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Die Folgen des Residenztourismus in Spanien | Lifestyle Migration | bpb.de

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Die Folgen des Residenztourismus in Spanien

Karen O’Reilly

/ 4 Minuten zu lesen

Der Begriff Lifestyle Migration wird verwendet, um die Migration von vergleichsweise wohlhabenden Personen zu beschreiben, die auf der Suche nach dem "guten Leben" sind. Sie ziehen an Orte, von denen sie sich eine höhere Lebensqualität oder die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung versprechen. Zum Massenphänomen wurde die lebensstilorientierte Migration in den 1990er Jahren, als zahlreiche Briten und andere Europäer an Spaniens Küsten zogen.

Touristen am Strand bei Marbella, Spanien. (© picture alliance/Photoshot)

Die Auswirkungen von Lifestyle Migration sind bisher nur unzureichend untersucht, wenngleich es einige erste Hinweise gibt, beispielsweise in Spanien. Zwar lässt sich der Umfang lebensstilorientierter Migration nur schätzen, da sich viele Lifestyle-Migranten nicht bei den Behörden anmelden oder nicht dauerhaft vor Ort sind. Man kann jedoch davon ausgehen, dass selbst nach der Wirtschaftskrise von 2008 mehr als zwei Millionen Nordeuropäer in Spanien leben. Das Land war zunächst bei der Entwicklung des Massentourismus sehr erfolgreich und wurde dann Vorreiter des Residenztourismus, indem es den weitgehend ungehinderten Bau von Immobilien förderte – zunächst entlang der Küsten, später zunehmend im Hinterland. Ursprünglicher Zweck des Residenztourismus war es, die Besitzer dieser Zweitimmobilien als mögliche Investoren anzulocken. Dass sich diese jedoch als Lifestyle-Migranten auf Dauer niederließen, war dabei nicht beabsichtigt. Die lokalen Auswirkungen des Wohntourismus, Veränderung der Bevölkerungsstruktur sowie steigende Lebenshaltungs- und Immobilienkosten, ähneln anderen touristischen Entwicklungen. In vielen Gebieten entstanden ganz neue Städte, womit ein tiefgreifender sozialer und ökonomischer Wandel einherging. Manche Landstriche, etwa die Region von Murcia, wo der Bau von Golfplätzen die kleinen ländlichen Orte geradezu überflutete, wurden davon umfassend betroffen. Die örtliche Wirtschaft basiert dort heute überwiegend auf Lifestyle Migration (bzw. Residenztourismus), Tourismus, sowie der Bau- und Immobilienwirtschaft und kaum noch auf Landwirtschaft oder Handwerk. Seit der Finanzkrise 2008 sind diese Gebiete jedoch verwaist: Der wirtschaftliche Kollaps hatte massive Jobverluste zur Folge während die Grundstücke des Residenztourismus zeitweise oder ganzjährig verwaist sind. Einige wohlhabendere Lifestyle-Migranten konnten es sich leisten, zu bleiben; andere ärmere Migranten konnten es sich nicht mehr leisten, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren; viele Residenztouristen verließen Spanien jedoch und ließen ihre leeren Grundstücke zurück.

Spanische Wissenschaftler haben lange erfolglos versucht, ihre Regierung davon zu überzeugen, die unregulierten Investitionen in Residenztourismus-Projekte einzudämmen (wenngleich die Finanzkrise diese kritischen Stimmen obsolet gemacht haben könnte). Zu den stärksten Kritikern gehören Tomas Mazon und Antonio Aledo Tur (2005), die den Wohntourismus für massive Verstädterung, vernachlässigte Landwirtschaft und eine Monopolisierung der Wirtschaftsstruktur durch eine Immobilienwirtschaft verantwortlich machen, die durch schnell und qualitativ minderwertig gebaute Unterkünfte den schnellen Profit sucht. Sie verweisen auf betonierte, von mangelhafter Infrastruktur geprägte Küsten, eine Entwicklung, die sich mehr und mehr ins Hinterland fortsetzt und dabei Land, Natur und traditionelle Lebensweisen zerstört. Steigende Lebenshaltungskosten und massiv überteuerte Bodenpreise pressten zunächst die Kommunen aus. Der plötzliche wirtschaftliche Abschwung bescherte schließlich auch denen hohe Verluste, die neu in die Gegend gezogen waren. Mantecón und Huete (2008) haben zudem darauf verwiesen, dass die Folgen dieser unkontrollierten Entwicklung, insbesondere die zu große Bevölkerungsdichte, den von den lebensstilorientierten Migranten angestrebten Zielen wie Ruhe und "Ursprünglichkeit" entgegenstehen und jene daher eher abschrecken.

