Es gibt eine Vielzahl von Vorläufern lebensstilorientierter Migration, wie koloniale Migration, die Wanderung von Expatriates, Künstlern, Weltenbummlern und anderen Reisenden aus der Mittelschicht, die sich längerfristig an ihren Zielorten aufhielten. Lifestyle Migration wurde jedoch nachweislich in den 1990er Jahren ein Massenphänomen, als Briten (und später auch Deutsche, Franzosen, Italiener, Schweizer, Schweden und andere Nordeuropäer) in großer Zahl an die Küsten Spaniens zogen. Die britische Migration in die iberischen Küstenregionen stieg seit den 1970er Jahren an und erreichte 2005 mit 750.000 Niedergelassenen und über einer Million Hausbesitzern ihren Höhepunkt. In Großbritannien entwickelte sich in den 1990er Jahren daraus sogar ein Medienphänomen: Der TV-Seifenoper "Eldorado" über das vermeintliche Leben der Aussteiger folgten zahllose weitere Soaps, Dokudramen und Nachrichtenbeiträge über das Leben britischer Bar- und Restaurantbesitzer, Rentner oder gar flüchtiger Krimineller in Spanien. Briten in Spanien gelten seitdem als der Urtyp des Trends zur Lifestyle Migration.
Zwar nimmt lebensstilorientierte Migration häufig einen positiven Verlauf, sie kann aber auch zu sozialer Ausgrenzung, Gesundheitsproblemen und in finanzielle Notlagen führen. Viele Auswanderer, die sich nach einem ruhigen Lebensabend sehnten, sehen sich dann mit den Schwierigkeiten konfrontiert, die mit dem Verlust von Heimat und Familie verknüpft sind. Ungenügende Sprachkenntnisse und fehlende Verwurzelung gehen beim Versuch, sich ein neues Leben aufzubauen, häufig mit Einsamkeit einher, die in zunehmendem Alter noch größer wird. Gleichwohl genießen viele die Freiheit, Wärme und Entspannung ihres neuen Lebens. Daneben sind unter den Lifestyle-Migranten in Spanien auch viele junge Menschen, Alleinstehende und Familien. Sie versuchen sich als selbständige Barbesitzer, im Immobiliengeschäft oder schlagen sich als Friseure oder mit einem eigenen Nagelstudio durch. Ihrem Traum nach einem besseren, selbstbestimmten Leben folgend, nehmen sie für ihre eigene und die Zukunft ihrer Kinder ein hohes Risiko in Kauf.
Weitere Wanderungsströme
Die Migration von Nordeuropäern nach Spanien zieht angesichts ihres Umfangs und ihrer Besonderheit - Europäer übertreffen die Zahl aller anderer Einwanderergruppen in Spanien bei weitem - schon lange das akademische Interesse auf sich. Seit den späten 1990er Jahren wendet sich die Forschung allmählich aber auch ähnlichen Migrationsbewegungen in anderen Teilen der Welt zu: Beispielsweise westliche Migranten im indischen Varanasi, Nordamerikaner in Panama und Mexiko, Japaner in Malaysia oder Franzosen in Marokko. Dabei stellte sich heraus, dass diese Wanderungen zwar viele Gemeinsamkeiten haben, sich jedoch nicht immer in die bestehenden Typologien einfügen ließen: Die genannten Migrantengruppen sind zwar auch, aber nicht ausschließlich Angehörige der gesellschaftlichen Eliten, Stadt-Flüchtlinge, Erholungssuchende oder Ruhestands-Migranten. Was lebensstilorientierte Migranten im Kern gemeinsam haben, ist die Fähigkeit, die Suche nach dem "guten Leben" über alles andere zu stellen. Das Konzept Lifestyle Migration ist also ein methodisches Hilfsmittel, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Wanderungstrends zu untersuchen. Es soll die Besonderheiten eines Phänomens hervorheben, dessen gemeinsame Elemente sich unterschiedlich ausprägen:
"Lifestyle Migration ist eine komplexe und differenzierte Erscheinung, die sich von Migrant zu Migrant und von einem Ort zum nächsten unterscheidet. Sie beinhaltet soziale Transformation und andere übergreifende Prozesse; sie ist zugleich ein individualisiertes Unterfangen, strukturabhängig und eine Reaktion auf praktische, moralische und emotionale Herausforderungen."
Dieser Text ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: "Lifestyle Migration".