Die Polizei verhindert und verfolgt Straftaten, wehrt Gefahren ab und sichert Bürgerrechte wie z.B. beim Schutz von Versammlungen. Für diese Aufgaben sind Polizeibeamt/-innen mit besonderen Befugnissen ausgestattet: Die Polizeigesetze der Bundesländer regeln, dass die Polizei Menschen festnehmen, durchsuchen und in bestimmten Fällen auch Gewalt anwenden darf. Die Übertragung dieser Eingriffsrechte auf die Polizei nennt man auch Gewaltmonopol.
In einer Demokratie muss staatliches und damit auch polizeiliches Handeln vor Gericht überprüfbar sein. Die große Mehrheit der deutschen Polizistinnen und Polizisten macht ihre Arbeit gut – es gibt aber immer wieder Einzelfälle, in denen Polizist/-innen ihre Rechte missbrauchen und z.B. unzulässig Gewalt anwenden. Gerade wenn Polizei und Bürger/-innen bei Großdemonstrationen oder Fußballspielen aufeinandertreffen, kommt es zu dynamischen und unübersichtlichen Situationen. Dann sind oft Hundertschaften der Polizei vor Ort, deren Einsatzkräfte – ausgestattet mit Helm, Sturmhaube und Uniform – sich äußerlich kaum voneinander unterscheiden lassen. Wer dann Opfer von Polizeigewalt wird, hat oft keine Chance, den verantwortlichen Polizisten oder die verantwortliche Polzistin zu identifizieren. Nur eine individuelle Kennziffer kann sicherstellen, dass gegen die richtige Person strafrechtlich ermittelt werden kann.
Kennzeichnung schafft Transparenz
Polizist/-innen, die sich an Recht und Gesetz halten, haben nichts zu verbergen: Nur wer tatsächlich rechtswidrig handelt, wird entsprechend verfolgt. Das liegt im Interesse aller übrigen Polizeibeamt/-innen, da sonst die Fehltritte einzelner Kolleg/-innen die gesamte Polizei in ein schlechtes Licht rücken. Mit einer individuellen Kennzeichnung zeigt die Polizei: ihr Handeln ist transparent, nachvollziehbar und zurechenbar – Aufklärung wird nicht gefürchtet. Wer in einer individuellen Kennzeichnungspflicht ein Misstrauensvotum oder gar einen Generalverdacht gegenüber der Polizei sieht, liegt falsch: Das Recht auf eine unabhängige, effektive Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen ist ein Menschenrecht. Die UN-Antifolter-Konvention schreibt in Art. 4 und 5 ausdrücklich vor, dass Misshandlungsvorwürfe strafrechtlich aufgearbeitet werden müssen. Strafrechtliche Ermittlungen setzen aber zwangsläufig voraus, dass die Vorwürfe einzelnen Personen zugerechnet werden können. Erst im November 2017 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dass deutsche Behörden bei den Ermittlungen eines Falls von Polizeigewalt nach einem Fußballspiel in München Menschenrechte verletzt hatten: Das Gericht rügte, dass der unverhältnismäßige Schlagstockeinsatz gegen den Kopf eines Fußballfans mangels individueller Kennzeichnung keinem Polizisten zugeordnet werden konnte.
In anderen Ländern ist sie längst Pflicht
Dass Transparenz und Identifizierbarkeit bei der Polizei international eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit sind, zeigt sich daran, dass z.B. Spanien, Estland, Litauen und Großbritannien eine solche Kennzeichnungspflicht seit Jahren praktizieren. In Deutschland liegt die Zuständigkeit für die Polizei bei den einzelnen Bundesländern. Anfang 2018 tragen Polizisten und Polizistinnen in den neun Ländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen eine individuelle Nummer auf der Uniform. Für die sieben anderen Bundesländern und die Bundespolizei wird es höchste Zeit, die individuelle Nummer auf der Uniform verpflichtend einzuführen.
Die Erfahrung der Bundesländer mit einer Kennzeichnungspflicht zeigt: Es gibt keine Hinweise darauf, dass anonyme Kennziffern auf der Uniform Einsatzkräfte gefährden. So wurde in Berlin, wo seit 2012 eine Kennzeichnungspflicht gilt, kein einziger negativer Vorfall gemeldet. Die Regierung Brandenburgs, wo CDU und SPD 2013 eine Kennzeichnung einführten, zog 2015 eine positive Bilanz: Die Kennzeichnungspflicht habe sich als vertrauensbildende Maßnahme und als Stärkung des Rechtsstaates bewährt.