Das Thema der Abwanderung hochqualifizierter Türkeistämmiger aus Deutschland war bislang vor allem Gegenstand von Mediendiskussionen, wobei vor dem Hintergrund von demographischem Wandel und drohendem oder bereits existierendem Fachkräftemangel in einigen Beschäftigungsbereichen besonders die negativen Auswirkungen dieser Abwanderung für die deutsche (Volks-)Wirtschaft unter dem Schlagwort Brain Drain thematisiert wurden.
Hintergründe
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Die Rede vom »Exodus von Mustermigranten«
Während die tatsächliche Zahl hochqualifizierter Abwanderer türkischer Herkunft also im Dunkeln liegt, gibt es Indizien für eine hohe generelle Abwanderungsbereitschaft unter türkeistämmigen Akademikern. Die 2008/2009 veröffentlichte Studie über Türkische Akademiker und Studierende in Deutschland (kurz: TASD-Studie) des Krefelder Futureorg-Institutes unter Leitung von Sezer/Dağlar kommt zu dem Schluss, dass bei 36 Prozent der in einer quantitativen Onlineuntersuchung befragten rund 250 türkeistämmigen AkademikerInnen und Studierenden die Bereitschaft bestehe, kurz-, mittel- oder langfristig in die Türkei – zumeist das Heimatland ihrer Eltern, da sie selbst in Deutschland geboren oder hier aufgewachsen sind – abzuwandern. Es war die Veröffentlichung dieses Befundes, die der Diskussion um die Migration hochqualifizierter Türkeistämmiger entscheidenden Auftrieb gab.
Zu ähnlichen Ergebnissen hinsichtlich der Abwanderungsbereitschaft kamen jüngst auch das Liljeberg-Institut und das Unabhängige Meinungsforschungsinstitut INFO GmbH in einer ›Repräsentativen Studie zum Integrationsverhalten von Türken in Deutschland‹. Im Rahmen einer telefonischen Befragung Anfang 2011 wurden insgesamt 1.003 Personen (davon 674 ohne und 329 mit deutscher Staatsangehörigkeit) interviewt. Auf die Frage »Planen oder beabsichtigen Sie in die Türkei zurückzukehren?« antworteten 4 Prozent »ja, in den nächsten 2 Jahren«, 12 Prozent »ja, in den nächsten 10 Jahren« und 30 Prozent »ja, aber erst später«. Insgesamt liegt die Abwanderungsbereitschaft der untersuchten Gruppe bei 46 Prozent. Dabei besteht allerdings ein deutlicher Unterschied zwischen Befragten ohne deutsche Staatsangehörigkeit und solchen mit deutschem Pass. So gaben 48 Prozent der Teilnehmer der Untersuchung ohne deutsche Staatsangehörigkeit an, einen Fortzug bzw. eine Rückkehr – um das Vokabular der Fragestellung aufzugreifen – in die Türkei zu planen. In der Gruppe der Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft waren es dagegen nur 39 Prozent.
Allerdings geben die Ergebnisse der Studie keine Auskunft über die spezifische Abwanderungsbereitschaft der Gruppe der Akademiker türkischer Herkunft. Auch muss angemerkt werden, dass eine grundlegende Abwanderungsbereitschaft keineswegs zwangsläufig in einen tatsächlichen Fortzug aus Deutschland mündet. Befragungsstudien dieser Art haben in der Vergangenheit immer wieder eine hohe Abwanderungsbereitschaft festgestellt, der Umfang der tatsächlichen Migration blieb demgegenüber sehr deutlich zurück. Beispielhaft dafür, dass Rückkehrpläne oft nicht in die Tat umgesetzt bzw. bis ins hohe Alter hinausgeschoben werden, steht die erste türkische Migrantengeneration. Viele ›Gastarbeiter‹ beabsichtigten, nur vorübergehend in Deutschland zu bleiben und nach einigen Jahren wieder in ihr Heimatland zurückzukehren. Aus dem temporär angelegten Aufenthalt wurde jedoch eine dauerhafte Verlegung des Lebensmittelpunktes nach Deutschland.
Dieser Text ist Teil des Kurzdossiers
Vera Hanewinkel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück und Redakteurin bei focus Migration.
E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de
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