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Coloured Children | Afrikanische Diaspora in Deutschland | bpb.de

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Coloured Children Ein Rap-Tanztheaterstück

Anita Berger

/ 6 Minuten zu lesen

Wer als Afro-Deutscher mehr über seine Wurzeln erfahren möchte, findet in Schulbüchern oder im Unterricht nur wenige Informationen. Vor allem der Kontakt zu anderen Schwarzen Deutschen ist hilfreich, diese Lücke zu schließen. Das Rap-Theaterstück "Coloured Children" zeigt, mit welchen Problemen die Jugendlichen zu kämpfen haben.

"Ich möchte meine Haut abstreifen / es geht nicht ich möchte es nicht begreifen" (Amaka Iyizoba). (© Anita Berger)

"Hört mal zu! Jetzt sind wir mal dran. Wir verändern die Geschichte, fangen von vorne an. Schwarzer Bruder, Schwarze Schwester duldet kein Gelächter", so rappte Sarah Odukoya 1997 bei der Premiere von "Coloured Children" im Kölner Stadtgarten. Ihr Gesichtsausdruck – entschlossen. So wie die Botschaft ihrer Texte.

Sarah war eine von sechs Schülerinnen und Schülern im Alter von 15 bis 17 Jahren, die durch das Projekt "Coloured Children" zu Rapperinnen und Rappern wurden. Sie hatten sich viel vorgenommen. Daran bestand für mich als Regisseurin schon am ersten Projekttag kein Zweifel. Sarah, Diana, Amaka, Prince, Chris und Patrice wollten nicht einfach nur ein cooles Gesicht machen und "Yo man!" ins Mikro stöhnen. Sie hatten eine Message, wollten einem gleichaltrigen Publikum von sich und ihrem Leben berichten – als Schwarze Deutsche in Deutschland.

Die Idee von "Coloured Children"

Der Freitod der bekannten afro-deutschen Autorin May Ayim am 9. August 1996 war für den Deutsch-Nigerianer Adé Odukoya Anlass, sich inhaltlich in einem Theaterstück mit den Problemen Afro-Deutscher auseinanderzusetzen. Odukoya, selber Musiker und Rapper, wollte Jugendliche in Deutschland erreichen und ihnen die Situation gleichaltriger Schwarzer Deutscher nahe bringen.

So entstand die Idee für das Rap-Theaterstück "Coloured Children". Gemeinsam haben wir mit den Jugendlichen die Geschichte und Songtexte entwickelt und Regie geführt. Projektleitung übernahm die "Offene Jazz Haus Schule" in Köln. Sie fördert seit Jahren Jugendliche durch musikpädagogische Projekte. Wichtig ist hierbei vor allem die Vernetzung mit professionellen Künstlern, verschiedenen Jugendeinrichtungen, der Landesarbeitsgemeinschaft-Musik NRW (LAG Musik) und den Jugendämtern.

"Coloured Children" ist in erster Linie ein Rap-Tanz-Theaterstück von Afro-Deutschen, aber nicht nur für Afro-Deutsche. Auch Weiße Deutsche Jugendliche machen mit, sollen angesprochen werden. Denn von den Jugendlichen von heute hängt ab, wie Weiße und Schwarze morgen zusammen leben können. "Coloured Children" regt zum Nachdenken und zur Kommunikation an.

Neben den rappenden Schauspielern auf der Bühne gibt es bei "Coloured Children" Breakdancer und Afro-Tänzer. (© Anita Berger)

Emotion und Tiefgang

"Coloured Children" ist ein Rap-Tanz-Theaterstück, das die jugendlichen Teilnehmer selber geschrieben und erarbeitet haben. Es integriert verschiedene Ausdrucksformen: Gesang, Tanz, Breakdance, DJing und natürlich Rap. Wer sich schon einmal im rhythmischen Sprechgesang versucht hat, weiß, wie schwer es ist, die richtigen, reimenden Worte zu finden und dabei seine Emotionen auszudrücken. Die Jugendlichen haben an vielen Nachmittagen und Abenden hart gearbeitet, damit die Lieder hinterher leicht über ihre Lippen gingen. So wie Patrice Bart-Williams:

Ein Afrikaner, kein Deutscher
Vater, warum hast Du mich verlassen
Hier werde ich langsam aber sicher verblassen
wie die Erinnerungen an Dich
Die Vorstellungen von Dir, die mich riefen aus meiner Seele Tiefen und mich nicht loslassen.

