Einleitung
Die Ungleichheit zwischen den Industrieländern und den afrikanischen Staaten beschränkt sich nicht nur auf die Wirtschaft, sondern sie betrifft auch andere Gebiete wie zum Beispiel die Massenmedien. Als wir nämlich in Afrika die Medien beobachteten, wussten wir bereits viel Positives über Deutschland als Welt- und Wirtschaftsmacht, obwohl wir noch nie dort gewesen waren.
Später habe ich als Gymnasiast über die Preußen und Bismarck viel erfahren können und ich verstand, warum die Deutschen in vielen Dingen erfolgreich gewesen sind. Mag sein, dass in Deutschland nicht alles perfekt ist. Mag sein, dass es in Deutschland nicht duftet, aber das denken viele Afrikaner. Warum?
In afrikanischen Medien wird nur "das Gute" über Deutschland dargestellt. Es wird uns vermittelt, was es Positives über Deutschland zu erfahren gibt. Alle Informationen über Deutschland sowie Nachrichten aus Deutschland haben wir nicht nur aus der Schule erfahren, sondern aus den örtlichen Medienanstalten unserer Länder, die mit deutschen Institutionen zusammenarbeiten. Nichts wird dem Zufall überlassen, wenn es um Deutschlands Image geht, sogar in Afrika, wo man mit Informationen über die westliche Kultur übersättigt ist.
Meine Nachbarn
Deutschland hat ein gutes Image in Afrika. Aber können wir das gleiche über das Image Afrikas und das von Afrikanerinnen oder Afrikanern in Deutschland behaupten? Was für ein Bild haben die Deutschen von Afrika und insbesondere über die hier lebenden Afrikaner durch die hiesigen Massenmedien bekommen?
Auf diese Frage habe ich bereits Antworten von einem Wohnungsnachbarn bekommen. Mein Nachbar Manfred aus Hamburg kam zu mir und sagte: "Afrika ist doch ein hoffnungsloser Kontinent." " Ja? Warum?", fragte ich ihn und er sagte: "Ihr bekommt von uns Entwicklungshilfe seit 50 Jahren. Milliarden haben wir euch gegeben, um euch zu helfen, unsere Steuergelder. Was ist heute dabei heraus gekommen? Elend, Armut, Aids, Massenerkrankungen, Diktatoren, Korruption, Bürgerkrieg. Schau mal nach Nigeria, Ruanda, Sierra Leone und was-weiß-ich-noch. Ihr kloppt euch dauernd, macht viele Kinder und seid nicht mal in der Lage für euch selbst zu sorgen. Ihr habt keine vernünftigen Dächer über dem Kopf, kein Trinkwasser, keinen Strom. Ihr seid total unfähige Menschen. Echt. Das Schlimmste bei der Sache ist, wir müssen euch hier noch als Sozialhilfeempfänger, Asylbetrüger und Drogendealer ertragen."
"Sind Sie schon in Afrika gewesen?", fragte ich ihn. "Nee!!! Was soll ich dort? Nee!" "Sie sind ja besser über Afrika informiert als ich. Woher haben Sie Ihre Informationen?" "Dafür muss man doch nicht nach Übersee laufen. Aus den Medien natürlich! Woher sonst? Fernsehen, Radio. Es ist voll von solchen Nachrichten über euch."
Selektives Gedächtnis
Die Auswahl eines Themas ist niemals willkürlich. Wieso wird das Image Deutschlands von den Massenmedien in Afrika beschönigt und das Image Afrikas in den deutschen Medien wiederum massiv verzerrt? Obwohl Afrika durch die Berichterstattung der deutschen Medien für meinen Nachbarn Manfred ein hoffnungsloser Fall geworden ist, ersetze ich als Afro-Optimist den Begriff "hoffnungsloser" durch "hoffnungsvoller" Kontinent. Dieser westliche Pessimismus dem Kontinent Afrika und den Afrikanern gegenüber hat sich in der europäischen öffentlichen Meinung breit gemacht. Deshalb werde ich hier den Behauptungen von Manfred nachgehen.
Laut Manfred seien Armut und Bürgerkrieg in Afrika das Resultat einer verantwortungslosen Regierungsführung; darüber werde reichlich in den Medien berichtet. Aber mich würde an dieser Stelle interessieren, was in der Berichterstattung weggelassen wird. Was weiß Manfred noch nicht? Ich vermisse in den Berichten meiner deutschen Kolleginnen und Kollegen einige wichtige Aspekte, die den Lesern oder den Zuschauern ein ausgewogenes Bild von Afrika vermitteln. Ich versuchte es meinem Nachbarn Manfred zu vermitteln. Ich sagte, wenn man nur über das Negative in Afrika berichte, müsse man auch über die Hintergründe und Ursachen der Katastrophen recherchieren.
Apropos 50 Jahre Entwicklungshilfe: Ich fragte Manfred: "Glaubst du wirklich, dass uns die Milliarden einfach so aus humanitären Gründen gegeben werden – ohne eine Gegenleistung, nur weil wir arm sind? Gibt es überhaupt eine Großzügigkeit in der freien Marktwirtschaft, in der Leistung und Profit die wichtigsten Begriffe sind? Manfred sagte zu mir: "Was kann Afrika uns schon geben? Außerdem: afrikanische Länder als 'Nehmerländer' repräsentieren für mich nur 1 Prozent des Weltmarkts."
