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Relevanz und Potenzial der Diaspora als Akteur der Entwicklungszusammenarbeit

Stephanie Deubler Julian Tangermann

/ 14 Minuten zu lesen

Migrantinnen und Migranten sind wichtige Akteure für die Entwicklung ihrer Herkunfts- und ihrer Aufnahmeländer. Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung schreibt nicht nur die Notwendigkeit fest, Migrantinnen und Migranten angesichts ihrer Vulnerabilität zu stärken, sondern betont insbesondere die positiven Beiträge von Migrantinnen und Migranten für inklusives Wachstum und nachhaltige Entwicklung.

Haus mit Solarpanel in der Sahara. Durch ihr im Zielland erworbenes Know-how können Diasporagemeinschaften in ihren Herkunftsländern Innovationen anstoßen und zur Entwicklung dieser Länder beitragen. (© picture-alliance, robertharding)

Wer oder was ist die Diaspora?

Gruppen von Migrantinnen und Migranten außerhalb ihres Herkunftslandes werden häufig als Diaspora bezeichnet. Allerdings gibt es kein einheitliches, weltweit gültiges Verständnis davon, wer oder was eine "Diaspora" ist oder als solche gesehen wird. Je nach Kontext und Perspektive variiert daher auch die Definition des Diaspora-Begriffs: Die Interner Link: Internationale Organisation für Migration definiert Diaspora beispielsweise als "Auswanderer und ihre Nachkommen, die zeitlich befristet oder permanent außerhalb ihres Geburts- oder Herkunftslandes leben, wohl aber emotionale und materielle Bindungen zu ihren Herkunftsländern aufrechterhalten". Hingegen beschreibt die Afrikanische Union die afrikanische Diaspora als "bestehend aus Personen afrikanischer Herkunft, die außerhalb des Kontinents leben, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft oder Nationalität, und die bereit sind, an der Entwicklung des Kontinents und der Errichtung der Afrikanischen Union mitzuwirken".

In der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) wird der Begriff "Diaspora" in Anlehnung an die UN-Definition für eine nicht-homogene Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund und/oder eigener Migrationserfahrung verstanden, die in Deutschland lebt und emotionale und materielle Verbindungen zum Herkunftsland pflegt. Sie halten diese Verbindungen nicht nur individuell aufrecht, sondern schließen sich dafür auch in Diasporagemeinschaften oder Interner Link: Migrantenorganisationen zusammen. Diese (häufig gemeinnützigen) Vereine verbindet die gemeinsame Herkunft ihrer Mitglieder oder ihre berufliche Zugehörigkeit (z.B. Ingenieure, Ärzte).

Das in der Diaspora vorhandene Entwicklungspotenzial, d.h. die positiven Beiträge der Diaspora zur Entwicklung der Herkunftsländer aber auch der Zielländer (wie z.B. Deutschland), zu nutzen, steht dabei schon seit Längerem im Visier der Politik von Herkunfts- und von Zielländern. Als explizites politisches Ziel wurde dies allerdings erst ab den frühen 2000er Jahren formuliert.

Seitdem haben zahlreiche Staaten Diaspora-Politiken und damit einhergehend Definitionen entwickelt, die jeweils durch den nationalen (historischen und politischen) Kontext gerahmt werden. Zum Teil werden darin die eigenen, im Ausland lebenden Staatsbürgerinnen und Staatsbürger angesprochen, zum Teil aber auch diejenigen, die schon seit mehreren Generationen außerhalb des Herkunftslandes leben und womöglich andere Staatsbürgerschaften angenommen haben. In den letzten zehn Jahren haben über 50 Herkunftsländer weltweit formelle Programme etabliert, um das Engagement ihrer im Ausland lebenden Diaspora für die Herkunftsgesellschaft zu fördern. Aber auch einige wichtige Zielländer von Migrantinnen und Migranten haben, oft in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, entsprechende Programme zur Förderung des Diaspora-Engagements ins Leben gerufen. Beispielsweise fördert die deutsche Entwicklungszusammenarbeit seit 2006 mit verschiedenen Instrumenten das entwicklungspolitische Engagement von Diasporagruppen in ihren Herkunftsländern.