Vom Schüler zum Superstar

Heute singt der Soulstar Patrice vornehmlich auf Englisch und macht da weiter, wo er mit "Coloured Children" aufgehört hat. Patrice tourt mit der bekannten Musikerin Lauryn Hill, ist in Frankreich ein Superstar. Er füllt in ganz Europa die Konzerthallen – mit einfühlsamer Musik, die keinen Zweifel an seinen afrikanischen Wurzeln lässt.

"Coloured Children" hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Es erzählt am Beispiel des Schwarzen Deutschen Jugendlichen Harry – gespielt von Patrice – verschiedene Momente im Leben von jungen Menschen, die mit dem Gefühl aufwachsen, sie seien Fremde im eigenen Land. "Coloured Children" konfrontiert die Zuschauer mit Beispielen von alltäglichem Rassismus, wie ihn Patrice und die anderen aus ihrem Alltag kennen.

Heute singt der Soulstar Patrice vornehmlich auf Englisch und macht da weiter, wo er mit "Coloured Children" aufgehört hat. Patrice tourt mit der bekannten Musikerin Lauryn Hill, ist in Frankreich ein Superstar. Er füllt in ganz Europa die Konzerthallen – mit einfühlsamer Musik, die keinen Zweifel an seinen afrikanischen Wurzeln lässt.

"Coloured Children" hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Es erzählt am Beispiel des Schwarzen Deutschen Jugendlichen Harry – gespielt von Patrice – verschiedene Momente im Leben von jungen Menschen, die mit dem Gefühl aufwachsen, sie seien Fremde im eigenen Land. "Coloured Children" konfrontiert die Zuschauer mit Beispielen von alltäglichem Rassismus, wie ihn Patrice und die anderen aus ihrem Alltag kennen.

Rapper und "Reisfresser"

"Neger", "Farbige", "Mischlinge", "Mulatten", "Bimbos" sind Bezeichnungen, die zum Leben von Schwarzen Deutschen in der Bundesrepublik dazugehören. Sie sind Ausdruck für den Rassismus, den Schwarze hierzulande täglich erleben. Bezeichnungen, mit denen sich die jugendlichen Rapper aber nicht identifizieren wollen:

Überflieg das Übel meiner Kindheit
Gebe preis was es heißt ein Andersfarbiger zu sein
Ey, steckt ihr in meiner Haut und fahrt ihr auch auf dem Gleis? Nein, eure tauben Ohren müssen nicht von klein auf ertragen was das häutende Folgende meint
"wat frisste soviel Reis, dadurch wirste auch nicht weiß!" (Prince Kalathikattil)

Die jugendlichen Projektteilnehmer bringen bereits viel Bewusstsein mit. Es ist überraschend, wie wenig während der Proben über die Inhalte ihrer Texte diskutiert wird. Als gäbe es ein unsichtbares Band, das sie miteinander verbindet. Alle sind sich einig, was gesagt werden muss. Sie wollen nicht die Welt verbessern oder über ihre Lebenssituation lamentieren. Sie wollen ihr Selbstverständnis als Selbstverständlichkeit auf die Bühne bringen, ohne dabei ihre eigenen Sorgen und Unsicherheiten außen vor zu lassen.

Ihr Selbstverständnis drücken sie mit zwei Worten aus. Sie nennen sich Schwarze Deutsche oder Afro-Deutsche. Ein Ausdruck ihrer multikulturellen Herkunft, ihres Deutschseins sowie ihrer afrikanischen Wurzeln.

Afro-Deutsche sind in Deutschland geboren oder haben einen wesentlichen Teil ihres Lebens in Deutschland verbracht. Sie verstehen sich als Teil einer afrikanischen Diaspora, von der die deutsche Öffentlichkeit in der Regel nicht viel weiß, obwohl über 500.000 Afro-Deutsche in Deutschland leben. In Schul- und Geschichtsbüchern ist wenig über die mehr als einhundertjährige Geschichte von Schwarzen in Deutschland zu lesen. Im Schulunterricht findet sie äußerst selten statt.