Folgen andernorts

Auch andernorts sind nicht intendierte Auswirkungen der Lifestyle Migration bemerkbar. Im indischen Goa bauten viele Einheimische Unterkünfte, um sie an westliche Besucher, die als Teil der Trance-Musik-Szene kamen (selbst eine Form von Lifestyle Migration), zu vermieten. Die Regierung von Goa beschloss dann jedoch, die Party-Szene einzuschränken und stattdessen wohlhabendere Residenztouristen anzusprechen. Das Vorhaben misslang, weshalb viele Einheimische auf ihren leerstehenden Wohnungen und Restaurants sitzen blieben, während die Drogenszene, die eigentlich verdrängt werden sollte, weiter deutlich präsent ist. Währenddessen verdienen große Reiseunternehmen vor Ort ihr Geld mit Pauschaltourismus-Angeboten. In Bocas del Toro in Panama wiederum hatte Lifestyle Migration einen hohen Anstieg der Lebenshaltungskosten, Immobilienpreise und Verlust der lokalen Industrie zur Folge, die von prekären Beschäftigungsverhältnissen in der Tourismusbranche ersetzt wurde. Die Auswirkungen des "Snowbird"-Phänomens und der damit zusammenhängenden Lifestyle Migration in Florida, etwa Bevölkerungswachstum, steigende Grundstückspreise, Nachfrage nach öffentlichen Dienstleistungen und kultureller und sozialer Wandel, sind ebenfalls weitreichend.

Lifestyle-Migranten als reflektierte Akteure

Lebensstilorientierte Migration hat also viele nicht intendierte Folgen. Gleichwohl zeigen Studien, dass Lifestyle-Migranten häufig selbstkritische und reflektierte Akteure sind, die sich ihrer Position und Privilegien bewusst sind und die eifrig versuchen, zu den Gemeinden, als deren Teil sie sich sehen, etwas beizutragen. Viele Lifestyle-Migranten gestalten ihr Leben auch nach dem Wanderungsprozess aktiv. Angesichts der manchmal widersprüchlichen Erfahrungen engagieren sie sich in ihren Gemeinden, um ihr Leben gemäß ihren Vorstellungen führen zu können und den kulturellen Normen zu folgen, die sie sich zuvor erwartet haben. Aktuelle Studien in Thailand und Malaysia zeigen, dass manche Lifestyle-Migranten in den Gemeinschaften vor Ort aktiv sind, beispielsweise als Mitglieder von Vereinigungen, durch ehrenamtliches Engagement, durch lokale Freundschaften und den Aufbau langfristiger Beziehungen (inklusive Heirat). Ein strenger Gemeinschaftssinn prägt das Verhalten vieler Lifestyle-Migranten, häufig wollen sie die natürliche Umwelt schützen und viele beteiligen sich an lokalen Kampagnen. Manchmal haben diese Aktionen tatsächlich positive Auswirkungen auf die Umgebung. So wurden beispielsweise in der Bretagne verlassene ländliche Gebiete durch Lifestyle-Migranten neu besiedelt und wieder aufgebaut, was auch vor Ort das Interesse an solchen Restaurations-Projekten weckte. Gleiches geschah in Portugal. Nach Mantecón und Huete (2008) könnte eine nachhaltigere Entwicklung erreicht werden, wenn die Politik der Natur und kulturellen Umgebung genauso viel Wertschätzung entgegenbrächte, wie die Lifestyle-Migranten.

Dieser Text ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: "Lifestyle Migration".

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Dr. Karen O’Reilly ist Professorin für Soziologie und Leiterin der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Loughborough, Großbritannien. Ihr besonderes Interesse gilt der Sozialanthropologie. Seit fast 20 Jahren befasst sie sich mit dem Phänomen der Lifestyle Migration und hat zahlreiche Bücher und Aufsätze dazu veröffentlicht.
E-Mail: E-Mail Link: K.OReilly@lboro.ac.uk