Diese Dynamik wird auch auf internationaler Ebene weiterverfolgt: So bestätigt die New York Deklaration für Flüchtlinge und Migranten der Vereinten Nationen (2016) die wichtigen Entwicklungsbeiträge der Diaspora zu wirtschaftlicher Entwicklung und (Wieder-)Aufbau. Darüber hinaus wird der bis 2018 zu entwickelnde Global Compact on Safe and Orderly Migration, ein umfassendes Regelwerk zu internationaler Migration, die Stärkung der Verbindungen zwischen Herkunftsländern und Diaspora sowie die Beiträge der Diaspora adressieren.

Was und wie trägt die Diaspora in ihren Herkunfts- und Aufnahmeländern zur Entwicklung bei?

In Politik und Öffentlichkeit wird häufig argumentiert, dass Engagement im Herkunftsland der Integration im Zielland widerspricht. Studien belegen allerdings das Gegenteil: Je besser Menschen an der Gesellschaft im Aufnahmeland teilhaben, desto intensiver können sie sich für die Entwicklung in ihren Herkunftsländern engagieren und tun dies auch. Nach dem sogenannten ressourcenabhängigen Modell haben Migrantinnen und Migranten, die in der Aufnahmegesellschaft "einen höheren sozialen Status erlangt haben, mehr Zeit und Muße […], Migrantenorganisationen zu gründen. Ihre informellen Qualifikationen und vielfältigen Kontakte versetzen sie in die Lage, lose Migrantennetzwerke zum Engagement im Herkunftsland zu mobilisieren und die dafür notwendigen Ressourcen zu beschaffen".

Integration in der Aufnahmegesellschaft, beispielsweise in Deutschland, und das Engagement im Herkunftsland können also zwei Seiten ein und derselben Medaille sein.
Die Verbindungen zum Herkunftsland basieren auf persönlichen sozialen Netzwerken und Kontakten. Migrantinnen und Migranten nutzen diese transnationalen Verbindungen "zwischen den Welten" und die damit einhergehenden Vorteile wie interkulturelle und Sprachkenntnisse sowie Netzwerke für wirtschaftliche Aktivitäten. Die Beziehungen sind vielschichtig: familiäre Bindungen und Verpflichtungen können im Vordergrund stehen oder aber die Zusammenarbeit mit Vereinen, Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, dem Privatsektor, mit lokalen Verwaltungen oder mit Ministerien. Die Beziehungen der Diaspora zu ihren Herkunftsländern sind also genauso divers wie die Arten, sich einzubringen – es gibt nicht eine Form des Engagements.

Bestes Beispiel für Beiträge entlang persönlicher Netzwerke sind individuelle Geldtransfers von Migrantinnen und Migranten an ihre Familien und Freunde im Herkunftsland. Diese sogenannten Interner Link: Remittances machen weltweit ein Vielfaches der offiziellen staatlichen Entwicklungshilfe aus und kommen direkt den Empfängern zugute. Schätzungen gehen davon aus, dass Migrantinnen und Migranten im Jahr 2017 rund 450 Milliarden US-Dollar in Entwicklungsländer transferiert haben. Diese Geldtransfers werden häufig in Schulbildung und Gesundheit investiert. So kann die Diaspora einen direkten Beitrag zur Armutsminderung in Entwicklungsländern leisten.