Isolation und Identität

Das Wissen um eine Schwarze Deutsche Geschichte und der Kontakt zu anderen Afro-Deutschen ist vor allem für Jugendliche von großer Bedeutung. Oft ist es für sie die einzige Chance mehr über ihre Wurzeln zu erfahren. Im Alltag einer weißen Gesellschaft gibt es dazu nur wenig Möglichkeiten. Viele Schwarze Jugendliche fühlen sich isoliert. Denn was die Bildung einer Identität, eines Schwarzen Selbstbewusstseins in Deutschland erschwert, ist nicht nur das Anderssein, sondern auch die Isolation, die zu einer Ohnmacht und Sprachlosigkeit, oft bis zur Selbstzerstörung führt. Ängste, die auch die jugendlichen Rapper kennen:

Unauffällig, Durchschnitt, Normalsein, das ist mein Verlangen
konnte dies nicht erlangen,
die Lust aufs Leben ist vergangen.
Wer gibt mir die Seife, die mich weiß wäscht?
Seitdem weiß ich Schwarzsein ist ein Handicap
das ich überall mit mir schlepp
Ich möchte meine Haut abstreifen
es geht nicht ich möchte es nicht begreifen! (Amaka Iyizoba)

Afrikanische Erzählkunst

Erzählen, was einen bewegt. Wahre und erlebte Geschichten weitergeben. Das ist tief in der Tradition Afrikas verwurzelt. Eine moderne Form des Erzählens ist der Rap: Urbane Musik, pulsierend und pamphletartig – die ideale Vermittlungsform für den harten Alltag. So können Jugendliche von ihren Alltagserfahrungen erzählen. Rap ist ihre Sprache.

Auch das Theater nutzt die Sprache als Ausdrucksmittel. Hinzu kommen noch Schauspiel und Dramaturgie. Beim Rap-Theater verschmelzen beide Ausdrucksformen, um insbesondere Jugendliche anzusprechen. Neben den rappenden Schauspielern auf der Bühne – ein DJ, eine Live-Band (Schlagzeug, Keybord, Gitarre, Bass) – gibt es Breakdancer und Afro-Tänzer.

Jubel und Applaus

Das Premierenpublikum war begeistert, forderte Zugaben und wollte die jungen Künstler gar nicht von der Bühne lassen. Kein Wunder, dass Projektleiter Rainer Linke, Leiter der "Offenen Jazz Haus Schule", strahlte: "Das ist das beste Gemeinschafts-Projekt, das wir je auf die Beine gestellt haben." Die Folge war klar und das schönste Lob für alle Beteiligten: Das "Projekt" ging weiter. Es folgten mehrere Aufführungen von "Coloured Children" in Köln, Mönchengladbach und im Rahmen des Massala-Festivals in Hannover.

Nach einem Bericht des Musiksenders Viva über "Coloured Children" bekamen die Projektverantwortlichen sehr viele Zuschriften von Lehrern, Sozialarbeitern, Eltern und Schülern. Darunter auch viele Schwarze Deutsche Jugendliche, die sich bedankten: "Ich bin froh, dass das Thema mal angesprochen wurde, da ich mich gerade mit mir auseinandersetze, wo ich in dieser Gesellschaft stehe oder ob ich überhaupt dazu gehöre. Es ist schwer, dieses Problem allein zu bewältigen."

1998 wurde "Coloured Children" mit dem Jugendkulturpreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. "Coloured Children" hat das Thema Schwarzer Deutscher Identität in einer jugendgerechten Form aufgearbeitet. Dies zeigen der Jugendkulturpreis, die vielen Zuschriften von Jugendlichen und die Nachfragen von Einrichtungen der Jugendarbeit sowie von Schulen, die dieses Projekt übernehmen wollten.

Die Idee von "Coloured Children" lebt weiter. Ade Odukoya, Initiator von "Coloured Children", startete im Jahr 2002 eine Kampagne, die in ganz Deutschland für Aufmerksamkeit sorgte: "Brothers Keepers".

Die Macher von Coloured Children

Veranstalter: Offene Jazz Haus Schule e.V. (Köln) in Zusammenarbeit mit der Städt. Jugendeinrichtung Gremberg
Gefördert von: LAG Musik NRW und Jugendamt der Stadt Köln
Mit freundlicher Unterstützung von Maniac Media (Walter Pauli)Projektleitung: Rainer Linke
Rap: Adé Odukoya
Regie: Anita Berger
Breakdance: Thomas Hergenröther
Bandarbeit: Waldemar Parra
Graffiti-Deko: Alexander Dosiehn

Fussnoten

Anita Berger, aufgewachsen in Rwanda, Portugal und Deutschland. Studierte Romanistik, Politologie, iberische und lateinamerikanische Geschichte. Arbeitete als Redaktions- und Produktionsassistentin und freie Autorin; Mitwirkung an einem (Rap-)Theaterprojekt mit Jugendlichen. Sie ist derzeit Mitarbeiterin in einer Medienagentur.