Migration ist ein wesentlicher Teil der deutschen Geschichte. Der Beitrag zeichnet die Entwicklung der Wanderungsbewegungen seit der Gründung des Deutschen Reiches im späten 19. Jahrhundert bis zur Reformation des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 nach.
Migration als Grundelement der Menschheitsgeschichte prägte das Gebiet des heutigen Deutschlands von Beginn seiner Besiedlung an. Migration ist somit wesentlich älter als Deutschland, die Benennung und Problematisierung von Migration als grenzüberschreitende Wanderung ist jedoch eng mit der Entwicklung des Nationalstaates verbunden, weshalb im Folgenden das Wanderungsgeschehen in der deutschen Geschichte vom späten 19. bis Ende des 20. Jahrhunderts skizziert wird.
Aus-, Ein- und Durchwanderung im 19. Jahrhundert
Streng genommen war vor der Gründung des Deutschen Reiches 1871 bereits der Umzug von Stuttgart nach Mannheim oder von Osnabrück nach Münster Migration, wurden doch die Grenzen eigenständiger Staaten – Königreiche und Großherzogtümer – überschritten. Solche Mobilität, sei es als Suche nach Arbeit oder neuen Lebensperspektiven, als Teil der Ausbildung, zur Familiengründung oder als Flucht vor Hunger und politischer Verfolgung, war normal und gerade in strukturschwachen Regionen auch politisch erwünscht. Industrielle Zentren wie das Ruhrgebiet oder die Montanindustrie Sachsens zogen hunderttausende von Arbeitskräften und ihre Familien an. Die für Einheimische zunehmend unattraktive saisonale Beschäftigung in der Landwirtschaft insbesondere auf den großen Gütern östlich der Elbe ließ die Anwerbung (russisch-)polnischer Landarbeiterinnen und Landarbeiter in immer größeren Umfang rentabel erscheinen. Und die großen Infrastrukturprojekte im Kanal- und Eisenbahnbau konnten nur dank zusätzlichen Bauarbeitern aus Italien, den Niederlanden oder dem Habsburgerreich umgesetzt werden.
Von der Reichsgründung bis 1910 stieg die Zahl der registrierten Ausländer im Deutschen Reich (ohne Saisonarbeiter) von 206.000 auf knapp 1,3 Mio. Gleichzeitig führten Perspektivlosigkeit und Abenteuerlust zur Auswanderung von über fünf Millionen Menschen aus Deutschland nach Übersee – insbesondere nach Nordamerika und dort in erster Linie in die USA. Diese waren auch das Ziel von (1880–1914) etwa fünf Millionen Transitwanderern aus Osteuropa, die sich über deutsche und westeuropäische Häfen einschiffen wollten, dabei aber teilweise auch unterwegs 'strandeten' da ihnen die finanziellen Mittel ausgingen, sie krank wurden, aber auch weil sie hier Arbeit oder Ehepartner fanden.
Zwangsmigration im Zeichen der Weltkriege
Der Erste Weltkrieg bedeutete einen scharfen Einschnitt dieser transkontinentalen Migration, zumal er mit einer Verschärfung der Einreisebedingungen in den USA einherging. Die Auswanderungszahlen von Deutschland nach Übersee gingen – mit Ausnahme eines kurzen Hochs Anfang der 1920er Jahre – daher deutlich zurück. Auch die europäische Arbeitsmigration nach Deutschland geriet in den Kriegsjahren zunehmend unter staatliche Kontrolle, was in der Beschäftigung von rund einer Million belgischen und 'russischen' Zwangsarbeitern deutlich wird. Und wie in jedem Krieg waren Vertreibung und Flucht auch im Ersten Weltkrieg gang und gäbe, die durch die politische Neuverteilung von Gebieten nach dem Friedensschluss von weiteren Migrationen gefolgt wurden: So kamen nach den Gebietsabtretungen des Deutschen Reiches gemäß des Versailler Vertrags über eine Million Menschen in das wirtschaftlich, politisch und mental gebeutelte Land. Darüber hinaus war die Zeit der Weimarer Republik von einem wachsenden Kontrollanspruch insbesondere gegenüber der Arbeitsmigration aus Polen geprägt, wozu das Kontrollregime durch Arbeitserlaubnis (sog. Legitimationskarten), Grenzkontrollen und Rückreisezwang ausgebaut wurde. Wie zu anderen Zeiten und in anderen Staaten aber auch, waren Reichweite und tatsächliche Umsetzung dieser Maßnahmen begrenzt.