Das könnte stimmen, aber das Problem liegt für mich irgendwo anders. Mich interessieren die Informationen, die von den Medien an Manfred nicht vermittelt werden. Die Industrieländer inklusive Deutschland "geben" – und gleichzeitig "nehmen" sie bereits seit Jahrhunderten aus Afrika Diamanten, Coltan, Öl und weitere Rohstoffe. Diese sind notwendig für die Industrieländer, um auf der einen Seite weltweit konkurrenzfähig zu bleiben und auf der anderen Seite die etablierte Position in der Weltwirtschaft erhalten zu können. Arbeitsplätze werden in Europa gesichert, subventioniert und dadurch werden wiederum westliche Demokratien konsolidiert. Hinzu kommt, dass die rentablen Kaffeeplantagen uns Afrikanern nicht gehören. Durch die WTO und die Direktinvestitionen werden wir regelrecht ausgeplündert und sind verschuldet im Zuge der Globalisierung.
Ich sagte zu Manfred: "Nigeria ist einer der größten Ölproduzenten der Welt mit über 120 Mio. Einwohnern. Ist zum Beispiel der Ogonie-Führer und Schriftsteller Ken Sarowiwa für dich ein Begriff? Er musste mit mehr als 300 seiner Landsleute für den Öl-Multikonzern Shell sterben. Sind Sékou Touré, Kwame Nkrumah, Patrice Lumumba, Steve Biko, Markus Garvey, Tousaint Louverture oder Thomas Sankara ein Begriff für die deutschen Bürger? Warum werden diese kaum informiert über den Einfluss und die Verantwortung der deutschen Außenpolitik als Akteurin in der EU und der transnationalen Unternehmen in Bezug auf Afrika?
Die "Players"
Die in Afrika aktiven "Global Players" werden von den Medien kaum (kritisch) in Frage gestellt. Da würde es durchaus deutsche Leser und Zuschauer interessieren, warum Entscheidungsträger aus der deutschen Wirtschaft in diesem "hoffnungslosen Afrika" vor Ort sind
Die Zeit nach der Apartheid-Ära wurde reichlich in den deutschen Medien behandelt. Fast alles, was in Südafrika geschieht, findet in Deutschland ein Echo. Die Berichterstattung über diesen Teil Afrikas oder allgemein den Süden und Süd-Ostafrika ist von besonderer Qualität – fast wie die Innenpolitik Deutschlands oder Europas. Warum? Die Industrieländer besitzen und beherrschen die Massenmedien sowie die Kommunikationsmittel in der Welt. Die Zahlen sprechen für sich:
Zeitungen – Westen (Europa mit Russland und USA) 55,3 Prozent gegenüber 1,75 Prozent für das gesamte Afrika.
Rundfunkstationen – 74 Prozent gegenüber 4 Prozent für Afrika.
Fernsehstationen – 68 Prozent gegenüber 1,5 Prozent.
Vier große Presseagenturen haben das Monopol über den Informationsverkehr in der Welt: AFP (Agence France Presse), Reuter, AP (American Press) und UPI (United Press International). Dagegen hat Afrika keine Chance, um sein Image außerhalb des Kontinents selbst gestalten zu können.
Wenn Afrika für meinen Nachbarn Manfred "ein hoffnungsloser Fall" ist und Hans-Olaf Henkel, der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, nicht weiß, was man für Afrika machen könne
Aufgrund seiner kolonialen Vergangenheit hat Europa eine "historische Verantwortung" für den Kontinent. Europäische Afrika-Diskussionen sind oftmals noch immer von Eurozentrismus und Paternalismus geprägt. Joschka Fischer meint: "Dies müssen wir endgültig hinter uns lassen." Er will die deutsche Afrika-Politik entscheidend verändern: "Sie braucht eine neue Grundlage. Die Präsenz muss ernsthaft sein", erklärt der deutsche Außenminister. Joschka Fischer sprach von "einer Partnerschaft, die nicht mehr im Zeichen der kolonialen Geschichte und einseitiger Entwicklungshilfe, sondern im Zeichen der gemeinsamen Bewältigung unserer Zukunftsfragen" stehen wird.
Der Ausblick
Eine Zusammenarbeit, ein Netzwerk zwischen Journalisten aus Afrika und Deutschland wünsche ich mir, da wir u.a. die Technik, die Kenntnisse und die Erfahrung unserer europäischen Kolleginnen und Kollegen benötigen, um die Demokratie in Afrika zu verwirklichen. Darum wollen wir mit unserem Verein in diesem Jahrhundert eine neue Art von Nord-Süd-Dialog mit unseren deutschen Kollegen starten. Es wäre durchaus sinnvoll, wenn die deutschen Medien die Entwicklungspolitik in Afrika begleiten und für die Steuerzahler in Deutschland unter die Lupe nehmen würden. Wir hätten gerne, dass sie sich Afrika gegenüber nicht nur kritisch äußern, sondern auch diejenigen zu Wort kommen lassen, die sich für das Gemeinwohl engagieren wie z.B. der neue Präsident der Elfenbeinküste.
Was mein Nachbar über Afrika zu wissen behauptet, erzählte er mit einer Überzeugungskraft, die ich nie vergessen werde. Das Problem dabei war, dass mein Versuch, einige seiner Behauptungen zu korrigieren, erfolglos blieb. Hinzu kommt, dass ich zahlreiche Auseinandersetzungen dieser Art nicht nur mit Nachbarn wie ihm gehabt hatte, sondern auch mit Bundesministern, Senatoren, Managern und Professoren, die noch nie in Afrika gewesen waren. Viele wurden beim Thema Afrika von den Medien einfach so "erzogen" und konditioniert. Warum arbeiten die deutschen Kolleginnen und Kollegen nicht mit afrikanischen Journalisten zusammen? Das haben wir uns immer gewünscht. "The African Courier", "Afrika Positive" oder "Afrique Souveraine" werden hier in Deutschland herausgegeben. Die afrikanischen Journalisten in Deutschland warten nur darauf, mit ihren deutschen Kollegen zusammenzuarbeiten. Wo liegt das Problem?