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Einführung: Debatte um eine Organspende-Reform | Organspende-Reform: Freiwillige Entscheidung oder gesellschaftliche Pflicht? | bpb.de

Einführung: Debatte um eine Organspende-Reform

ND-Redaktion Josefine Schummeck

/ 5 Minuten zu lesen

84 Prozent der Deutschen sind der Organspende gegenüber positiv eingestellt. Und doch gab es in den letzten Jahren zu wenig Spenden – warum? Ein Blick auf die Situation und Debatten um die Organspende in Deutschland

In Deutschland gibt es zu wenig Organspenden trotz hoher Spendenbereitschaft. (Photo by Marlon Lara on Unsplash) Lizenz: cc publicdomain/zero/1.0/deed.de

2018 ist die Zahl der Organspenden erstmals seit 2015 wieder gestiegen. Laut der Externer Link: Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) wurden 2018 bei 955 Menschen die Organe nach dem Tod entnommen, im Jahr zuvor waren es noch 797. Doch das ist nicht genug: Laut DSO stehen in Deutschland derzeit Externer Link: rund 10.000 Patient/-innen auf der Warteliste, die meisten davon brauchen dringend eine neue Niere. Der Bundestag diskutierte daher im November 2018 eine Reform des Externer Link: Transplantationsgesetzes (TPG) und aktuell über eine mögliche Widerspruchslösung bei der Organspende. Das Ziel: Mehr Menschen sollen sich bereit erklären, ihre Organe im Todesfall zu spenden.

Derzeit gilt in Deutschland die Entscheidungslösung. Das bedeutet: Nur wer sich bewusst im Laufe des Lebens dafür entscheidet, spendet. Die Zustimmung erfolgt über den Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung. Prüfung und Ablauf einer Spende wird in Deutschland seit 1997 durch das Externer Link: Transplantationsgesetz (TPG) geregelt. Demnach gilt: Vor dem eigenen Tod können nicht regenerierungsfähige Organe wie die Niere oder Teile der Leber nur an Verwandte, Ehegatten, Lebenspartner/-innen oder enge Freundinnen und Freunde gespendet werden. Solange der Spender oder die Spenderin volljährig ist und eingewilligt hat, spielt das Alter der Spender/-innen keine Rolle, der Externer Link: Gesundheitszustand, bestimmte Infektionskrankheiten oder eine Krebserkrankung hingegen schon. Voraussetzung für eine Spende nach dem Tod ist neben der vorherigen Einwilligung die Feststellung des Hirntodes. Dieser muss durch zwei voneinander unabhängigen Ärzten oder Ärztinnen diagnostiziert werden. Anschließend sind wieder andere Ärzte und Ärztinnen für die Organentnahme zuständig und entscheiden, ob die Organe überhaupt transplantationsfähig sind oder nicht. Externer Link: Transport und Vermittlung der Organe regelt die Organisation Eurotransplant, die für acht europäische Länder die Organtransplantation koordiniert und dabei eng mit den Transplantationszentren, Laboratorien und Krankenhäusern zusammenarbeitet. Sie führt eine zentrale Warteliste und ein Spender/-innen-Meldesystem. So kann es sein, dass ein Mensch in Deutschland durch ein Organ aus den Benelux-Ländern, Österreich, Slowenien, Kroatien oder Ungarn gerettet wird. Aktuell erhält Deutschland mehr Organe von Eurotransplant als es dem System zur Verfügung stellt.

Die Situation in Deutschland ist paradox: Die Zahl der Menschen mit Organspendeausweis ist von 25 Prozent im Jahr 2010 auf Externer Link: 36 Prozent im Jahr 2018 gestiegen, ebenso hat die in Umfragen bekundete Spendenbereitschaft in diesem Zeitraum um fünf Prozentpunkte zugenommen. Doch gleichzeitig werden immer weniger Organe tatsächlich gespendet. Wie kann das sein? Dafür werden drei Gründe genannt:

  1. Die deutsche Entscheidungslösung führe dazu, dass viele Menschen der Organspende zwar grundsätzlich positiv gegenüberstehen und das in Umfragen bekunden, sich aber keine konkreten Gedanken machen, was nach ihrem Tod mit ihren Organen passiert und zum Beispiel trotz Spendenbereitschaft keinen Organspendeausweis besitzen.


