Viele internationale Studierende können sich schon vor ihrem Studium einen Verbleib in Deutschland vorstellen, bei anderen entsteht und wächst der Wunsch erst während des Studiums. Ein Teil von ihnen kann sich einen temporären Verbleib von fünf bis zehn Jahren vorstellen, um erste Arbeitserfahrungen zu sammeln und anschließend in ihre Heimatländer zurückzukehren. Ein geringerer Anteil möchte von Studienbeginn an auf Dauer in Deutschland bleiben. Manche Studierende können sich auch vorstellen, nach dem Studienabschluss in ein Drittland weiter zu wandern.
Bleibeentscheidung als Prozess
Die Unterschiedlichkeit der Pläne, die Diskrepanz zwischen Plänen und faktischem Verbleib oder faktischer Folgemigration sowie vor allem die Veränderung der Pläne und der sozialen und beruflichen Anschlussmöglichkeiten während des Studiums legen es nahe, die Entscheidung über Verbleib oder Anschlussmobilität nicht als einen punktuellen Entscheidungsakt, sondern als einen Entscheidungs-Prozess aufzufassen.
Universitäten und Fachhochschulen als Mobilitäts- und Integrationsmotoren
Universitäten und Fachhochschulen – zusammengefasst: Hochschulen – fördern grundsätzlich internationale Studierendenmobilität, indem sie Studienplätze anbieten und derart internationale Studierende anziehen. Hochschulen bilden ihre Studierenden aus und produzieren in diesem Sinne zukünftige Hochqualifizierte, die sie bereits während ihres Studiums auf unterschiedliche Weise direkt und indirekt gesellschaftlich integrieren (unter anderem soziale Beziehungen, kulturelles Angebot, Integration in den Wohnungsmarkt, erste Kontakte auf dem Arbeitsmarkt). An den Hochschulen erwerben und erarbeiten sich internationale, degree seeking Studierende nach einem erfolgreich durchlaufenen Studium einen deutschen Hochschulabschluss. Anders als Absolventen ausländischer Hochschulen haben sie somit keine Probleme bei der
Wie das Forschungsprojekt "Bildungsmigranten in der Region (BiReg)"
Was sind Career Center und International Offices?
Career Center sollen mit ihren Angeboten den Übergang vom Studium in den Arbeitsmarkt erleichtern. Ihre Angebotspalette reicht von Bewerbungstrainings über Vorträge zum Thema Arbeiten in Deutschland bis hin zu (Firmenkontakt-)Messen. Sie richtet sich sowohl an immatrikulierte Studierende als auch an Absolventinnen und Absolventen. Ergebnissen des Forschungsprojekts "Bildungsmigranten in der Region (BiReg)" zufolge nehmen Career Center-Mitarbeiter internationale Studierende im Alltag zwar als mögliche künftige hochqualifizierte Fachkräfte wahr. Allerdings wird es nicht als notwendig empfunden, für diese Gruppe besondere Angebote vorzuhalten. Begründet wird dies unter anderem damit, dass die Studierenden später im Berufsleben auf dem deutschen Arbeitsmarkt aus aufenthaltsrechtlicher Perspektive auch nicht vorrangig oder besonders behandelt würden. Zudem seien zielgruppenspezifische Zusatzangebote für internationale Studierende in der Vergangenheit nicht hinreichend nachgefragt und angenommen worden, um sie weiterhin anzubieten.
International Offices betreuen zum einen Studierende der eigenen Hochschule beim Studium oder Praktikum im Ausland (outgoing). Zum anderen betreuen sie internationale Studierende, die aus dem Ausland an die eigene Hochschule gekommen sind (incoming). Dabei sind sie sowohl für Austausch-Studierende (ein bis zwei Semester) als auch für grundständig Studierende zuständig. Im Rahmen des Forschungsprojekts befragte Mitarbeitende der International Offices forderten zwar nur vereinzelt Zusatzangebote wie spezielle Lern- oder Bewerbungstrainings für internationale Studierende, wiesen aber regelmäßig darauf hin, dass die bestehenden Angebote intensiviert und häufiger durchgeführt werden sollten, um auf die individuellen Bedürfnisse der Studierenden gezielter eingehen zu können. Außerdem sollte, so ein weiteres Studienergebnis, die Vernetzung zwischen International Offices, Career Centern und weiteren regionalen Akteuren gestärkt werden, um aus den daraus entstehenden Kontakten eine bessere Basis für den erfolgreichen Arbeitsmarktübergang internationaler Studierender zu schaffen.
Sie können internationale Studierende beim Knüpfen von sozialen und beruflichen Kontakten und beim Aufbau einer Identifikation mit dem Studienort und seiner Region unterstützen. Je nach Ausstattung, Internationalisierungsstrategie und Anerkennung des Fachkräftepotenzials ihrer internationalen Studierenden können sie Verschiedenes anbieten und fördern: Im Rahmen von Einführungs- und Orientierungsveranstaltungen können erste Kontakte geknüpft werden, sogenannte Buddy- oder Tandem-Programme erleichtern den Einstieg in Sprache und Alltag, Exkursionen in Städte, Freizeitangebote wie Kochabende oder Sportangebote und die Begleitung bei Behördengängen tragen zur sozialen Integration bei.
