Aus einem Provisorium unter vielen entwickelte sich Friedland zu dem langlebigsten Lager in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Es war zum einen eine komplexe Verwaltungseinrichtung, in der seit dem Herbst 1945 mehr als vier Millionen Menschen registriert wurden, die das Lager aus ganz unterschiedlichen Gründen durchliefen.
1. Das Lager als Provisorium
Die Bewältigung unmittelbarer Folgen des von Deutschland entfachten
Friedland, das die britische Militärverwaltung im September 1945 in der Nähe von Göttingen einrichtete, war dabei eines von unzähligen Lagern, das den alliierten Besatzungsverwaltungen dazu diente, die Kontrolle über die sich etablierenden innerdeutschen Grenzen zu gewinnen. Ganz in der Nähe trafen die britische, die sowjetische und die US-amerikanische Besatzungszone aufeinander. In diesen frühen Lagern wurden jene, die im besetzten Deutschland in alle Richtungen unterwegs waren, registriert, notdürftig versorgt und dann an ihre Bestimmungsorte weitergeleitet. Chaos und kurzfristiges Handeln zur Lösung akuter Herausforderungen prägten diese frühen Lager. Ein professionelles Verwaltungshandeln etablierte sich erst allmählich. Allein in Friedland wurden innerhalb des ersten Jahres mehr als eine Million Menschen betreut. Es dominierten Evakuierte, Flüchtlinge und Vertriebene. Allerdings lassen sich die Gruppen kaum klar voneinander abgrenzen. Während die überwiegende Zahl der Aufgenommenen auf dem Weg von Ost nach West war, bewegte sich eine anfangs beträchtliche, aber bis 1947/48 stark sinkende Zahl von Menschen in umgekehrter Richtung – also von der britischen in die sowjetische Besatzungszone.
Während die meisten der an den Zonengrenzen gelegenen Durchgangslager bald wieder geschlossen wurden, bestand Friedland neben einigen anderen fort. Mit der Ankunft der ersten geschlossenen Transporte entlassener Kriegsgefangener vor allem aus östlicher Internierung übernahm das Lager ab August 1946 nicht nur eine neue Aufgabe. Friedland entwickelte sich zu einem wichtigen Übergangspunkt zwischen Ost und West. Zudem hob es sich durch ein positives öffentliches Bild von vergleichbaren Einrichtungen ab und war in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft über das lokale und regionale Umfeld hinaus bekannt. Lagerleitung und Vertretung der Wohlfahrtsverbände verstanden das Lager schon früh als einen besonderen und eigenständigen Ort, dem, so die Selbstwahrnehmung, eine wichtige Aufgabe im Nachkriegsdeutschland zukam. Die Lagerleitung achtete penibel auf den Ruf der Einrichtung, während Friedland für die Lagerpfarrer ein beinahe weihevoller Ort war, den sie in ihren ausgedehnten und eigenständigen Spendenwerbungen entsprechend darstellten. Die Medien beförderten dieses Bild, was auch darauf zurückzuführen war, dass sich in Friedland immer wieder Berichtenswertes zutrug und sich zugleich emotionale Geschichten erzählen ließen.
2. Friedland als emotionaler Ort in der frühen Bundesrepublik
Die zweite Phase des Lagers war untrennbar mit der Aufnahme der letzten Kriegsgefangenen aus sowjetischer Internierung verbunden. Das Schicksal vermisster deutscher Soldaten und die Frage der Entlassung der letzten Kriegsgefangenen gehörten zu den zentralen gesellschaftlichen Themen der Nachkriegszeit, die in vielfältiger Weise politisch instrumentalisiert wurden. Friedland, das im August 1946 die ersten Transporte registriert hatte, war seit Ende der 1940er Jahre das zentrale Entlassungslager für diese sogenannten "Heimkehrer". Die letzten großen Transporte mit Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion erfolgten zwischen September 1953 und Februar 1954 sowie zwischen Oktober 1955 und Januar 1956. Beide Entlassungswellen, insbesondere die so bezeichnete "Heimkehr der Zehntausend" ab Herbst 1955, waren mediale und politische Großereignisse, die den Bekanntheitsgrad des Lagers noch einmal erhöhten. Die Entlassenen wurden weitgehend als Opfer verklärt, die sowjetisches Unrecht heldenhaft überstanden hätten. Nach den Taten einzelner Entlassener wurde zunächst kaum gefragt. Dabei gehörten zu ihnen NS-Parteigrößen, Wehrmachtsgeneräle, KZ-Ärzte und –Wachmannschaften sowie Einsatzgruppenleiter, die für die Ermordung der jüdischen Bevölkerung im östlichen Europa unmittelbar verantwortlich waren. Allerdings wurden diese Kriegsverbrechen von den Inszenierungen im Umfeld des Lagers weitgehend überdeckt.
