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Abschnitt I – Rechte und Freiheiten | Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten | bpb.de

Europäische Menschenrechtskonvention Einleitung Artikel 1 Abschnitt I – Rechte und Freiheiten Abschnitt II – Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Abschnitt III – Verschiedene Bestimmungen Zusatzprotokoll Protokoll Nr. 4 Protokoll Nr. 6 Protokoll Nr. 7 Protokoll Nr. 12 Protokoll Nr. 13

Abschnitt I – Rechte und Freiheiten

/ 8 Minuten zu lesen

Artikel 2

[Recht auf Leben*]

  1. Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich ge­schützt. Niemand darf ab­sichtlich getötet werden, außer durch Vollstreckung eines Todesurteils, das ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist.

  2. Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Ge­waltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um

    1. jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;

    2. jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;

    3. einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen.

Artikel 3

[Verbot der Folter*]

Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Artikel 4

[Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit*]

  1. Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.

  2. Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.

  3. Nicht als Zwangs- oder Pflichtarbeit im Sinne dieses Artikels gilt

    1. eine Arbeit, die üblicherweise von einer Person verlangt wird, der unter den Vor­aussetzungen des Artikels 5 die Freiheit entzogen oder die bedingt entlassen worden ist;

    2. eine Dienstleistung militärischer Art oder eine Dienstleistung, die an die Stelle des im Rahmen der Wehrpflicht zu leistenden Dienstes tritt, in Ländern, wo die Dienst­verweigerung aus Gewissensgründen anerkannt ist;

    3. eine Dienstleistung, die verlangt wird, wenn Notstände oder Katastrophen das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen;

    4. eine Arbeit oder Dienstleistung, die zu den üblichen Bür­gerpflichten gehört.

Artikel 5

[Recht auf Freiheit und Sicherheit*]

  1. Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicher­heit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzo­gen werden:

    1. rechtmäßiger Freiheitsentzug [1] nach Verurteilung durch ein zuständiges Ge­richt;

    2. rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentzug [2] wegen Nichtbefolgung einer rechtmäßigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Ver­pflichtung;

    3. rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentzug [2] zur Vorfüh­rung vor die zustän­dige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, daß die betreffende Person eine Straftat be­gangen hat, oder wenn begründeter Anlaß zu der Annah­me be­steht, daß es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;

    4. rechtmäßiger Freiheitsentzug [1] bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Er­ziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;

    5. rechtmäßiger Freiheitsentzug [1] mit dem Ziel, eine Ver­breitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rausch­giftsüchtigen und Landstreichern;

    6. rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentzug [2] zur Verhinderung der unerlaub­ten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Ausliefe­rungs­ver­fahren im Gange ist.

  2. Jeder festgenommenen Person muß unverzüglich in einer ihr verständ­lichen Sprache mitgeteilt werden, welches die Gründe für ihre Festnahme sind und welche Beschuldigun­gen gegen sie erhoben werden.

  3. Jede Person, die nach Absatz 1 Buchstabe c von Festnahme oder Freiheitsentzug [2] betroffen ist, muß unverzüglich einem Rich­ter oder einer anderen gesetzlich zur Wahrnehmung richterlicher Auf­gaben ermächtigten Person vorgeführt werden; sie hat Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist oder auf Entlassung während des Verfahrens. Die Entlassung kann von der Leistung einer Sicherheit für das Erscheinen vor Gericht abhän­gig gemacht werden.

  4. Jede Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, hat das Recht zu beantragen, daß ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmäßigkeit des Frei­heits­entzugs [3] ent­scheidet und ihre Ent­lassung anordnet, wenn der Freiheitsentzug [4] nicht rechtmä­ßig ist.

  5. Jede Person, die unter Verletzung dieses Artikels von Festnahme oder Freiheits­ent­zug [2] betroffen ist, hat Anspruch auf Scha­denser­satz.

Artikel 6

[Recht auf ein faires Verfahren*]

  1. Jede Person hat ein Recht darauf, daß über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivil­rechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene straf­rechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhen­den Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muß öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens aus­geschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationa­len Sicher­heit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Ju­gendli­chen oder der Schutz des Privatlebens der Prozeß­parteien es verlangen oder -soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Um­ständen eine öffentliche Verhandlung die In­teressen der Rechts­pflege beeinträchtigen würde.

  2. Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.

  3. Jede angeklagte Person hat mindestens folgende Rechte:

    1. innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Ein­zelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrich­tet zu werden;

    2. ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;

    3. sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidi­ger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erfor­der­lich ist;

    4. Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu las­sen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwir­ken, wie sie für Bela­stungszeugen gelten;

    5. unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.