Die nationalsozialistische Diktatur und der Zweite Weltkrieg brachten durch Deportation und Flucht, Vertreibung und Umsiedlung einen bislang ungekannten Höhepunkt der staatlich verursachten Zwangsmigration mit sich: Rund 300.000 jüdische Emigranten verließen NS-Deutschland nach 1933; die nicht genau bekannte Gesamtzahl jüdischer Flüchtlinge stieg nach dem "Anschluss" Österreichs und des Sudetenlandes auf bis zu 600.000. Hinzu kamen etwa 25–30.000 politische Emigranten. Die Ausbeutung von zivilen und militärischen Zwangsarbeitern in Deutschland erreichte die Zahl von fast acht Millionen, davon die meisten aus Russland, Frankreich und Italien. Aus den annektierten Gebieten Osteuropas wurden etwa neun Millionen Menschen vertrieben, u.a. um Platz für etwa eine Million 'Volksdeutsche' zu machen, die außerhalb des Reiches lebten und die hierher umgesiedelt wurden oder werden sollten. Rund sechs Millionen Menschen wurden in ganz Europa als Juden in die NS-Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert, um sie zu ermorden.
Nachkriegsdeutschland in Bewegung
Nach Ende des Krieges befanden sich zehn bis zwölf Millionen sog. Displaced Persons (DP) in Deutschland, überwiegend Überlebende der Konzentrationslager und Kriegsgefangene, von denen der Großteil noch während des Jahres 1945 umgesiedelt oder rückgeführt wurde. Für die übrigen 1,7 Mio. wurden im Rahmen von Resettlement-Programmen der 1947 gegründeten Internationalen Flüchtlingsorganisation IRO in andere Länder insbesondere in die USA, Kanada, Großbritannien und Frankreich umgesiedelt. Das besetzte Deutschland der unmittelbaren Nachkriegszeit war somit eine Gesellschaft in Bewegung: rund zehn Millionen Menschen waren aus den zerbombten Städten evakuiert worden und konnten zum Teil, wenn überhaupt, erst nach Jahren zurückkehren. Hinzu kamen rund elf Millionen demobilisierte oder aus Kriegsgefangenschaft entlassene deutsche Soldaten. Seit der finalen Phase des Krieges und durch erneute Gebietsabtretungen und Grenzverschiebungen nach seinem Ende kam es zu umfangreichen Fluchtbewegungen vor allem Richtung Westen. Rund 14 Millionen Menschen flohen vor der anrückenden Roten Armee sowie vor spontanen und organisierten Vertreibungsaktionen: In der Folge waren Ende 1947 knapp ein Viertel der Bevölkerung der sowjetisch besetzten Zone Flüchtlinge; in der amerikanisch besetzten Zone waren es knapp 18 Prozent und in der britischen knapp 15 Prozent. Die französischen Besatzungsbehörden weigerten sich Flüchtlinge und Vertriebene aufzunehmen, weshalb ihr Anteil dort nur bei rund einem Prozent lag.
Das geteilte Nachkriegsdeutschland war also tief von Zwangsmigration geprägt, knüpfte aber auch an tradierte Mobilitätsmuster an. So wanderten zwischen 1946 und 1961 knapp 800.000 Deutsche nach Übersee aus, davon die Hälfte in die USA. Eine Besonderheit der Binnenmobilität stellte die 1949 zementierte Teilung in zwei deutsche Staaten dar: Etwa 3,1 Mio. Menschen zogen bis zum Interner Link: Mauerbau 1961 von der DDR in die Bundesrepublik, etwa 500.000 migrierten von West nach Ost (darunter auch Viele die zuvor von dort gekommen waren). Während diese Migration vor dem Hintergrund des Kalten Krieges von der jeweiligen Regierung propagandistisch ausgeschlachtet wurde, war die Aufnahme der "DDR-Flüchtlinge" in der Öffentlichkeit stets auch umstritten: Ihnen wurde unterstellt, gar keine "echten", sprich: politischen Flüchtlinge zu sein, sondern aus egoistischen wirtschaftlichen Motiven in die Bundesrepublik zu kommen. Die vermeintliche Eindeutigkeit von Wanderungsmotiven sorgte also schon in der Frühzeit der Bundesrepublik für migrationsbezogene Diskussionen. In der DDR hingegen wurde neben propagandistischen Meldungen versucht, keine Diskussion über Migration aufkommen zu lassen. Dies galt insbesondere für die als "Umsiedler" bezeichneten Menschen, die in der Nachkriegszeit aus dem jungen Polen in die DDR gekommen waren. Hingegen schaffte die Bundesrepublik für 'Volksdeutsche' aus Osteuropa einen Rechtsanspruch auf Einwanderung der mit umfangreichen Integrationsleistungen verbunden war.