Friedland war, zumindest für einen kurzen Zeitraum, in aller Munde. Die Akteure vor Ort – Lagerleitung und Lagerpfarrer – waren gefragte Ansprechpartner für Politik, Verwaltungen und Medien. Die Bilder von der sogenannten "Heimkehr der Zehntausend" ab Oktober 1955 gingen in das kulturelle Gedächtnis der Bundesrepublik ein.
3. Die Aufnahme der Aussiedler. Friedland als Verwaltungsbehörde
Die dritte Phase des Lagers setzte etwa Ende der 1950er Jahre ein. Friedland war nun fast ausschließlich für die Aufnahme von Aussiedlern aus dem östlichen Europa zuständig. Diese Gruppe wurde seit dem März 1950 durch das Lager geschleust. Die Aussiedler wurden von der Bundesrepublik als "deutsche Volkszugehörige" aufgenommen, die noch nach dem offiziellen Ende der Vertreibungsmaßnahmen als Minderheiten in
Die Friedländer Lagerverwaltung war für die Registrierung, Versorgung, gesundheitliche Überprüfung, Beratung und Weiterleitung der
Im Gegensatz zu den Kriegsheimkehrern standen die Aussiedler, obwohl zahlenmäßig die viel größere Gruppe, weit seltener im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Da die Bundesregierung aus außen- wie innenpolitischen Gründen seit Anfang der 1950er Jahre nicht klar kommunizierte, aus welchen Gründen und auf welcher Grundlage diese Gruppe aufgenommen wurde, und sich auch keine Interessengruppe in dieser Frage lautstark positionierte, blieb das öffentliche Bild diffus. Darüber hinaus verloren mit dem Wandel der bundesdeutschen Erinnerungskultur seit Ende der 1950er Jahre die Bezüge auf so verstandene deutsche Opfer des Krieges und seiner Folgen allmählich an gesellschaftlicher Bedeutung. Friedland, das noch kurz zuvor als ein emotionaler Ort verstanden worden und in aller Munde gewesen war, bot nun nicht länger einen Anknüpfungspunkt für die dominierende politische und öffentliche Debatte jener Jahre. Das Lager geriet mehr und mehr aus dem öffentlichen Bewusstsein. Die Friedländer Wohlfahrtsverbände kompensierten diesen Bedeutungsverlust, indem sie betonten, dass mit den Aussiedler*innen weiterhin hilfsbedürftige Menschen im Lager betreut würden. An gesellschaftlichen Debatten und politischen Entscheidungsprozessen, in die sie noch in den 1950er Jahren einbezogen waren, hatten Friedländer Akteure nun aber keinen Anteil mehr.
Die Möglichkeiten der Aussiedler, in die Bundesrepublik auszureisen, schwankten in den kommenden Jahrzehnten. Wie durchlässig der
4. Friedland und internationale Konflikte
Neben der Aufnahme der Aussiedler wurde Friedland– zum Teil durch die Bundesregierung, zum Teil durch die niedersächsische Landesregierung – immer dann als Aufnahmeort für internationale Flüchtlinge herangezogen, wenn es nicht anderweitig ausgelastet war. Zu den bekanntesten Gruppen, die im Kontext internationaler Krisen aufgenommen wurden, gehörten Flüchtlinge aus Ungarn nach dem dortigen Aufstand Ende 1956,
Im Jahr 2009 nahm die Bundesregierung Kontingentflüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland