Das konventionelle Verständnis von Sicherheit beruht auf der Sicherheit des Staates und dem Schutz seines Territoriums und seiner Bevölkerung vor gezielten Angriffen anderer Staaten oder Individuen. Diese Definition von Sicherheit ist jedoch zu eingeschränkt. Sie kann die Bedrohungen, denen sich die Menschheit und einzelne Individuen heute ausgesetzt sehen, nicht adäquat erfassen. Dies betont auch der Bericht der Vereinten Nationen (VN) über die menschliche Entwicklung – der sogenannte Human Development Report – aus dem Jahr 1994. Darin heißt es:
Zu lange wurde das Verständnis von Sicherheit durch das Potenzial für Konflikte zwischen einzelnen Staaten geprägt [und] mit Bedrohungen für die Grenzen eines Staates gleichgesetzt. … Heutzutage [aber] entspringt für die meisten Menschen ein Gefühl von Unsicherheit eher aus Anliegen, die das tägliche Leben betreffen, als aus der Furcht vor einem weltumwälzen-den Ereignis. Arbeitsplatzsicherheit, Einkommenssicherheit, Gesundheits-schutz, Schutz vor Umweltkatastrophen und Schutz vor Kriminalität – das sind die herausragenden Anliegen menschlicher Sicherheit überall auf der Welt.
Abb. 2: Das klassische/konventionelle und das neue/menschliche Konzept von Sicherheit im Vergleich | ||
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Traditionelle nationale Sicherheit | Menschliche Sicherheit | |
Quelle: Prezelj 2008 (Nachbildung durch den Autor) | ||
Sicherheit für wen (Referenzobjekt) | Vorrangig Staaten | Vorrangig Individuen |
Werte, die auf dem Spiel stehen (Sicherheit welcher Werte) | Territoriale Integrität und nationale Unabhängigkeit | Persönliche Sicherheit und individuelle Freiheit |
Sicherheit vor was (Bedrohungen und Risiken) | Traditionelle Bedrohungen (militärische Bedrohungen, durch Staaten ausgeübte Gewalt) | nicht-traditionelle aber auch traditionelle Bedrohungen |
Sicherheit durch was (Mittel) | (Militärische) Gewalt als vorrangiges Sicherheitsinstrument, unilateral von Staaten eingesetzt, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten | (Militärische) Gewalt als ein untergeordnetes Instrument, einzusetzen in Bündnissen und vorrangig für kosmopolitische Ziele; Sanktionen, menschliche Entwicklung und menschenwürdiges Regieren als Schlüsselinstrumente personenzentrierter Sicherheit |
Einschätzung von Macht | Machtgleichgewicht (balance of power) ist wichtig; Macht ist militärischem Potenzial gleichgestellt | Machtgleichgewicht ist von eingeschränkter Nützlichkeit; weiche Macht (soft power) wird zunehmend wichtiger |
Stellenwert von zwischenstaatlicher Kooperation | Kooperation zwischen Staaten jenseits von Allianzen (die nicht der eigenen Position/Sicherheit dienen) ist gefährlich | Kooperation zwischen Staaten, internationalen Organisationen und NGOs kann effektiv und dauerhaft sein |
Diese Aspekte greifen das Konzept der menschlichen Sicherheit auf, das aus dem politikwissenschaftlichen Teilbereich der Internationalen Beziehungen hervorging. Die Kommission für Menschliche Sicherheit (Commission on Human Security) hat dazu Folgendes angemerkt:
Menschliche Sicherheit beinhaltet viel mehr als nur die Abwesenheit gewaltsamer Konflikte. Sie umfasst Menschenrechte, verantwortungsvolle Regierungsführung (good governance), Zugang zu Bildung und Gesundheit sowie eine Gewährleistung, dass jedes Individuum die Freiheiten und Mög-lichkeiten hat, sein Potenzial zu entfalten.
In der Vorstellung des Konzepts der menschlichen Sicherheit steigt die Sicherheit eines Staates dadurch, dass Menschen vor einer Reihe nicht-militärischer Bedrohungen geschützt werden, die gleichsam eine Quelle für Konflikte darstellen und folglich auch die Sicherheit des Staates gefährden könnten.
Abbildung 2 bietet einen Überblick über die verschiedenen Dimensionen des Konzepts menschlicher Sicherheit. Einige dieser Aspekte spiegeln auch die Sorgen und Bedürfnisse der deutschen Expats in Hongkong und Thailand wider, wie im Folgenden gezeigt werden wird.
Abb. 3: Die Dimensionen menschlicher Sicherheit und ihre Besonderheiten | |
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Quelle: Darstellung des Autors basierend auf UNDP 1994b, S. 25-33 | |
Wirtschaftliche Sicherheit | Ein Gefühl von Sicherheit, das aus dem Zugang zu Arbeit oder einer relativ stabilen Beschäftigungssituation bzw. einem garantierten Mindesteinkommen entspringt, welches entweder durch diese Arbeit oder staatliche Wohlfahrt erzielt wird. |
Ernährungssicherheit | Ein Gefühl von Sicherheit, das auf der Möglichkeit basiert, Zugang zu einer bestimmten Menge und Auswahl an Nahrung zu haben, die ausreicht, um die menschlichen Grundbedürfnisse abzudecken. |
Gesundheitliche Sicherheit | Ein Gefühl von Sicherheit, das auf dem Schutz vor Infektionen und Krankheiten beruht sowie auf der Möglichkeit des Zugangs zu professioneller medizinischer Versorgung. |
Umweltsicherheit | Ein Gefühl von Sicherheit, das auf dem Schutz vor Gefahren basiert, die dem natürlichen Lebensumfeld entspringen. Dazu gehören plötzlich auftretende Gefahren wie Erdbeben, Wirbelstürme und Überschwemmungen ebenso wie sich über einen längeren Zeitraum entwickelnde Gefahren, z.B. Luftverschmutzung oder Wüstenbildung (Desertifikation). |
Persönliche Sicherheit | Ein Gefühl von Sicherheit, das auf dem Schutz der körperlichen und psychischen Integrität der Person beruht. |
Sicherheit der Gemeinschaft | Ein Gefühl von Sicherheit, das aus dem Bewusstsein hervorgeht, Teil einer größeren Gruppe von Menschen zu sein, die ähnliche Ansichten und Einstellungen haben. |
Politische Sicherheit | Ein Gefühl von Sicherheit, das damit einhergeht, Mitglied einer Gesellschaft zu sein, die nicht unterdrückt wird und in der die sie zusammenhaltenden Autoritäten die grundlegenden Menschenrechte wahren. |
Dieser Text ist Teil des Kurzdossiers