Der an den Wiederaufbau anknüpfende wirtschaftliche Boom brachte einen wachsenden Arbeitskräftebedarf hervor, der in der Bundesrepublik lange durch die Zuwanderung aus der DDR und von Aussiedlern befriedigt werden konnte. Umgekehrt verstärkte der Wegzug insbesondere von gut ausgebildeten jungen Facharbeiterinnen und Facharbeitern den Arbeitskräftemangel in der DDR, was ausschlaggebend für die Befestigung der innerdeutschen Grenze und den Externer Link: Berliner Mauerbau war.
'Gastarbeit' und Einwanderung
Schon zuvor hatten einzelne Landwirte und Unternehmen in der Bundesrepublik wieder Arbeitskräfte aus dem Ausland, insbesondere aus Österreich und Italien, beschäftigt und dabei Kontakte der Zwischenkriegs- und Kriegszeit genutzt. Mit dem Wegfall neuer Arbeitskräfte aus der DDR gewann diese Form der Arbeitskräfterekrutierung schlagartig an Bedeutung: Die Zahl der in der Bundesrepublik beschäftigten Ausländer stieg von etwa 73.000 (1954) über 329.000 (1960) auf 711.000 (1962) um 1965 erstmals die Millionenmarke zu überschreiten (1,2 Mio.). Nach einem kurzen Rückgang 1967 stieg ihre Zahl weiter an, um 1973, dem Jahr des Anwerbestopps, einen Höhepunkt von 2,6 Mio. zu erreichen. Insgesamt war gut ein Drittel der ausländischen Beschäftigten 'Gastarbeiterinnen'.
Politisch gerahmt wurde diese nicht unumstrittene 'Gastarbeiter'-Beschäftigung durch zwischenstaatliche Interner Link: Anwerbeabkommen mit den mediterranen Herkunftsländern und dem grundsätzlichen (allerdings durch zahlreiche Ausnahmen aufgeweichten) Beschäftigungsverbot für Ausländer, die nicht aus den Anwerbe- oder anderen 'westlichen' Staaten kamen. Mit diesen Anwerbeabkommen, die häufig auf Wunsch der Herkunftsländer aber auch der deutschen Gewerkschaften abgeschlossen wurden, knüpften die Regierungen an vergleichbare Abkommen aus der Zwischenkriegszeit an. Eines der Hauptziele war, die ungeregelte Arbeitsmigration politisch zu steuern und zu kontrollieren. Gleichwohl verlief ein bedeutender (wenngleich nur schwer bestimmbarer) Anteil der 'Gastarbeiter'-Migration unkontrolliert jenseits der offiziellen Verfahren und wurde wenn überhaupt erst im Nachhinein legalisiert.
