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Einleitung | Demografischer Wandel und Migration in Europa | bpb.de

Demografischer Wandel und Migration Einleitung Demografischer Übergang Deutschland und Europa Internationale Wanderung Integration und Reproduktionsverhalten Wanderungspolitik Regionale Muster Literatur Glossar

Einleitung

Frank Swiaczny

/ 3 Minuten zu lesen

Demografischer Wandel

Die Bevölkerungen in Europa haben in den vergangenen Jahrzehnten einschneidende quantitative und strukturelle Veränderungen erfahren. Bei allen regionalen Unterschieden lassen sich die Ursachen des gegenwärtigen demografischen Wandels in Europa auf die Folgen eines demografischen Übergangs zurückführen. Dieser geht mit einem langfristigen Trend zu niedriger Fertilität und einer bisher ungekannt hohen Lebenserwartung einher. Der Wandel der Bevölkerungsprozesse vollzieht sich dabei vor dem Hintergrund des historischen Wirtschaftswachstums und umfassender gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse. Dabei stehen alle europäischen Länder aufgrund der Trägheit von Bevölkerungsprozessen und den in der Vergangenheit angelegten Bevölkerungsstrukturen in absehbarer Zukunft vor ähnlichen demografischen Rahmenbedingungen: Ihre Bevölkerungen altern, und langfristig sehen sich viele Länder auch einem negativen natürlichen Bevölkerungssaldo, also einem Bevölkerungsrückgang als Folge eines Defizits von Geburten im Vergleich zu den Sterbefällen, gegenüber.

Die Folgen des demografischen Wandels haben tiefgreifende Auswirkungen auf alle Lebensbereiche wie z.B. auf die Arbeits- und Wohnungsmärkte, die Tragfähigkeit von öffentlicher und privater Infrastruktur (z.B. unwirtschaftlicher Personennahverkehr, Schließung von Schulen aufgrund niedriger Schülerzahlen) sowie die Leistungsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme. Sie stellen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor einen erheblichen Anpassungsdruck und große Herausforderungen.

Wanderungsbewegungen

Die europäische Geschichte war stets durch großräumige internationale Wanderungsbewegungen geprägt. Allerdings setzten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Wanderungsmuster ein, die durch Zuzüge im Rahmen der Dekolonisierung und die Zuwanderung von sogenannten “Gastarbeitern“ zu einer größeren Bevölkerung von Zuwanderern in den Zielregionen geführt haben. Neben Fragen der Integration dieser Migranten in die Zielgesellschaften und der damit einhergehenden Veränderung von Fertilitätsmustern ergeben sich aus der selektiven Abwanderung hauptsächlich junger Menschen in den Herkunftsregionen zusätzliche Herausforderungen durch Alterung und Schrumpfung.

Während sich die demografischen Veränderungen – wie Alterung und zum Teil auch Bevölkerungsrückgang – in allen europäischen Ländern ähneln, zeigen sich im Hinblick auf die Wanderungsbewegungen größere Unterschiede. Die vorwiegend vom Süden in den Norden gerichtete internationale Arbeitsmigration der Vergangenheit wird in jüngster Zeit durch neue Wanderungsmuster abgelöst: Diese lassen sich auch als eine innereuropäische Binnenwanderung beschreiben, deren Bedeutung durch das Ende des Kalten Krieges sowie die räumliche Erweiterung der EU in Osteuropa immer stärker zugenommen hat. Herkunftsregionen und Wanderungsmotive der Migranten werden immer vielfältiger. Dabei stehen europäische sowie nationale Migrationspolitiken in einem Interessenskonflikt: Einerseits verfolgen die Migrationspolitiken das Ziel, eine unbegrenzte Zuwanderung aus weniger entwickelten Regionen in die Arbeitsmärkte und Sozialsysteme der europäischen Wohlfahrtsstaaten zu verhindern. Andererseits soll die Zuwanderung so gestaltet werden, dass sie einen Beitrag dazu leistet, die Folgen des demografischen Wandels zu mildern. Zuwandern sollen daher hauptsächlich junge, qualifizierte und leistungsfähige Menschen. Internationale Wanderungsströme sind gegenwärtig eine der Ursachen, die zu einer Globalisierung der Welt führen. An ihnen zeigen sich aber auch die gegenläufigen demografischen Entwicklungen in den Industrie- und noch stets wachsenden Entwicklungsländern, die über Wanderung miteinander in Verbindung stehen.

Regionale Disparitäten

Der demografische Übergang und die Folgen der Wanderung führen in Europa zu großen regionalen Unterschieden: Demografisch junge und noch stets wachsende Regionen stehen Regionen gegenüber, die bereits überdurchschnittlich von Alterung, selektiver Abwanderung und Bevölkerungsrückgang betroffen sind. Zum einen entstehen demografisch und wirtschaftlich prosperierende Regionen, in denen Arbeitsplätze, Infrastruktur und hoher Lebensstandard zusätzliche Wanderungsanreize schaffen. Zum anderen gibt es jene peripheren Regionen, in denen vielfältige Nachteile, wie hohe Arbeitslosigkeit oder fehlende Zukunftsperspektiven, die Abwanderung beschleunigen. Dieses Nebeneinander konterkariert die politische Bestrebung, das Auseinanderentwickeln der Regionen zu verhindern und die regionale Ungleichheit der Lebensverhältnisse in Europa zu verringern. Die folgenden Abschnitte stellen die Ursachen und Folgen des demografischen Wandels und der internationalen Wanderungsprozesse in Europa anhand theoretischer Erklärungsansätze und empirischer Befunde dar, wobei die Stellung Deutschlands in Europa besondere Beachtung findet.

Dieser Text ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: "Demografischer Wandel und Migration in Europa".

Weitere Inhalte

Frank Swiaczny ist Wissenschaftlicher Rat am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden und leitet die Redaktion der Zeitschrift Comparative Population Studies. Von 2000 bis 2012 war er Vorsitzender des Arbeitskreises Migration-Integration-Minderheiten der Deutschen Gesellschaft für Demographie (DGD). Zu seinen Aufgaben am Bundesinstitut gehören Forschung und Politikberatung in den Bereichen Demografie und Weltbevölkerung. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen daneben unter anderem Bevölkerungsgeographie und Migrationsforschung.
E-Mail: E-Mail Link: frank.swiaczny@swiaczny.de