Im Jahr 2005 wurden in Deutschland erstmals staatlich geförderte Integrationskurse eingeführt. Damit folgte Deutschland der Entwicklung in anderen ehemaligen Anwerbeländern Europas wie den Interner Link: Niederlanden oder Interner Link: Frankreich. 2001 hatte die sogenannte Süßmuth-Kommission, die zur Vorbereitung eines Entwurfs für ein neues Zuwanderungsgesetz einberufen wurde, die Einführung von Integrationskursen in Deutschland angeregt. Am 1. Januar 2005 trat nach langen politischen und rechtlichen Diskussionen das Zuwanderungsgesetz in Kraft. Das Gesetzespaket beinhaltet auch das "Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet". Dieses räumte erstmals ein, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei und eine Integration von Zuwanderern in die deutsche Gesellschaft ein wichtiger Bestandteil der deutschen Politik sein müsse. Es führte das Instrument der Integrationskurse als zentrale staatliche Maßnahme zur Integrationsförderung ein.
Das Interner Link: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurde mit der Konzeptionierung und Organisation der Kurse betraut. Die Einzelheiten des Integrationskurses werden in der Integrationskursverordnung geregelt und im Kurskonzept erläutert. Die Teilnahme an einem Integrationskurs soll Zugewanderten Sprache, Rechtsordnung, Kultur und Geschichte Deutschlands soweit vermitteln, dass ein selbstständiges Leben in Deutschland in Angelegenheiten des täglichen Lebens möglich ist. Ein 600-stündiger Sprachkurs mit Unterrichtseinheiten (UE) à 45 Minuten hat das Ziel, das Sprachniveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen zu vermitteln. Das Sprachniveau B1 befähigt dazu, Gespräche über vertraute Themen zu führen und zu verstehen, wenn einfache Sprache verwendet wird. Weitere 100 UE Orientierungskurs geben einen Einblick in die deutsche Geschichte, Rechtsordnung und Kultur. Am Ende des Orientierungskurses wird der Abschlusstest "Leben in Deutschland" mit 33 Multiple-Choice Fragen durchgeführt, der auch eine Voraussetzung für eine mögliche Interner Link: Einbürgerung darstellt.
Neben dem allgemeinen Integrationskurs existieren zielgruppenspezifische Kursangebote für Frauen, Eltern und Jugendliche. Zudem werden Alphabetisierungskurse Interner Link: für primäre und funktionale Analphabeten sowie Zweitschriftlernende angeboten. Seit 2007 werden Intensivkurse mit insgesamt 430 UE und Förderkurse für Zuwanderer mit besonderem sprachpädagogischem Förderbedarf mit bis zu 945 UE angeboten.
Seit Einführung der Kurse im Jahr 2005 haben bis Ende des ersten Quartals 2017 insgesamt mehr als 100.000 Kurse begonnen und knapp 80.000 wurden in diesem Zeitraum auch beendet. Rund zwei Drittel der begonnenen Kurse wurden als allgemeiner Integrationskurs angeboten, während Alphabetisierungskurse ein weiteres Drittel ausmachten. Jugend-, Eltern- bzw. Frauenintegrationskurse sowie weitere Kursarten spielen somit im Angebot nur eine untergeordnete Rolle. Ausgelöst durch die hohe Zuwanderung von überwiegend jungen Asylsuchenden mit teilweise relativ niedrigem Bildungsniveau nimmt der Anteil an Alphabetisierungskursen und Jugendintegrationskursen deutlich zu. Mit Abstand die meisten Integrationskursteilnehmenden finden sich in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Baden-Württemberg und Bayern. Die Kurse werden von Volkshochschulen, Sprachschulen, Trägern der freien Wohlfahrtspflege (z.B. AWO, Caritas, Diakonie) sowie kommunalen Einreichungen und Initiativgruppen angeboten.
Wer nimmt an Integrationskursen teil und wie entwickeln sich die Teilnehmerzahlen?