Artikel 7

[Keine Strafe ohne Gesetz*]

  1. Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verur­teilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden.

  2. Dieser Artikel schließt nicht aus, daß jemand wegen einer Handlung oder Unter­­lassung verurteilt oder bestraft wird, die zur Zeit ihrer Begehung nach den von den zivili­sierten Völkern anerkannten allgemeinen Rechts­grundsätzen strafbar war.

Artikel 8

[Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens*]

  1. Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Famili­enlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

  2. Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur ein­greifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokra­tischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öf­fentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Auf­rechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straf­taten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.

Artikel 9

[Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit*]

  1. Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religi­onsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Re­ligion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Reli­gion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit ande­ren öf­fentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen.

  2. Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu beken­nen, darf nur Einschrän­kungen unterwor­fen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rech­te und Freiheiten anderer.

Artikel 10

[Freiheit der Meinungsäußerung*]

  1. Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, In­formationen und Ideen ohne behördliche Ein­griffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Die­ser Artikel hindert die Staaten nicht, für Radio- [5], Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.

  2. Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Ver­antwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Straf­drohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Ge­sell­schaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territo­riale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Strafta­ten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhin­derung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung.

Artikel 11

[Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit*]

  1. Jede Person hat das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten.

  2. Die Ausübung dieser Rechte darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die ge­setzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Ver­hü­tung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Dieser Artikel steht rechtmäßigen Einschränkungen der Ausübung dieser Rechte für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei oder der Staats­verwaltung nicht entgegen.

Artikel 12

[Recht auf Eheschließung*]

Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.

Artikel 13

[Recht auf wirksame Beschwerde*]

Jede Person, die in ihren in dieser Konvention anerkannten Rech­ten oder Freiheiten verletzt worden ist, hat das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Be­schwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.

Artikel 14

[Diskriminierungsverbot*]

Der Genuß der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Frei­heiten ist ohne Dis­kriminierung insbesondere wegen des Ge­schlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Min­derheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu ge­währleisten.

Artikel 15

[Abweichen im Notstandsfall*]

  1. Wird das Leben der Nation durch Krieg oder einen anderen öffentlichen Notstand bedroht, so kann jede Hohe Ver­trags­partei Maßnahmen treffen, die von den in dieser Konven­tion vor­gesehenen Verpflichtungen abweichen, jedoch nur, soweit es die Lage unbedingt erfordert und wenn die Maßnahmen nicht im Wider­spruch zu den sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Ver­tragspartei stehen.

  2. Aufgrund des Absatzes 1 darf von Artikel 2 nur bei Todes­fällen infolge rechtmäßiger Kriegshandlungen und von Artikel 3, Artikel 4 (Absatz 1) und Artikel 7 in keinem Fall abgewichen werden.

  3. Jede Hohe Vertragspartei, die dieses Recht auf Abweichung aus­übt, unterrichtet den Generalsekretär des Europarats umfas­send über die getroffenen Maßnahmen und deren Gründe. Sie unter­richtet den Generalsekretär des Europarats auch über den Zeitpunkt, zu dem diese Maßnahmen außer Kraft getreten sind und die Konvention wieder volle Anwendung findet.

Artikel 16

[Beschränkungen der politischen Tätigkeit ausländischer Personen*]

Die Artikel 10, 11 und 14 sind nicht so auszulegen, als unter­sagten sie den Hohen Ver­tragsparteien, die politische Tätigkeit ausländischer Personen zu beschränken.

Artikel 17

[Verbot des Missbrauchs der Rechte*]

Diese Konvention ist nicht so auszulegen, als begründe sie für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht, eine Tä­tigkeit auszuüben oder eine Handlung vor­zunehmen, die darauf abzielt, die in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten abzuschaffen oder sie stärker einzuschränken, als es in der Konvention vorgesehen ist.

Artikel 18

[Begrenzung der Rechtseinschränkungen*]

Die nach dieser Konvention zulässigen Einschränkungen der genannten Rechte und Freiheiten dürfen nur zu den vorgesehenen Zwecken erfolgen.


Anmerkungen


* Überschrift hinzugefügt in Übereinstimmung mit Protokoll Nr. 11 (SEV Nr. 155). [1] D: rechtmäßige Freiheitsentziehung
[2] D: Freiheitsentziehung
[3] D: der Freiheitsentziehung
[4] D: die Freiheitsentziehung
[5] A, D: Hörfunk-


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Fussnoten

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