Ein wichtiges Prinzip der 'Gastarbeiter'-Migration, das zwar in den Abkommen nicht festgeschrieben, aber anfangs von allen Beteiligten geteilt wurde, war die sogenannte Rotation der Arbeitskräfte. Migrantinnen und Migranten sollten für einige Jahre in die Industriezentren Europas kommen und dort arbeiten, um anschließend mit dem gesparten Geld zurückzukehren und neuen Arbeitskräften Platz zu machen. Dieses System funktionierte auch lange Zeit: So kamen zwischen Ende der 1950er und Anfang der 1970er Jahre rund 14 Mio. ausländische Arbeitskräfte in die Bundesrepublik, während im gleichen Zeitraum etwa 11 Mio. wieder zurückkehrten. Mit der Zeit verlängerten immer mehr ihren Aufenthalt und holten zunehmend auch ihre Familien nach, was seit Ende der 1960er Jahre in eine lange offiziell verleugnete Einwanderungssituation mündete. Anstatt jedoch dieser Migration (wie bereits zuvor den Aus- und Übersiedlern) mit angemessenen Integrationsmaßnahmen zu begegnen, mehrten sich die Stimmen, die vor einer unhaltbaren Belastung durch die Ausländerbeschäftigung warnten. Im Sommer 1973 wurde ein politischer Richtungswechsel vollzogen, der einen langsameren Anstieg der Ausländerbeschäftigung vorsah. Die Ölkrise im Herbst 1973 und die zunehmende Kritik der Gewerkschaften an der 'Gastarbeiter'-Anwerbung gab schließlich den Anlass für den Anwerbestopp, der die Vermittlung von Arbeitskräften aus den meisten Anwerbeländern bis auf weiteres einstellte, wenngleich nicht vollständig stoppte.
Zwischen Anwerbestopp und Freizügigkeit
Mit dem Anwerbestopp fügte sich die Bundesrepublik in zwei gegenläufige europäische Muster ein: Einerseits stoppten alle westeuropäischen Industriestaaten zwischen 1970 und 1974 die Neuanwerbung von Ausländern oder schränkten die Zugangsmöglichkeiten zu ihren Arbeitsmärkten für nichtwestliche Außereuropäer stark ein. Andererseits zeigte die bereits in den Römischen Verträgen beschlossene und nach 1968 schrittweise umgesetzte Freizügigkeit für Arbeitnehmerinnen und -nehmer Wirkung. Somit hatte der Anwerbestopp beispielsweise auf italienische 'Gastarbeiter' keinerlei Auswirkung, während insbesondere türkische und jugoslawische Staatsangehörige sich nun sehr genau überlegen mussten, ob sie in der Bundesrepublik bleiben und gegebenenfalls ihre Familien nachholen oder womöglich endgültig zurückkehren sollten. Der Anwerbestopp war also kein Einwanderungsstopp, sondern förderte vielmehr eine Tendenz zur familiären Migration bei gleichzeitiger Einschränkung des Zugangs auf den Arbeitsmarkt für 'nicht-westliche' Ausländer. Dass es auch hiervon Ausnahmen gab, zeigt beispielsweise die fortlaufende Anwerbung von Krankenpflegerinnen insbesondere aus Indien, Südkorea und von den Philippinen.
Zur gleichen Zeit, in der die Bundesrepublik die Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer beendete, begann die DDR mit befreundeten 'sozialistischen Bruderstaaten' Verträge über die Sendung von Arbeitskräften zu schließen, deren Mobilität jedoch noch deutlich restriktiver kontrolliert wurde, als in der Bundesrepublik. Hauptherkunftsländer der vorwiegend männlichen Vertragsarbeiter waren Kuba, Mosambik und Vietnam. Ihre Zahl stieg von durchschnittlich 11.000 zu Beginn der 1980er Jahr über 57.000 in der zweiten Hälfte der Dekade auf 190.000 ausländische Beschäftigte in der DDR 1989. Eine der EG-Freizügigkeit vergleichbare Migration zwischen den Mitgliedstaaten des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) gab es dagegen nicht, und die zwischenstaatlichen Migrationszahlen blieben vergleichsweise gering.
Flüchtlingsaufnahme im Zeichen des Kalten Krieges
Im Gegensatz zum Ausbau der Freizügigkeit innerhalb Westeuropas wurden die Möglichkeiten zur Migration von außerhalb Europas in dieser Zeit weiter eingeschränkt, sodass neben Familienangehörigen bereits in der Bundesrepublik Lebender und Hochqualifizierten nur noch Flüchtlinge eine Chance hatten, hierher zu ziehen. Entsprechend bestimmten diese Gruppen in den 1970er und 1980er Jahren die Zuwanderung, nicht ohne dass die Bundesregierungen dieser Zeit versuchten, diese Zugänge durch Rechtsverschärfungen weiter zu schließen und die Einwanderung durch 'Rückkehrprogramme' umzukehren.