Wirtschaftliche Beiträge leisten Angehörige der Diaspora sowohl in der Aufnahme- als auch der Herkunftsgesellschaft. In den Aufnahmegesellschaften zahlen sie Steuern, ermöglichen mit ihren transnationalen Netzwerken die Erschließung neuer Absatzmärkte und gründen Unternehmen. Aktuelle Untersuchungen zeigen zum Beispiel für Deutschland, dass Migrantinnen und Migranten im langjährigen Mittel rund ein Fünftel zur Gründungstätigkeit beitragen – was über dem Anteil der Migrantinnen und Migranten an der Gesamtbevölkerung liegt. Damit schaffen sie auch Arbeitsplätze.

In Herkunftsgesellschaften tragen Migrantinnen und Migranten neben der Überweisung von Remittances auch durch direkte Investitionen oder Unternehmensgründungen zur wirtschaftlichen Entwicklung bei. Doch die wirtschaftlichen Beiträge gehen über rein finanzielle Aspekte hinaus: Neben investiertem Kapital transferieren Migrantinnen und Migranten aufgrund ihrer Erfahrungen in anderen Kontexten auch Wissen und Technologie. Das von ihnen transferierte Knowhow sowie Produktionstechniken sind vielleicht global gesehen nicht neu, können im spezifischen Kontext des Herkunfts- oder auch Aufnahmelandes aber innovativ sein. So ermöglichten z.B. indische Ingenieure, die in den 1960er Jahren in die USA ausgewandert waren und dort Unternehmen gegründet hatten, durch ihre Rückkehr nach Indien in den 1990er Jahren und den damit verbundenen Transfer von Wissen und Technologie das Aufblühen der IT-Wirtschaft in der Region Bangalore. Dies kam wiederum der US-amerikanischen IT-Wirtschaft zugute, die auf günstige Software-Produktionsstätten und Zulieferer zurückgreifen konnte.

Ein solcher Wissenstransfer kann durch innovative Unternehmensgründungen, aber auch durch Engagement im universitären Bereich, z.B. durch Lehrtätigkeiten oder Gastprofessuren, erfolgen. Dies kann die dauerhafte Rückkehr und Reintegration von Angehörigen der Diaspora in das Herkunftsland bedeuten, muss es aber nicht unbedingt: Das Engagement kann (häufig mithilfe digitaler Lösungen) transnational sein, d.h. über Grenzen und Regionen hinweg und somit quasi "zwischen den Welten" erfolgen. Eine weitere Möglichkeit des Wissenstransfers bietet die temporäre Rückkehr für mehrere Wochen oder Monate zur Umsetzung ausgewählter Projekte.

Inwiefern politisches Engagement – sowohl im Ziel- als auch im Herkunftsland – möglich ist, hängt vom jeweiligen rechtlichen Rahmen des Landes sowie dem rechtlichen Status des Individuums ab. Für Deutschland zeigen Untersuchungen beispielsweise, dass Migrantinnen und Migranten sowie Menschen mit Migrationshintergrund politisch sehr aktiv sind: ob individuell, in politischen Parteien oder eben kollektiv organisiert in Migrantenorganisationen. Voraussetzung für die passive und aktive Beteiligung an Wahlen ist jedoch die deutsche Staatsbürgerschaft (mit Ausnahme von Kommunalwahlen, wo auch EU-Bürgerinnen und -bürger wahlberechtigt sind). Nach wie vor sind daher Millionen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland trotz erleichterter Einbürgerungsbestimmungen von Wahlen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene ausgeschlossen. Dies wird in der Forschung als "Demokratiedefizit" bezeichnet.

Interner Link: Migrantenorganisationen haben in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dies betrifft u.a. ihre Relevanz in Hinblick auf die politische Partizipation von Migrantinnen und Migranten in Deutschland. Auch in Bezug auf Migrantenorganisationen wurde lange angenommen, dass ihre Orientierung in Richtung Herkunftsländer eine Abwendung von Deutschland bedeute und einer politischen Partizipation in Deutschland widerspreche. Die Forschung hat diese Annahme inzwischen widerlegt – Herkunftslandorientierung wird nicht mehr automatisch als "partizipationsfeindlich" angesehen. Das politische Engagement von in Deutschland ansässigen Migrantenorganisationen in den Herkunftsländern ist allerdings noch kaum erforscht. Der Blick bisheriger Untersuchungen bleibt häufig auf den Zusammenhang zwischen Engagement im Herkunftsland und der Frage nach der Integration in Deutschland verengt.