  2. 2012 wurde der Externer Link: größte Organspende-Skandal in der Geschichte der Bundesrepublik aufgedeckt: In Göttingen, Regensburg, München und Leipzig haben Mediziner/-innen Krankenakten gefälscht, um ausgewählte Patientinnen und Patienten bevorzugt mit Spenderorganen zu versorgen. Der Skandal sorgte für viel öffentliche Empörung, in den Folgejahren sanken die Spender/-innenzahlen. Um Vorfälle wie diese in Zukunft zu verhindern, wurde im Jahr 2012 eine Überwachungskommission und eine Prüfungskommission von Vertreterinnen und Vertretern der Bundesärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband der Krankenkasse gegründet. Die Kommissionen überprüfen seither, ob sich die deutschen Transplantationszentren an die Richtlinien bei der Vermittlung von Spenderorganen und der Organisation der Wartelisten halten.


  3. Externer Link: Organspenden waren für die Entnahmekliniken bislang ein Minusgeschäft

    . Denn der Pauschalbetrag, den die Krankenkassen an die Krankenhäuser zahlen, deckt laut diesen nur die Operation ab, nicht aber die vorherige Versorgung der Patient/-innen auf der Intensivstation. Zudem haben die Transplantationsbeauftragen der Krankenhäuser im Alltagsgeschäft kaum Zeit für ihre Aufgabe. Deswegen würden Externer Link: viele Kliniken nicht alle potentiellen Organspender/-innen melden.

In einem ersten Schritt verabschiedete der Bundestag im Februar 2019 ein Externer Link: Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO), dass die Situation in den Entnahmekrankenhäusern verbessern soll. Diesen werden unter anderem mehr Mittel für den gesamten Prozess der Organspende bereitgestellt. Die Transplantationsbeauftragten werden freigestellt und erhalten mehr Befugnisse, auch dafür werden die Krankenhäuser finanziell entlastet. Mithilfe eines neuen Rufbereitschaftsdienstes sollen kleinere Entnahmekrankenhäuser schneller auf qualifizierte Ärztinnen und Ärzte zurückgreifen können. Zudem soll ein neues flächendeckendes Berichtssystem bei der Spendererkennung und -meldung helfen.

Anfang April legten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, Dr. Georg Nüßlein (CSU) und Dr. Petra Sitte (LINKE) einen Externer Link: Gesetzentwurf für eine doppelte Widerspruchslösung bei der Organspende vor. Die Widerspruchslösung ist die Externer Link: am meisten verbreitete Organspenderegelung in Europa und gilt zum Beispiel in Frankreich, Spanien, Österreich und Polen und 13 weiteren europäischen Ländern. Die Grundidee der Widerspruchslösung und des Entwurfs: Wer zu Lebzeiten nicht widerspricht oder einen anderen der Organ- oder Gewebespende entgegenstehenden Willen äußert, ist automatisch Spender/-in. Anders als bei der bisherigen Entscheidungslösung sollen alle Personen ab 16 Jahren – nachdem sie ausführlich informiert wurden – als Spender/-innen registriert werden. Bei Widerspruch oder anders lautenden Willen soll dieser in einem bundesweiten Register dokumentiert werden, in dem auch die Organspender/-innen registriert sind. Betroffene können jederzeit ohne Angaben von Gründen die Änderung oder Löschung ihres Eintrags beantragen. Ziel des Gesetzentwurfs und der Widerspruchslösung ist es auch, die nächsten Angehörigen von möglichen Organ- oder Gewebespendern zu entlasten. Diese sollen künftig nur noch vor der Organentnahme befragt werden, ob ein schriftlicher Widerspruch vorliegt.

Auch die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock formulierte in Zusammenarbeit mit weiteren Bundestagesabgeordneten aller Fraktionen (außer AfD) Anfang Mai einen Externer Link: Gesetzesentwurf zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende vor. Ziel des Entwurfes ist, dass sich mehr Menschen mit der Frage der Organ- und Gewebespende auseinandersetzen. Dazu wird die Einrichtung eines zentralen Online-Registers vorgeschlagen, bei dem Bürgerinnen und Bürger ihre Entscheidung über eine Organspende einreichen und möglichst einfach dokumentieren können. Zudem sollen die Ausweisstellen des Bundes und der Länder unabhängige Informationen über die Organspende zur Verfügung stellen. Die Bürger/-innen sollen beim Abholen jedes neuen Personalausweises oder Reisepasses befragt werden, wie sie zur Organspende stehen. Auch Hausärztinnen und Hausärzte sollen stärker in die Aufklärung über Organspende einbezogen werden und ihre Patientinnen und Patienten zur Registrierung im Online-Register beraten. Laut Gesetzentwurf sollen die Ärztinnen und Ärtzen ihre Patientinnen und Patienten zwar ermutigen, die Beratung hat allerdings ergebnissoffen zu erfolgen.

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