Dem stand lange das nach den Erfahrungen der NS-Zeit im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl und die Ratifikation der Genfer Flüchtlingskonvention entgegen. Vor allem vermeintlichen Systemgegnern der Sowjetunion wurde daher nach den Aufständen in Budapest (1956) und Prag (1968) Aufnahme und Schutz gewährt. Ebenfalls im Kontext des Kalten Krieges kamen 1973/74 Flüchtlinge aus Chile in die Bundesrepublik und die DDR sowie ab 1978 vietnamesische 'Boat People' in die Bundesrepublik. Weitere größere Fluchtbewegungen kamen Anfang der 1980er Jahr aufgrund innenpolitischer Verschärfungen bzw. eines Militärputsches aus Polen und der Türkei, aber auch aus dem Iran und anderen politisch unsicheren Staaten hinzu.
Migration nach dem Fall des Eisernen Vorhangs
Wie sehr Migrationsbewegungen von internationalen Krisen beeinflusst werden, zeigte sich auch im seit Ende der 1980er Jahr zunehmend im stabileren 'Ostblock'. Der bröckelnde Eiserne Vorhang ermöglichte nicht nur immer mehr DDR-Bürgern die illegale Ausreise in den Westen, sondern eröffnete auch Transitwege für Migranten aus anderen Teilen der Welt, die in der Bundesrepublik Schutz, Sicherheit und die Chance auf ein besseres Leben suchten. Herkunftsgebiet der meisten Migranten in den 1990er Jahren war gleichwohl das östliche Europa, von wo zunehmend Flüchtlinge, Arbeitskräfte, Spätaussiedler, Geschäftsleute, Wissenschaftler, Juden, Studierende und Au-pairs – so die Kategorien des Einwanderungsrechts – in das wiedervereinigte Deutschland kamen.
Das Ende des Kalten Krieges führte also zu einer Wiederaufnahme traditioneller Migrationsbeziehungen die zunächst deutlich umfangreicher waren, als erwartet: Zwischen 1988 und 1993 kamen rund 7,3 Mio. Menschen nach Deutschland, 3,6 Mio. verließen es im gleichen Zeitraum wieder, was eine Nettozuwanderung von 3,7 Mio. bedeutet. Angesichts des weiterhin vorherrschenden Selbstverständnisses Deutschlands kein Einwanderungsland zu sein, führte dies zu schweren politischen Auseinandersetzungen die Anfang der 1990er Jahre in Interner Link: rassistische Gewalttaten mit über 50 Todesopfern kulminierten. Weitere Folgen waren die Restriktion legaler Zuwanderungsmöglichkeiten (insbesondere aus Osteuropa) und eine drastische Einschränkung des Grundrechts auf Asyl. Wenngleich dadurch kurzfristig die Zahlen der Asylgesuche und mittelfristig auch die der Spätaussiedler wieder sanken, lief die so lange verleugnete Einwanderung weiter. Die Bürgerkriege des zerfallenden Jugoslawiens, die zunehmende Binnenmigration in Europa, wachsende globale Verflechtungen, vor allem aber ein zunehmend selbstbewusster Teil der eingewanderten Bevölkerung und ihrer Nachkommen führten schließlich gegen Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts dazu, dass die Bundesrepublik sich ihrer Einwanderungsgeschichte stellte und diese zunehmend auch offiziell anerkannte: Im Jahr 2000 trat ein neues Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft, das die Einbürgerung in Deutschland geborener Nachkommen von Einwanderern erleichterte und die Bundesregierung berief eine Kommission zur Erarbeitung eines neuen Migrationsrechts.
Literatur
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Münz, Rainer; Ulrich, Ralf E. (2000): Migration und zukünftige Bevölkerungsentwicklung in Deutschland, in: Rat für Migration (Hg.): Migrationsreport 2000. Fakten – Analysen – Perspektiven, Frankfurt/New York.
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Rahlf, Thomas (2015): Deutschland in Daten. Zeitreihen zur Historischen Statistik (Zeitbilder), Bonn. http://www.bpb.de/shop/buecher/zeitbilder/211002/deutschland-in-daten (02.10.2015).
Trede, Oliver (2015): Zwischen Misstrauen, Regulation und Integration. Gewerkschaften und Arbeitsmigration in der Bundesrepublik und in Großbritannien in den 1960er und 70er Jahren, Paderborn.
Marcel Berlinghoff, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück. Er lehrt und forscht u.a. zu Europäischer Migrations- und Zeitgeschichte.
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