Dabei kann das politische Engagement von Migrantinnen und Migranten in ihren Herkunftsländern aus Sicht der Forschung sowohl negative als auch positive Effekte haben. So kann die Mobilisierung entlang ethnischer Grenzen z.B. zur Unterstützung konservativ-nationalistischer Fraktionen führen, "die etwa für die Perpetuierung von ethnischen Konflikten oder die Verfestigung gesellschaftlicher Disparitäten verantwortlich sind". Gleichzeitig können Angehörige der Diaspora, die positive Erfahrungen mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemacht haben oder als Menschen mit Migrationsgeschichte der zweiten oder dritten Generation in einem demokratischen Rechtsstaat sozialisiert worden sind, Demokratisierungsprozesse in ihren Herkunftsländern unterstützen.

Die Förderung des entwicklungspolitischen Engagements der Diaspora – wer fördert was und warum?

Zielländer haben ein Interesse daran, das Engagement der Diaspora in ihren Herkunftsländern zu fördern. In Deutschland besteht diese Förderung schon seit mehreren Jahrzehnten und wurde in den letzten Jahren stark ausgebaut und diversifiziert. Neben der sogenannten Strukturförderung von Vereinen der Diaspora, die die Arbeit von Migrantenorganisationen dauerhaft sicherstellen soll, ist in den letzten Jahren die Förderung von entwicklungspolitischen Kleinprojekten (von Vereinen oder Individuen) in den Mittelpunkt gerückt. Verschiedene Akteure spielen hierbei eine Rolle.

Das Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) ist eine Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (BA). Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) setzt CIM das Programm "Migration für Entwicklung" (PME) um und fördert in diesem Rahmen schon seit den 1990er Jahren die Rückkehr von in Deutschland ansässigen Fachkräften mit Migrationsgeschichte in ihre Herkunftsländer. Seitdem sind immer wieder neue Förderprogramme und -ansätze hinzugekommen (s.u.). Bereits seit 2006 werden in Deutschland ansässige Migrantenorganisationen in ihrem entwicklungspolitischen Engagement in den Herkunftsländern unterstützt. Als Diaspora- oder Migrantenorganisation wird dabei jede Organisation verstanden, die eine in Deutschland eingetragene, gemeinnützige Organisation (meist Verein) ist, die mehrheitlich von Migrantinnen und Migranten oder Menschen mit Migrationshintergrund geführt wird (d.h. mind. 50 Prozent der Vorstandsmitglieder) und/oder zu mindestens 50 Prozent aus Mitgliedern mit Migrationshintergrund besteht. Voraussetzung für eine Förderung ist, dass sich diese Vereine gemeinnützig in Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit engagieren und in enger Kooperation mit Partnerorganisationen Externer Link: Projekte vor Ort umsetzen. Beispielsweise engagiert sich der Verein "Externer Link: Deutsch-Kolumbianischer Freundeskreis e.V." im Rahmen des Projektes "Sport gegen Gewalt" für Kinder und Konfliktbearbeitung in Kolumbien. Das Projekt wird in Kooperation mit der sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Karlsruhe sowie der kolumbianischen Partnerorganisation "Sidoc" in Siloé, einem Armenviertel der Millionenstadt Cali, durchgeführt.

Im Rahmen seiner Integrationsarbeit bietet auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Förderangebote für Migrantenorganisationen an. So wird u.a. durch Strukturförderung die Professionalisierung von bundesweit tätigen Migrantenorganisationen unterstützt.

