In öffentlichen Debatten über die Interner Link: Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Migration werden regelmäßig die Begriffe "Klima-" oder "Umweltflüchtlinge" verwendet. Sie sollen anzeigen, dass Menschen aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels oder wegen Umweltveränderungen ihre Heimat verlassen mussten. Dabei handelt es sich um umstrittene Begriffe. Es existiert weder eine allgemein akzeptierte, noch eine rechtliche Definition für Menschen, die infolge von schleichenden Umweltveränderungen oder plötzlich auftretenden Naturkatastrophen ihre Heimat verlassen müssen. Zudem beruht die Entscheidung zur Abwanderung in der Regel auf einer Vielzahl von Gründen, sodass sich das "Klima" oder die "Umwelt" nur schwer als Ursachenfaktor isolieren lassen. Des Weiteren kommt dem Begriff und der Eigenschaft einer Person als "Flüchtling" eine feststehende rechtliche Bedeutung zu. Die Begriffe "Klima-" oder "Umweltflüchtling" legen nahe, dass Menschen, die wegen Umweltveränderungen fliehen, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Dies ist aber nur in seltenen Ausnahmefällen tatsächlich der Fall.
Schutz für Flüchtlinge
Ausgangspunkt für den Schutz von Flüchtlingen ist die Interner Link: Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), die von der Staatengemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg verabschiedet wurde und universalen Charakter erlangt hat. Demnach ist ein "Flüchtling" eine Person, die
"aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtung nicht in Anspruch nehmen will".
Grundvoraussetzung für die Gewährung des Flüchtlingsstatus ist also zunächst, dass Menschen auf ihrer Flucht ihr Herkunftsland verlassen haben. Erst dann greift das Internationale Flüchtlingsrecht und damit der Schutz durch andere Staaten. Der Schutz von Interner Link: Binnenvertriebenen obliegt hingegen primär dem Staat, in dem die Abwanderung erfolgt.
Bei der Flüchtlingsdefinition der GFK fällt auf, dass die Begriffe "Klima", "Umwelt" oder "Umweltveränderungen" nicht im Wortlaut enthalten sind. Können Menschen, die sich aufgrund von Klima- oder Umweltveränderungen gezwungen sehen, ihr Herkunftsland zu verlassen, dennoch als Flüchtlinge im Sinne der GFK anerkannt werden?
Begründete Furcht vor Verfolgung wegen der in der GFK genannten Merkmale
Entscheidendes Kriterium für die Annahme der Flüchtlingseigenschaft ist das Vorliegen einer begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Konventionsmerkmale. Das bedeutet, dass eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Interner Link: Menschenrechte wegen der in der GFK genannten Merkmale – Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Überzeugung – vorliegen muss.
Bei Umweltveränderungen fehlt es jedoch an einem Verhalten oder gar einem Akteur, der als Urheber einer Verfolgung in Betracht kommt. Darüber hinaus wirken sich Klima- und Umweltveränderungen auf alle in einem Gebiet lebenden Personen aus und richten sich nicht selektiv gegen sie aufgrund bestimmter Charakteristika. Personen, die wegen Erdbeben, Tsunamis oder dem Anstieg des Meeresspiegels ihre Heimat verlassen, sind somit keine Flüchtlinge im Sinne der GFK.
Bei der rechtlichen Prüfung erscheint es vor diesem Hintergrund sinnvoll, das menschliche Verhalten im Umgang mit der Umwelt und mit den von Umweltveränderungen betroffenen Personen in den Blick zu nehmen. Das Verhalten von Menschen trägt erheblich zum Klimawandel und damit auch zu Umweltveränderungen bei, die die Existenzgrundlage vieler Menschen gefährden. So kann zum Beispiel auf die Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit der Herausbildung von Konsumgesellschaften verwiesen werden. Dennoch liegt dadurch kein Verhalten vor, das als Verfolgung gelten kann, die die Gewährung des Flüchtlingsstatus begründen würde. Zum einen ist es schwierig, einen tatsächlichen und unmittelbaren Zusammenhang zwischen konkreten Umweltveränderungen und dem Klimawandel herzustellen. In den Naturwissenschaften gehen Experten davon aus, dass einzelne Umweltereignisse nicht mit Bestimmtheit auf den Klimawandel zurückgeführt werden können, sondern nur eine statistische Betrachtung der Häufigkeit und Intensität von extremen Wetterereignissen möglich ist. Umweltveränderungen treten durch den Klimawandel verstärkt auf, können gleichzeitig aber auch unabhängig davon erfolgen, wie z.B. Überschwemmungen, Hurrikane, Taifune und Zyklone.
