiederum kann durch die Vererbung des Flüchtlingsstatus an die nächste Generation den weiterhin staatenlosen Palästinenser:innen in der Region ein gewisser Schutz gewährleistet werden.
Behauptungen, UNRWA verstetige den Konflikt und mit der Auflösung der Organisation erübrige sich automatisch das Problem der Palästina-Flüchtlinge, sind kaum haltbar. Bis heute gibt es keine ernsthaften Bemühungen der Konfliktparteien, eine gemeinsame nachhaltige Lösung zu entwickeln und Perspektiven für die betroffenen Menschen zu schaffen. Vielmehr erlaubt ihnen die Existenz der UNRWA, die ungelöste Geflüchtetenfrage für ihre eigenen Interessen in anderen Verhandlungsprozessen zu instrumentalisieren, während sie zugleich die Arbeit der Organisation von massiven finanziellen und Fürsorgepflichten befreit.
Zum Thema
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