Auch auf Ebene der Bundesländer und Kommunen bestehen Möglichkeiten der Projektförderung, allerdings sind diese meist an Migrantenorganisationen allgemein gerichtet und zielen nicht spezifisch auf entwicklungsrelevante Projekte. Die gewinnbringende Zusammenarbeit von Kommunen und Migrantenorganisationen in entwicklungsrelevanten Projekten wird beispielsweise durch Engagement Externer Link: Global gGmbH unterstützt. Sie arbeitet im Auftrag des BMZ und betreibt eine Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW). Engagement Global bietet vor allem Fortbildungen an, durch die Migrantenorganisationen ihre Kapazitäten erweitern können, sowie Vernetzungsveranstaltungen auf Bundes- und regionaler Ebene.

Neben diesen (halb-)staatlichen Akteuren haben sich etliche private Institutionen die Förderung des entwicklungspolitischen Engagements von Diasporaorganisationen auf die Fahnen geschrieben. So beschäftigen sich einige Stiftungen mit der wissenschaftlichen Weiterentwicklung des Themas, während andere konkrete Projekte von Diasporaorganisationen fördern.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit und Förderung des Engagements konkret?

Um das entwicklungspolitische Engagement der Diaspora zu fördern, sollten sowohl Herkunftsländer als auch entwicklungspolitische Akteure die jeweilige Diaspora kennen. Konkret heißt dies, neben den wichtigsten Akteuren, Vereinen und Netzwerken auch die konkreten Unterstützungsbedarfe und Ziele des Engagements kennenzulernen. Hierfür sollten Herkunftsländer mit ihrer Diaspora in einen Dialog treten. Zunächst werden vonseiten der Herkunfts- oder Zielländer (z.B. unterstützt durch die Entwicklungszusammenarbeit) über sogenannte "Mappings" die wichtigsten Diaspora-Akteure identifiziert. Solche "Mappings" sind Übersichten von Vereinen (Entstehungsjahr, Zielsetzung, entwicklungspolitisches und anderes Engagement, Struktur der Vereine und zwischen den Vereinen etc.) und werden in der Regel von Expertinnen und Experten erstellt, die sich lange mit der jeweiligen Diasporagruppe beschäftigt haben. Im nächsten Schritt wird ein Austausch etabliert, um zu verstehen, wo die Potenziale des Diasporaengagements liegen und was die Interessen und Bedürfnisse der Diaspora sind. Im Mittelpunkt muss hierbei der Aufbau gegenseitigen Vertrauens stehen. Gleiches gilt für Akteure der Entwicklungszusammenarbeit, die in der Diaspora einen Partner finden, der die gleichen Entwicklungsziele in Partnerländern verfolgt: Auch hier muss zunächst ein gegenseitiges Verständnis der Ziele und Interessen sowie Vertrauen geschaffen werden.

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit fördert das Engagement von in Deutschland ansässigen Diasporagruppen auf vielfältige Weise. Beispielhaft seien die Aktivitäten des Programms Migration für Entwicklung aufgeführt:

  • Durch die Unterstützung von temporärer und dauerhafter Rückkehr Hochqualifizierter in ihre Herkunftsländer wird individuelles Engagement mit dem Ziel des Wissenstransfers unterstützt. Diese sogenannten Rückkehrenden Fachkräfte und Diaspora-Fachkräfte erhalten finanzielle Unterstützungen sowie Vorbereitung auf ihren Aufenthalt und tragen über ihren Einsatz in lokalen Institutionen (Ministerien, Hochschulen, Zivilgesellschaft) dazu bei, dass ihre Herkunftsländer von ihrem im Ausland gewonnenen Wissen, ihren Fähigkeiten und internationalen Netzwerken profitieren können.