Zum anderen besteht die Schwierigkeit, den anthropogenen Klimawandel dem Verhalten von Akteuren eines konkreten Staates zuzuordnen. Die Zusammenhänge und verschiedenen Faktoren des Klimawandels sind dafür zu komplex. Neben den Einflüssen durch die menschenverursachten Emissionen haben auch andere Prozesse Einfluss auf den Klimawandel, wie etwa die Änderung von Erdparametern und der Sonnenaktivität, Vulkanausbrüche, natürliche Klimaschwankungen, interne Wechselwirkungen und Rückkopplungsmechanismen. Eine Differenzierung der einzelnen Einflüsse und eine Zuordnung zum Verhalten von Akteuren konkreter Staaten kann nicht vorgenommen werden, so dass die in der GFK genannten Voraussetzungen für die Anerkennung als "Flüchtling" nicht vorliegen. Es mag zwar naheliegen, den Industriestaaten eine gewisse Verantwortlichkeit für den Klimawandel und die Menschen zukommen zu lassen, die vor seinen Auswirkungen fliehen. Im Flüchtlingsrecht würde dies jedoch einen Paradigmenwechsel bedeuten. Denn eine Person, die aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels ihre Heimat verlässt und in einem Land des Globalen Nordens Asyl beantragt, würde vor Akteuren derjenigen Staaten fliehen, die sie gleichzeitig um Schutz ersucht: die Industriestaaten. Flüchtlinge im Sinne der GFK sind jedoch nur Personen, die vor Akteuren ihres Herkunftsstaates Schutz suchen.
Bei der Frage, ob Flüchtlingsschutz zu gewähren ist, muss sich der Blick also gezielt auf das Verhalten staatlicher und nicht-staatlicher Akteure im Herkunftsland im Umgang mit der Umwelt und den von Umweltveränderungen betroffenen Personen richten. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus können dann gegeben sein, wenn staatliche oder private Akteure die Umwelt zerstören, um gezielt gegen bestimmte Personengruppen vorzugehen. Als Beispiel kann auf die Trockenlegung der Sumpflandschaften der sogenannten Marsch-Araber in den 1990er Jahren im Irak verwiesen werden. Die irakische Regierung unter Saddam Hussein entschied sich damals dazu, den ursprünglich wirtschaftlich motivierten Plan der Trockenlegung der 20.000 Quadratkilometer umfassenden Sumpflandschaften politisch zu nutzen, um gegen die dort lebenden schiitischen Marsch-Araber und sich in den Sümpfen versteckende Aufständische vorzugehen. Durch Dämme und Deiche wurden über zwei Drittel des Gebietes trockengelegt, so dass über die Jahre ungefähr 90 Prozent des Marschlandes und damit die Existenzgrundlage der dort lebenden Menschen zerstört wurden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ging 2003 davon aus, dass von den zehn Jahre zuvor geschätzten 200.000 in den Sumpflandschaften lebenden Personen nur 20.000 verblieben und die übrigen ihre Heimat verlassen mussten. Die Marsch-Araber wurden von der irakischen Regierung wegen ihrer Religion, politischen Überzeugung – sie lehnten sich gegen die Regierung auf – und der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt.
Wenn staatliche oder private Akteure bestimmten Personengruppen, die durch Umweltveränderungen in Notlagen geraten sind, Hilfsleistungen vorenthalten oder verwehren, kann dieses Verhalten ebenfalls als Verfolgung qualifiziert werden. Ein Beispiel ist das Vorgehen der indischen Regierung und Angehöriger der Kaste der Meenavar-Fischer nach dem Tsunami 2014 gegenüber Angehörigen der Dalit, der Kaste der sogenannten "Unberührbaren". Nach Berichten des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) soll die indische Regierung internationale Hilfsangebote für Angehörige der Dalit abgelehnt haben. Angehörige der höher gestellten Meenavar hätten Angehörigen der Dalit zudem Hilfsleistungen vorenthalten und den Zugang zu Hilfsgütern verweigert. Beides kann als Menschenrechtsverletzung gewertet werden, die wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe erfolgte.
Einen bekannten Fall, in dem Menschen, die vor Naturkatstrophen oder schleichenden Umweltveränderungen in ein anderes Land geflohen sind, die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zugesprochen worden ist, gibt es bislang nicht. Zwar titelten einige Medien im August 2014 "Klimaflüchtlinge anerkannt" und bezogen sich dabei in der Berichterstattung auf zwei Gerichtsentscheidungen in Neuseeland zu einer Familie aus dem Inselstaat Tuvalu, die wegen der Auswirkungen des Klimawandels einen Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung geltend gemacht hatte. Die Familie erhielt auch einen Schutzstatus in Neuseeland. Es handelte sich jedoch lediglich um einen humanitären Abschiebeschutz aufgrund der individuellen Familiensituation, nicht um einen flüchtlingsrechtlichen Schutz wegen des Klimawandels. Das zuständige Gericht wies in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich darauf hin, dass die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in Betracht gekommen sei.