Internationalisierungsstrategien der Hochschulen
Um die Attraktivität deutscher Hochschulen für internationale Studierende zu erhöhen und den Forschungsstandort Deutschland im "Wettbewerb um die klügsten Köpfe" zu stärken, unterstützt die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Bildungs- und Forschungsinstitutionen in Deutschland darin, eine umfassende Internationalisierungsstrategie zu entwickeln. Zu diesem Zweck hat die HRK im November 2008 unter dem Titel "Die deutschen Hochschulen in der Welt und für die Welt" Strategien verabschiedet, die eine gezielte Anwerbung internationaler Studierender und (Nachwuchs-)Wissenschaftler und eine professionell(er)e Betreuung dieser mobilen Talente durch die Hochschulen vor Ort vorsehen. Darüber hinaus sollen die Mobilität und die interkulturelle Kompetenz von Studierenden und von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verbessert werden, beispielsweise durch den Aufbau internationaler Studienangebote und den Ausbau der Fremdsprachenkompetenzen des Englischen auf allen Ebenen und Arbeitsbereichen als Verkehrssprache (Lingua franca).
Einige Universitäten bieten sogenannte Lotsen-Programme an, in denen sich Ehrenamtliche für die Integration internationaler Studierender engagieren und beispielsweise Übersetzungen oder Unterstützung bei Haus- oder Abschlussarbeiten initiieren. Hilfestellungen für den Berufseinstieg (z.B. Praktikumsvermittlungen oder Bewerbungstrainings) erhalten internationale Studierende theoretisch durch die Career Center. Sie sind jedoch bei weitem nicht an allen Hochschulen zu finden, oftmals personell und finanziell zu schwach ausgestattet und überdies häufig nicht eigens auf die Gruppe der ausländischen Studierenden und ihre spezifischen Bedürfnisse ausgerichtet. Sehr hilfreich, auch wenn nur selten zielgruppenspezifisch angeboten, sind Mentoringprogramme, durch die Studierende, begleitet durch Mentoren, Einblicke in regional vertretene Firmen oder Unternehmen erhalten. Insgesamt bleibt allerdings für individuelle, passgenaue und frühzeitige Beratungen durch die hochschuleigenen Career Center häufig keine Zeit. Generell ist festzustellen, dass sich vor allem Universitäten bis heute nicht für die Phase zwischen Studienabschluss und Berufseinstieg zuständig fühlen. Nur selten und selten systematisch bieten sie ihren (internationalen) Studierenden z.B. vor oder unmittelbar nach Studienabschluss eine Arbeitsmarktberatung an.
Auf der anderen Seite können auch Arbeitsmarktakteure wie die Bundesagentur für Arbeit, die Industrie- und Handelskammern, die Arbeitgeberverbände, die Wirtschaftsförderung und einzelne Unternehmen durch Informationsveranstaltungen, Beratungen, Praktika oder das Ausloben und Mitbetreuen von Abschlussarbeiten die Bleibeentscheidung beeinflussen. Auch die Lokalpolitik sowie Teile der kommunalen Verwaltungen, z.B. die Ausländerbehörden oder die kommunalen Integrationsbeauftragten, stellen bedeutsame Akteure dar, die einen Einfluss auf den Verbleib internationaler Studierender in Deutschland ausüben können, indem sie Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse erteilen bzw. durch spezifische Programme oder die Initiierung von Runden Tischen positiv auf lokale Integrationsstrukturen einwirken (siehe Abb. 2).
Übergangsmanagement in und durch Hochschulregionen
Was in Deutschland jedoch weitgehend fehlt, ist eine systematische und professionelle Zusammenführung all dieser Akteure – ein regionales Übergangsmanagement aus einem Guss. Für eine effektive und zielgruppenspezifische Förderung des Eintritts internationaler Studierender in den regionalen Arbeitsmarkt wäre eine professionelle Koordination der verschiedenen, für den Übergangsprozess wichtigen regionalen Institutionen und Unterstützungsangebote angezeigt. Ein solches Übergangsmanagement, das die Interessen, Blickwinkel und klassischen Verantwortungsbereiche einzelner Akteure überbrückt und nicht nur befristeten Projektcharakter hat, ist erst in einzelnen lokalen Ansätzen zu erkennen. Beispiele zeigen, dass es hilfreich ist, in der Perspektive von Hochschulregionen zu denken und zu handeln.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Trotz des weltweit wie auch in Deutschland zu verzeichnenden Anstiegs der Anzahl internationaler Studierender, eines deutlich wachsenden Interesses an dieser Gruppe sowie sich verändernder Migrationspolitiken bleibt die Bildungsmigration von internationalen Studierenden ein untererforschtes Thema. Internationale wie nationale Vergleichsuntersuchungen können helfen, Vorbilder und Ansätze zu identifizieren, deren Übertragbarkeit auf einzelne Hochschulregionen sodann zu prüfen wäre. So entstehen beispielsweise in Kanada und den Niederlanden gewisse Vorteile für den Übergangsprozess in den Arbeitsmarkt daraus, dass die Unterstützungsangebote der dortigen Hochschulen viel früher als in Deutschland ansetzen und außerdem während des gesamten Studiums verfügbar sind. Zu den offenen Fragen und erst ansatzweise verstandenen Zusammenhängen gehören die Bleibeentscheidungsprozesse der Studierenden, die erfolgreichen und zeitnahen Übergänge in den Arbeitsmarkt, die Handlungsmacht der Hochschulen im Anwerbe- und Übergangskontext sowie die Bedeutung von Gender und familiären Netzwerken für die Transformation der studentischen Bildungs- in hochqualifizierte Arbeitsmigration.
Dieser Text ist Teil des Kurzdossiers