Eine Nachricht aus Amerika verwirrte vergangene Woche deutsche Journalisten und Bürger in Dortmund: Ein Mob von 1000 Männern habe in der Silvesternacht eine Kirche in der Innenstadt beschossen und in Brand gesetzt. Hinter dieser Fakenews steckte das amerikanische Portal Breitbart.com. Im Netz zog die Nachricht eine Welle rechtspopulistischer Hetze nach sich. Wir sprachen mit Peter Bandermann, Lokalredakteur der Ruhr Nachrichten, der die Geschehnisse in der Dortmunder Silvesternacht dokumentierte und selbst zum Ziel eines Shitstorms wurde.
Herr Bandermann, Sie bekommen Fotos mit Galgen zugeschickt und werden auf Ihrem Twitteraccount beschimpft. Was ist los in Dortmund?
Momentan wird im Netz gepöbelt und geschimpft, was das Zeug hält. Alle, die sich dort ausbreiten, sind auf die Fakenews vom Silvester-Wochenende in Dortmund reingefallen. Auf meinem eigenen Twitteraccount antworte ich entweder gar nicht auf die Kommentare oder ironisch. Ich sehe Twitter als öffentliche Plattform, deswegen lösche ich in der Regel nichts.
Sind das schon die ersten Symptome unseres postfaktischen Zeitalters?
Definitiv. Und die Situation wird sich noch verschärfen. Denn hinter Breitbart steckt Donald Trumps Propagandaplattform, die im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf bewiesen hat, wozu sie im Stande ist. In Kürze möchte sie auch in Deutschland starten. Breitbart hat jetzt über die – wenn auch größtenteils kritischen Berichte deutscher Medien – seinen Namen groß rausbringen können.
Was ist in der Silvesternacht in Dortmund wirklich passiert?
An Silvester hat in Dortmund nun wahrlich kein Kindergeburtstag stattgefunden. Vom frühen Abend bis in die Nacht zogen überwiegend junge ausländische Männer in großen und kleinen Gruppen durch die Innenstadt. Am Platz von Leeds bildeten sie eine große Gruppe, bestehend aus mindestens 1000 Menschen. Pyrotechnik wurde in die Menschenmenge und auf Polizisten geschossen. Außerdem musste die Feuerwehr ein brennendes Bauzaun-Fangnetz an der Reinoldikirche löschen.
Sie haben dann in den Ruhr Nachrichten über diese Vorkommnisse berichtet. Wie konnte Breitbart die Fakten verdrehen?
In der Silvesternacht wurde schon nach Mitternacht auf Twitter nachgefragt, was in der Dortmunder Innenstadt los sei. Breitbart hat mitgelesen und dann, ebenso wie der Wochenblick aus Österreich, eine Nachricht konstruiert, die im journalistischen Schreibstil veröffentlicht wurde.
Jetzt wirft Breitbart den Ruhr Nachrichten vor, sie hätten die Recherche des Nachrichtenportals nicht unterstützt. Gab es denn überhaupt Anfragen aus Amerika?
Mit mir persönlich hat kein Reporter im Auftrag von Breitbart gesprochen, um zu fragen, was hier los gewesen sei. Ich habe sogar bei der Dortmunder Feuerwehr nachgefragt, da hat auch niemand angerufen, um sich den Einsatz an der Reinoldikirche beschreiben zu lassen.Möglicherweise wäre man dann auf die wirklichen Fakten gestoßen. Deswegen hat man diesen Anruf unterlassen.
Sie sehen in den Fakenews eine gezielte Strategie Breitbarts, um sich in Deutschland als Online-Nachrichtenmagazin zu etablieren und entsprechenden politischen Einfluss zu nehmen?
Ja, das ist eine Taktik. Breitbart stellt die Integrität deutscher Medien in Frage und spricht ganz klar ein rechtspopulistisches Publikum an. Das ist Kalkül, man will hier Marktanteile abgreifen. Und wenn das das Ziel ist, kann man nur so arbeiten. Mit seriösem Journalismus kommt man an dieses Zielpublikum nicht heran, die wollen ihr Weltbild sehen. Aber das Tragische ist doch, dass die Nachrichtenkonsumenten da draußen langsam nicht mehr zwischen diesen Propagandaplattformen und gutem Journalismus, der im Sinne der Pressefreiheit recherchiert, unterscheiden können. Beispielsweise haben jetzt schon Bundestagsabgeordnete die Fakenews von Breitbart für eine Pressemitteilung benutzt.
Wie gehen Sie bei den Ruhr Nachrichten mit so einer Verzerrung ihrer Berichterstattung um, gibt es eine Art Krisenmanagement?
Wir haben die ganz klare Linie, dass wir uns von Pöblern im Netz und Rechtspopoulisten nicht unter Druck setzen lassen. Auch wenn es im Netz noch so stürmt, nehmen wir uns die Zeit, die Wahrheit herauszufinden. Da kommt es uns auf eine Stunde, einen Tag oder sogar eine Woche nicht an. Einen Masterplan haben wir nicht, aber als Zeitungsredaktion und Onlineteam sind wir im Umgang mit extremen Nachrichten sehr erfahren.
Das kommunizieren Sie auch so an die Leser?
Ja. Denn gegen diese Fakenews kommt man ja nur mit einem Mittel an: Indem man Fakten sprechen lässt. Auf den Kleinkrieg lassen wir uns nicht ein. Wir haben mehrere Erklärstücke und Follow-ups gebracht, die genau beschreiben, was passiert ist und auch nochmal erklären, was Fakenews eigentlich sind. Auch wenn der Glaube an die Medien gerade einmal wieder extrem bedroht wird, denke ich, dass die deutschen Medien immer noch ein großes Vertrauen bei ihrem Kernpublikum genießen. Bei uns in der Redaktion wurde außerdem von vielen Medien angerufen, um zu fragen, was wirklich passiert ist – das ist auch eine Chance, zu zeigen, dass wir diesen Portalen auch etwas entgegenzusetzen haben.