Zur Teilnahme berechtigt sind Neuzuwanderer mit dauerhaftem Aufenthaltstitel, wenn sie nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, nicht in Deutschland zur Schule gehen oder kein "erkennbar geringer Integrationsbedarf" (§44 Abs. 3 AufenthG) besteht. Außerdem können Personen, die vor 2005 nach Deutschland zugewandert sind (Altzuwanderer), Deutsche und EU-Bürger bei verfügbaren Kursplätzen eine Zulassung erhalten. Eine Verpflichtung zur Teilnahme kann für Neuzuwanderer aus Drittstaaten, die nicht über einfache Deutschkenntnisse verfügen, und Altzuwanderer, die Leistungen nach dem SGB II beziehen oder als besonders integrationsbedürftig eingestuft werden, ausgesprochen werden. Interner Link: Spätaussiedler erhalten eine Teilnahmeberechtigung, werden aber nicht zur Teilnahme verpflichtet. Auf den deutlichen Anstieg der Fluchtzuwanderung nach Deutschland hat die Politik im Herbst 2015 mit einer Gesetzesänderung (Asylpaket I) reagiert und den Teilnehmerkreis der Integrationskurse ausgeweitet: Um ihre gesellschaftliche Integration zu fördern, dürfen nun auch Asylsuchende und Geduldete mit "guter Bleibeperspektive", das heißt aus Ländern mit einer Schutzquote von über 50 Prozent, an Integrationskursen teilnehmen. Auch für Asylbewerber mit einer "unklaren Bleibeperspektive“, also aus Ländern ohne hohe Anerkennungsquoten oder nicht-sicheren Herkunftsländern, werden nun Erstorientierungskurse angeboten, die insgesamt 300 UE umfassen.
Seit Einführung der Kurse bis zum Ende des ersten Quartals 2017 waren knapp 2,5 Millionen Zuwanderer zur Teilnahme an einem Integrationskurs berechtigt. Im Jahr 2016 wurde mit mehr als 500.000 vergebenen Teilnahmeberechtigungen der bisherige Höchststand erreicht. Der Anteil an Teilnehmenden, die zum Kurs verpflichtet wurden, ist seit der Einführung der Kurse deutlich angestiegen: Während 2005 bei weniger als einem Viertel der Kursbesucher_innen eine Teilnahmeverpflichtung bestand, erreichte dieser Anteil im Jahr 2016 bereits mehr als die Hälfte der Kursteilnehmenden. Insgesamt besuchten bis Ende des ersten Quartals 2017 mehr als 1,7 Millionen Personen einen Integrationskurs. Im Jahr 2016 haben mit mehr als 300.000 Personen bislang mit Abstand die meisten Zuwanderer an einem Integrationskurs teilgenommen.
Die Mehrheit der Kursteilnehmenden ist männlich – Frauen machen lediglich ein gutes Drittel aus. Sie besuchen unterdurchschnittlich häufig allgemeine Integrationskurse oder Alphabetisierungskurse, da sie meist das Angebot von Eltern- bzw. Frauenintegrationskursen nutzen. Männer besuchten im ersten Quartal 2017 hingegen häufiger Jugendintegrationskurse, was auf die Altersstruktur der männlichen Asylsuchenden zurückgeführt werden kann. Zudem sind Männer überdurchschnittlich häufig in Kursen für Zweitschriftlerner vertreten.
