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"Gemeinsam gegen Hass im Netz!" – mit dieser Devise startete Bundesjustizminister Heiko Maas vor zwei Jahren eine Initiative gegen Hate Speech in sozialen Netzwerken. Das war ein wichtiger und richtiger Schritt. Die Politik wollte nicht länger zusehen, wie Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, körperlichen Einschränkungen oder Religion angegriffen werden. Ob in Kommentaren, Bildern oder Videos – im Netz wimmelt es von Inhalten, die Diskriminierung fördern, rechtfertigen oder dazu anstiften.
Hate Speech vergiftet nicht nur die Kommunikation im Netz
Seit 2015, als besonders viele Asylbewerber nach Deutschland kamen, hat der Hass im Netz stark zugenommen. Verbaler Hass auf Facebook korreliert mit der Anzahl an körperlichen Angriffen auf Flüchtlinge, berichtete die britische Zeitung "The Economist" kürzlich. Verbaler Hass ist zum Teil strafbar, etwa im Falle von Volksverhetzung, Bedrohung oder Beleidigung. Cybermobbing zerstört die Kommunikation im Netz, doch dabei bleibt es oft nicht. Egal ob nun strafbar oder in der Grauzone der Meinungsfreiheit: Hate Speech kann laut Forschung schlimme Folgen haben, psychisch und unter Umständen sogar physisch. Betroffene sollen etwa unter Kopfschmerzen und erhöhtem Blutdruck leiden. Auch Aggressivität, Angstzustände und Suizid sind möglich. Das Schlimmste daran ist: Hate Speech wird ganz gezielt als verbale Waffe eingesetzt. Etwa um Aktivisten einzuschüchtern, um Gleichgesinnte zu finden oder schlichtweg, um Hass und Hetze in der Gesellschaft zu verbreiten.
Kritiker sind Sturm gelaufen gegen dieses Gesetz
Die Initiative gegen Hass im Netz hat nun das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (kurz: NetzDG) hervorgebracht. Es besagt, dass die großen sozialen Netzwerke – etwa Youtube, Facebook und Twitter – strafbare Inhalte nach Meldung einzelner Nutzer prüfen und gegebenenfalls löschen müssen, offensichtlich Rechtswidriges innerhalb von 24 Stunden, andere zweifelhafte Beiträge innerhalb einer Woche. Andernfalls drohen hohe Geldstrafen. Kritiker sind Sturm gelaufen gegen dieses Gesetz. Sie haben Angst, dass die sozialen Netzwerke nicht ordentlich prüfen und im Zweifel mehr löschen, als sie müssten. Oder dass rechtspopulistische Akteure das Meldesystem missbrauchen, um legale Inhalte von politischen Gegnern löschen zu lassen. Sie kritisieren auch, dass das Gesetz darauf ausgelegt ist, Hassbotschaften zu löschen, aber nicht darauf, die Täter strafrechtlich zu verfolgen. Was ist also das Gute an der Sache?
Die sozialen Netzwerke haben das Thema Hass im Netz lange ignoriert. Ordentliche Verfahren, um mit Beschwerden umzugehen, gab es nicht, obwohl Twitter, Facebook und Google sich gegenüber der Bundesregierung selbst dazu verpflichtet hatten. Deshalb überhaupt die staatliche Regelung. Mit dem Gesetzgebungsverfahren hat ein Prozess begonnen, der zu einem Austausch zwischen den Plattformen, Politikern und Betroffenen geführt hat. Der das Problem der Öffentlichkeit bekannt gemacht hat. Und: der zahlreiche Initiativen ins Leben gerufen hat, die rechtspopulistischen Medienprovokationen Kreatives entgegnen. Dazu gehören auch Netzwerke, in denen Menschen sich im Falle von Angriffen gegenseitig unterstützen: wie zum Beispiel die Facebook-Gruppe #Ichbinhier.
Endlich haben Betroffene eine effektive Möglichkeit, sich zu beschweren
Das NetzDG ist sicherlich nicht die Lösung, aber immerhin ein Lösungsansatz, der verbessert werden kann. Der Gesetzgeber muss den Rahmen vorgeben, um gegen Hate Speech vorzugehen. Betroffene haben nun eine Adresse, an die sie sich bei Vorfällen wenden können. Denn bisher haben die Plattformbetreiber nur äußerst zögerlich auf Meldungen und Beschwerden reagiert. In seiner jetzigen Fassung übersieht das NetzDG aber etwas Wichtiges: Es sind nicht nur einzelne Nutzer, die Hass und Hetze im Internet verbreiten, sondern auch die Algorithmen. Die Filtermechanismen der sozialen Netzwerke – der Newsfeed bei Facebook oder die Empfehlungen bei Youtube – verstärken das, was die einzelnen Nutzer schon kennen und mögen. Die sogenannte Filterblase führt dazu, dass Menschen sich gut informiert fühlen, egal wie unvollständig oder falsch die Informationen sind. Und weil sie sich gut informiert fühlen, sind sie motivierter, ihren Überzeugungen gemäß zu handeln. Die Filterblasen führen also zu einer Polarisierung und Radikalisierung der Gesellschaft zu immer mehr Hass und Hetze, an denen das Löschen einzelner Tweets, Posts oder Comments im Zweifelsfall wenig ausrichten kann. Und die den wenigsten bewusst ist. Hier gilt es, Transparenz einzufordern für die Art und Weise, wie die sozialen Netzwerke gesellschaftliche Diskurse beeinflussen. Denn ansonsten droht den Menschen tatsächlich Manipulation und Kontrolle. Sie wissen nur nicht, wer sie da manipuliert und warum.