  • Ebenso werden Unternehmensgründungen in Herkunftsländern gefördert, um das innovative Potenzial des Privatsektors durch die Diaspora zu unterstützen. Durch Vorbereitungskurse in Deutschland und Beratung im Herkunftsland werden Mitglieder der Diaspora in die Lage versetzt, Neugründungen durchzuführen oder ihre in Deutschland ansässigen Unternehmen auch im Herkunftsland zu etablieren.

  • Migrantenorganisationen werden durch finanzielle Förderung und Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau dabei unterstützt, entwicklungsrelevante Kleinstprojekte in ihren Herkunftsländern und -gemeinden mit Fokus auf Wissenstransfer und der Stärkung der Partnerorganisationen vor Ort umzusetzen. Ein solches Projekt kann z.B. die Ausstattung eines Krankenhauses verbunden mit der Schulung von Pflegerinnen und Pflegern beinhalten oder die Vernetzung von Universitäten z.B. durch die Durchführung von Vorlesungen und eLearning-Modulen. Diese Projekte haben die gleichen Ziele wie die staatliche Entwicklungszusammenarbeit. Durch den Einsatz der Diaspora und ihrer Netzwerke und der Tatsache, dass die Diasporaorganisationen zur Umsetzung der Projekte in den Herkunftsländern mit lokalen Partnerorganisationen zusammenarbeiten müssen, ergeben sich Synergieeffekte.

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit fördert auch das Engagement von Angehörigen der Diaspora im internationalen Austausch über Migration und Entwicklung, wie beispielsweise den High-level Dialogue on International Migration and Development der Vereinten Nationen (zuletzt 2013 ) oder den aktuell bis 2018 stattfindenden Prozess zur Entwicklung des Globalen Migrationspakts.

Dabei sollte immer beachtet werden, dass die Diaspora nicht automatisch ein apolitischer oder neutraler Akteur ist. Innerhalb der Diaspora bestehen sehr unterschiedliche, z.T. divergierende Interessen und Kooperationsbeziehungen mit staatlichen und politischen Akteuren in Herkunfts- und Zielländern. Für Entwicklungs- und humanitäre Akteure kann die Politisierung der Diaspora insbesondere in fragilen und Konflikt-Kontexten eine große Herausforderung für die Zusammenarbeit darstellen. Mangelnde Neutralität und Unabhängigkeit widersprechen humanitären Grundprinzipien, die die Grundlage für Friedensbildung und humanitäre Aktivitäten sind. Entwicklungspolitische Akteure sollten sich dieser möglichen Ambiguität von Diaspora-Akteuren und deren Interessen, aber gleichzeitig auch dem enormen Potenzial der Diaspora für Friedensbemühungen im Herkunftsland bewusst sein. Dementsprechend besteht die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit in fragilen und Konflikt-Kontexten genau zu definieren und so zu planen, dass bestehende Konflikte nicht verstärkt und auch keine neuen Konflikte ausgelöst werden.

Fazit

Migrantinnen und Migranten engagieren sich in ihren Ziel- aber auch Herkunftsländern auf verschiedenen Ebenen, auf unterschiedliche Art und Weise und mit unterschiedlichen Zielen. Das Engagement findet dabei mit oder ohne staatliche Unterstützung statt. Die Zusammenarbeit mit der Diaspora – seien es Individuen oder Migrantenorganisationen – stellt dabei eine Chance für Aufnahmestaaten dar, das Potenzial "ihrer" Diasporagruppen zu nutzen und gemeinsam Entwicklung in den Herkunftsländern zu unterstützen.

Weitere Inhalte

ist Beraterin bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in den vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) beauftragten Sektorvorhaben "Flucht" sowie "Migration und Entwicklung".

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der deutschen nationalen Kontaktstelle des Europäischen Migrationsnetzwerks (EMN) beim Forschungszentrum Migration, Integration und Asyl des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Er beschäftigt sich mit den Themen Migration und Entwicklung, Klimamigration und Migrationsgeschichte. Die Darstellung in diesem Beitrag gibt ausschließlich seine persönliche Sichtweise wieder.