Die Zusammensetzung der Gruppe der Kursteilnehmenden im ersten Quartal 2017 nach Staatsangehörigkeit verweist auf die Hauptherkunftsländer der Asylsuchenden, die in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen sind: Die vier häufigsten Staatsangehörigkeiten von Teilnehmenden im ersten Quartal 2017 waren Syrien, Irak, Iran und Afghanistan. Syrische Staatsangehörige machen 42 Prozent der Teilnehmenden aus, während Personen aus Afghanistan lediglich vier Prozent der Teilnehmenden stellen. Obwohl im Jahr 2016 18 Prozent der Asylerstanträge von afghanischen Staatsangehörigen gestellt wurden, können somit nur wenige an einem Integrationskurs teilnehmen. Dies liegt in der deutlich niedrigeren Schutzquote für Asylsuchende aus Afghanistan begründet. Im Jahr 2016 betrug diese für afghanische Staatsangehörige 56 Prozent, für syrische Staatsangehörige 98 Prozent. Während syrische Staatsangehörige aufgrund der hohen Schutzquote als Asylbewerber mit "guter Bleibeperspektive" bereits während des Asylverfahrens Zugang zu Integrationskursen erhalten, bleiben afghanische Asylbewerber zumeist bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag von der Teilnahme ausgeschlossen.
Abgeschlossen werden kann der Integrationskurs mit dem Deutschtest für Zuwanderer (DTZ). Während in den letzten Jahren die Bestehensquote im Orientierungskurstest immer über 90 Prozent lag, zeigt sich beim Sprachtest ein deutlich heterogeneres Bild: Knapp zwei Drittel der am Abschlusstest Teilnehmenden erreichen das Sprachniveau B1, ein Drittel A2-Niveau, lediglich 7,9 Prozent bleiben unter Niveau A2. Es ergeben sich deutliche Unterschiede nach Statusgruppen: Altzuwanderer/EU-Bürger/Deutsche sowie Spätaussiedler schneiden besonders gut ab, während von der Ausländerbehörde oder den Grundsicherungsträgern zur Teilnahme verpflichtete Zuwanderer deutlich schlechtere Ergebnisse erzielen. Wie zu erwarten hat auch das Alter der Teilnehmenden einen deutlichen Einfluss auf das Kursergebnis: Während etwas mehr als 70 Prozent der unter 25-Jährigen das Sprachniveau B1 erreichen, schaffen dies nur knapp ein Drittel der Personen ab einem Alter von 60 Jahren. Frauen schneiden besser ab als Männer. Weiterführende Analysen zum Spracherwerb in Integrationskursen heben zudem den positiven Einfluss eines höheren Bildungsniveaus und vorherige Erfahrungen mit dem Erlernen einer Fremdsprache auf den Erwerb von Deutschkenntnissen in Integrationskursen hervor. Auch Gelegenheiten, in denen die Kursteilnehmenden ihre neu gewonnenen Fähigkeiten z.B. im Gespräch mit Deutschen anwenden können, steigern den Lernerfolg.
Welches Integrationsverständnis liegt den Kursen zugrunde und tragen sie tatsächlich zu einer besseren Integration in die Aufnahmegesellschaft bei?
Das Ziel der Integrationskurse ist es, Zugewanderten gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und Chancengleichheit zu erreichen. Sprachkenntnisse werden als Grundlage für den weiteren Integrationsprozess verstanden und somit als Basis für die Erlangung von Teilhabechancen in der Gesellschaft, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, gesehen. Der integrationspolitische Grundsatz "Fördern und Fordern" schlägt sich im Integrationsverständnis von Integrationskursen deutlich nieder: Während der Staat durch das Angebot eines Sprachkurses die Integrationsfähigkeit von Zuwanderern fördert, haben diese durch eine aktive Teilnahme ihren Beitrag zur Integration in die Gesellschaft zu leisten. Neben einer Integration auf individueller Ebene ist es Ziel der Integrationspolitik, den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Ein Auseinanderdriften von Zugewanderten und Einheimischen soll durch staatliche Integrationsmaßnahmen verhindert werden. Mit der Einführung von Integrationskursen sollen neben einer grundlegenden sprachlichen Förderung auch soziale Integration und Verbundenheitsgefühle mit dem Aufnahmeland angestoßen werden. Eine gemeinsame Sprache stellt einen wichtigen Bestandteil eines nationalen Zusammengehörigkeitsgefühls in einem Land dar.
