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Das Konzept "sichere Herkunftsstaaten" | Flucht und Asyl: Grundlagen | bpb.de

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Das Konzept "sichere Herkunftsstaaten" Eine sinnvolle Verfahrensregelung

Daniel Thym

/ 3 Minuten zu lesen

Durch die Festlegung von sicheren Herkunftsstaaten sollen Asylverfahren erleichtert werden. Welche Vorteile hat diese Regelung für die Behörden und Gerichte in Deutschland? Und was bedeutet es für Asylbewerber, wenn ihr Land als sicher eingestuft wird? Ein Überblick über Gründe und Konsequenzen des Konzepts.

Tarifa, Andalusien: In Decken gehüllt warten am 3.9.2003 Migranten darauf, zur Polizeistation gebracht zu werden. 50 Männer aus den Maghreb-Staaten und der Sahara, die versucht hatten, mit kleinen Booten das spanische Festland zu erreichen, wurden an diesem Tag festgenommen. (© dpa, Bildarchiv)

Seit 20 Jahren ist das Konzept sicherer Herkunftsstaaten ein fester Bestandteil des Interner Link: Asylrechts und wird vom Grundgesetz ebenso anerkannt wie von der EU-Asylverfahrensrichtlinie. Auch das Interner Link: Exekutivkomitee des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) lehnt das Konzept nicht generell ab, sondern fordert einzig, dass dieses einer fairen Einzelfallprüfung nicht im Wege stehen darf. Die Vorbehalte des UNHCR verweisen auf eine wichtige Einschränkung: Die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat hat nicht etwa zur Folge, dass Personen aus diesen Ländern kein Asylrecht mehr in Anspruch nehmen könnten. Im Gegenteil gilt das Asylrecht weiterhin, nur die Entscheidung über die Asylberechtigung soll vereinfacht werden.

Ganz konkret bedeutet dies, dass das Interner Link: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nach den EU-Vorgaben weiterhin eine individuelle Prüfung vornehmen muss, ob das betroffene Land für den Antragsteller "in seinem speziellen Fall [...] nicht als sicherer Herkunftsstaat zu betrachten ist", er oder sie also doch verfolgt wird. Das Bundesverfassungsgericht spricht insoweit von einer "Arbeitsteilung" zwischen der generellen Einschätzung des Gesetzgebers und der Einzelfallprüfung durch Behörden und Gerichte. Es wird also weiterhin jeder Antrag gesondert geprüft.

Welchen Vorteil besitzt die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat, wenn weiterhin jedes Schicksal gesondert geprüft wird? Ein (kleiner) Vorteil ist die leichtere Begründung der Asylentscheidung, weil die Behörden und Gerichte sich nur noch auf den Einzelfall beziehen und nicht mehr die allgemeine Situation im Land beschreiben müssen. Sehr viel wichtiger ist die Verfahrensbeschleunigung, weil für Personen aus sicheren Herkunftsstaaten kürzere Bearbeitungs- und Klagefristen gelten. Seit dem Jahr 2015 schreibt das Asylgesetz zudem vor, dass Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten dauerhaft in der zentralen ländergeführten Erstaufnahme wohnen (anstatt auf die Kommunen verteilt zu werden) und während des gesamten Asylverfahrens nicht arbeiten dürfen. Dies gilt im Fall einer Ablehnung des Asylantrags auch für die Zeit danach.

Hiermit möchte der Gesetzgeber zweierlei sicherstellen. Erstens reagiert er darauf, dass viele Asylbewerber auch im Fall einer Ablehnung in Deutschland bleiben, anstatt freiwillig auszureisen oder abgeschoben zu werden, wie es das deutsche und europäische Migrationsrecht nach einer Ablehnung eigentlich vorsehen. Dieses Steuerungsdefizit soll durch das beschleunigte Verfahren, die zentrale Unterbringung und das Arbeitsverbot reduziert werden. Es sollen also Anreize abgebaut werden, nicht über den Umweg des Asylrechts nach Deutschland einzuwandern.

Zweitens geht es immer auch um eine symbolische Wirkung. Der Gesetzgeber will der eigenen Bevölkerung zeigen, dass er etwas unternimmt, und vor allem auch ein Signal in die Herkunftsstaaten senden, damit weniger Personen ohne Asylberechtigung sich auf den Weg nach Deutschland machen. Tatsächlich zeigen ethnologische Studien, dass Wanderungsentscheidungen häufig durch eine unklare Informationslage geprägt sind, sodass öffentlichkeitswirksame Maßnahmen etwas bewirken können. Dies bestätigt die Erfahrung mit den Westbalkanstaaten, die 2014/15 als sicher eingestuft wurden. Nachdem sich die Anzahl der Asylanträge aus diesen Ländern zwischen 2013 und 2015 von rund 20.000 auf 117.000 mehr als verfünffacht hatte, erleben wir seither einen drastischen Externer Link: Rückgang.

Es gibt also gute und nachvollziehbare Gründe für das Konzept sicherer Herkunftsstaaten. Gewiss kann man dies kritisieren, aber es ist irreführend, wenn Kritiker sich auf das Grundgesetz beziehen. Dieses sieht ja ausdrücklich vor, dass es sichere Herkunftsstaaten gibt. Weniger klar ist jedoch, wie man die Situation in bestimmten Ländern einschätzt, ob man also die Interner Link: Maghreb-Staaten für sicher hält. Hier kann auch Kritik üben, wer das Konzept sicherer Herkunftsstaaten an sich akzeptiert. Bei der Beurteilung einzelner Länder muss man jedoch bedenken, dass einzelne Verfolgungsschicksale für sich genommen eine Kritik nicht tragen können, weil ja weiterhin eine Einzelfallprüfung jedes Asylantrags stattfindet. Eine Einstufung als sicherer Herkunftsstaat scheidet “erst” dann aus, wenn einzelne Gruppen generell nicht mehr sicher sind, es also nicht nur um Einzelschicksale geht. Im Zweifelsfall müssen die Gerichte entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber 1996 insoweit einen “Entscheidungs- und Wertungsspielraum” zugebilligt und konkret auch die Einstufung von Ghana als sicheres Herkunftsland gebilligt.

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Prof. Dr. Daniel Thym ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht sowie Kodirektor des Forschungszentrums Ausländer- & Asylrecht (FZAA) an der Universität Konstanz.