Weitere Schutzinstrumente für Flüchtlinge
Neben der inzwischen von rund 150 Staaten unterzeichneten GFK gibt es regionale Schutzinstrumente in Afrika, Zentralamerika, Europa, Asien und dem Mittleren Osten. Sie enthalten eigene Flüchtlingsdefinitionen, die zwar auf der GFK basieren, sich im Anwendungsbereich aber unterscheiden. "Klima", "Umwelt" oder "Umweltveränderungen" werden dennoch nicht im Wortlaut erwähnt, so dass sich keine andere rechtliche Beurteilung für den Schutz ergibt. Eine Ausnahme stellt die Arabische Flüchtlingskonvention dar, deren Definition "natural disasters" als Abwanderungsgrund erfasst. Jedoch kommt diesem Dokument keine praktische Bedeutung zu, da es 1994 von der Liga der Arabischen Staaten lediglich angenommen, jedoch nie ratifiziert wurde.
Schutz für Binnenvertriebene
Die meisten Menschen, die wegen Umweltveränderungen ihre Heimatorte verlassen müssen, verbleiben innerhalb ihrer Herkunftsstaaten. 1998 haben die Vereinten Nationen Leitlinien für Binnenvertriebene (Guiding Principles on Internal Displacement) verabschiedet, die für den Schutz bei der Abwanderung innerhalb der Staatsgrenzen relevant sind. Die dort enthaltene Definition von Binnenvertriebenen erfasst ausdrücklich "natural or man-made disasters" als Abwanderungsgründe. Das bedeutet, dass die Flucht aufgrund von Umweltveränderungen und dem zum Klimawandel beitragenden menschlichen Verhalten in den Anwendungsbereich der Leitlinien fällt. Allerdings haben sie keinen rechtsverbindlichen Charakter. Trotz einer bemerkenswerten Anerkennung bleibt es den Staaten selbst überlassen, die vorgesehenen Regelungen umzusetzen und einzuhalten.
Anders sieht es auf regionaler Ebene in Afrika aus, wo seit Ende 2012 die sogenannte Kampala-Konvention in Kraft ist, deren Definition von Binnenvertriebenen wortwörtlich mit der der Leitlinien übereinstimmt. Bei der Kampala-Konvention handelt es sich allerdings um ein verbindliches Abkommen. Sie soll ein rechtliches Rahmenwerk in Afrika schaffen, um einen angemessenen Schutz sowie dauerhafte Lösungen für Binnenvertriebene zu erwirken. Dabei werden Umweltveränderungen aufgrund des Klimawandels ausdrücklich als Abwanderungsgrund erfasst. Die Vertragsstaaten sind zudem verpflichtet, die davon betroffenen Personen zu schützen und zu unterstützen.
Fazit und Ausblick: Schutzlücken schließen
Menschen, die wegen Umweltveränderungen infolge des anthropogenen Klimawandels ihre Heimat verlassen, können, sofern sie innerhalb ihrer Herkunftsländer verbleiben, als "Binnenvertriebene" geschützt werden. Es obliegt dem Herkunftsstaat, eine Schutzfunktion zu übernehmen. Ein Schutz als "Flüchtling" durch die internationale Staatengemeinschaft kommt jedoch nicht in Betracht. "Klimaflüchtlinge" oder "Umweltflüchtlinge" sind keine Flüchtlinge im rechtlichen Sinne, da sie nicht von den für sie bestehenden Schutzinstrumenten erfasst werden. Zwar können bestimmte Konstellationen im Zusammenhang mit Umweltveränderungen vorliegen, die eine Anerkennung als "Flüchtling" im Sinne der GFK ermöglichen. Eine einheitliche und umfassende Lösung zum Schutz der betroffenen Personen fehlt bisher allerdings. Die Entwicklungen im Flüchtlingsrecht zeigen aber, dass Umweltveränderungen und die Auswirkungen des Klimawandels als Ursachen für die Abwanderung wahrgenommen werden und eine Notwendigkeit gesehen wird, die bestehenden Schutzlücken zu schließen. Bisher fehlte auf internationaler Ebene der politische Wille zu reagieren und damit auch eine globale Verantwortung für die vom Klimawandel betroffenen Personen zu übernehmen.
Dieser Artikel ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: Migration und Klimawandel.