Eine groß angelegte Studie zur Analyse der Wirksamkeit und Externer Link: Nachhaltigkeit von Integrationskursen bestätigt, dass sich diese positiv auf die Identifikation mit Deutschland und auf die Entstehung von interethnischen Kontakten auswirken. Integrationskurse tragen durch eine Verbesserung der Sprachkompetenz und der damit einhergehenden Stärkung von interethnischen Kontakten und nationalen Verbundenheitsgefühlen zu einem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Zudem wirken sich eine Identifikation mit Deutschland und häufige Kontakte zu Deutschen zu Kursbeginn positiv auf den Spracherwerb im Kursverlauf aus. Daher sollten diese beiden Komponenten bereits während des Kursbesuchs stärker unterstützt werden, beispielsweise durch kursbegleitende Praktika oder Mentoren, die in Buddy-Programmen Neuzugewanderte unterstützen können. Die Bundesagentur für Arbeit hat bereits mit der Maßnahme zur Kompetenzfeststellung, frühzeitigen Aktivierung und Spracherwerb (KompAS) einen ersten Schritt hin zur Kombination von Integrationskursen und Berufsvorbereitung gemacht. Auch deutsche Tandem-Partner oder ehemalige Kursteilnehmende, die den Spracherwerb unterstützen und ein Zurechtfinden in der neuen Gesellschaft erleichtern können, wären eine hilfreiche Maßnahme. Durch eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Kurskonzepte und die Anpassung dieser an die Bedürfnisse von Migrantinnen und Migranten stellen Integrationskurse eine relevante Basis für die gesamtgesellschaftliche Integration von Zugewanderten dar.
Zum Thema
Literatur
BAMF (2007): Bericht zur Integrationskursgeschäftsstatistik für das Jahr 2007. Abfragestand 18.02.2008. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Nürnberg.
BAMF (2009): Bericht zur Integrationskursgeschäftsstatistik für das Jahr 2008. Abfragestand 10.04.2009. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Nürnberg.
BAMF (2011): Bericht zur Integrationskursgeschäftsstatistik für das Jahr 2010. Abfragestand 01.04.2011. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Nürnberg.
BAMF (2013): Bericht zur Integrationskursgeschäftsstatistik für das Jahr 2012. Abfragestand 01.04.2013. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Nürnberg.
BAMF (2015): Bericht zur Integrationskursgeschäftsstatistik für das Jahr 2014. Abfragestand 01.04.2015. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Nürnberg.
BAMF (2017a): Bericht zur Integrationskursgeschäftsstatistik für das erste Quartal 2017. Abfragestand 04.07.2017. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Nürnberg.
BAMF (2017b): Das Bundesamt in Zahlen 2016. Asyl, Migration und Integration. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Nürnberg.
BAMF (2015): Konzept für einen bundesweiten Integrationskurs. Überarbeitete Neuauflage – April 2015. Nürnberg: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Lochner, Susanne (2015): Integrationskurse als Motor für gesellschaftlichen Zusammenhalt? Interethnische Kontakte und nationale Verbundenheit von MigrantInnen in Deutschland, Opladen: Budrich UniPress.
Lochner, Susanne; Büttner, Tobias; Schuller, Karin (2013): Das Integrationspanel -Langfristige Integrationsverläufe von ehemaligen Teilnehmenden an Integrationskursen. In: Working Paper 52. Nürnberg: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Scheible, Jana A.; Rother, Nina (2017): Schnell und erfolgreich Deutsch lernen – wie geht das? Erkenntnisse zu den Determinanten des Zweitspracherwerbs unter besonderer Berücksichtigung von Geflüchteten. In: Working Paper 72. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Nürnberg.
Schuller, Karin; Lochner, Susanne; Rother, Nina (2011): Das Integrationspanel. Ergebnisse einer Längsschnittstudie zur Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Integrationskursen. Nürnberg: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.