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Mit Sicherheit profitabel: Das Geschäft mit der Angst

Andrea Schneiker

/ 3 Minuten zu lesen

Egal ob Einkaufszentren, Flughäfen, Flüchtlingsunterkünfte oder Großveranstaltungen: Immer mehr Schutzaufgaben werden von privaten Sicherheitsfirmen übernommen. Zwar ist die Privatisierung von Sicherheit in Deutschland noch nicht so umfassend erfolgt wie in den USA oder Großbritannien, doch auch hierzulande schreitet diese Entwicklung immer weiter voran.

Sicherheitskräfte (CC, Security von John Loo Shop ; Externer Link: John Loo)

Nach Angaben des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW), einem Arbeitgeberverband der deutschen gewerblichen Sicherheitsfirmen, gab es in Deutschland im Jahr 2015 ungefähr 5000 Sicherheitsunternehmen mit über 250.000 Mitarbeitern und einem geschätzten Jahresumsatz von fast 7 Milliarden Euro. Der Umsatz ist über die letzten Jahre stetig gestiegen.

Mit privaten Sicherheitsdienstleistungen lässt sich also Geld verdienen. Entsprechend profitieren private Sicherheitsunternehmen von Unsicherheit, egal ob diese objektiv vorhanden ist oder subjektiv empfunden wird. Private Sicherheitsfirmen führen nicht selten selbst Analysen der Sicherheitslage durch und identifizieren dabei Sicherheitsrisiken für potentielle Kunden. Die passenden Sicherheitsdienstleistungen können sie dann gleich im Anschluss verkaufen, um ihre Kunden vor den prognostizierten Risiken zu schützen.

So betrachtet ist Sicherheit eine Ware. Diese kann der Allgemeinheit zugutekommen, zum Beispiel wenn private Sicherheitsfirmen in Einkaufszentren oder öffentlichen Verkehrsmitteln Patrouille laufen. Wenn Sicherheit allerdings vor allem jenen gewährleistet wird, die sie sich auch leisten können, dann verstärkt dies die ungleiche Verteilung von Sicherheit. Solche Fälle kennen wir bisher vor allem aus so genannten "gated communities" in Ländern Südamerikas oder Afrikas, wo Wohlhabende ihre Wohnanlagen von privaten Sicherheitsfirmen bewachen lassen und sich so von der Außenwelt abschotten.

Ein blühendes Geschäft

Auch global ist die private Sicherheitsbranche ein wachsender Markt. Im Jahr 2012 schätzte Securitas, eine der weltweit größten Firmen der Branche mit Hauptsitz in Schweden, den Umsatz der privaten Sicherheitsindustrie weltweit auf 90 Milliarden US-Dollar und prognostizierte für die nächsten Jahre ein Wachstum um 7 %. Securitas selbst ist laut Angaben des BDSW in Deutschland das führende Sicherheitsunternehmen und hat weltweit ungefähr 300.000 Angestellte in 53 Ländern. Interessanterweise stammen viele der statistischen Erhebungen in diesem Bereich direkt von den Sicherheitsunternehmen oder werden in ihrem Auftrag produziert.

Auch die Bundeswehr lagert aus

Deutsche Sicherheitsdienstleister spielen auf internationaler Ebene bislang - bis auf wenige Ausnahmen - eine eher untergeordnete Rolle. Im Rahmen von internationalen Militäreinsätzen, z.B. im Irak oder in Afghanistan, sind beispielsweise zahlreiche US-amerikanische und britische Firmen aktiv. Diese schützen dort unter anderem das Personal und die Einrichtungen von Hilfsorganisationen oder von Unternehmen. Sie arbeiten jedoch auch Seite an Seite mit staatlichen Militärs und führen essentielle Aufgaben durch. Sie trainieren zum Beispiel ausländische Sicherheitskräfte oder bedienen Waffensysteme. Auch die Bundeswehr hat in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben an private Sicherheitsfirmen übertragen. In den Einsätzen in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo und in Afghanistan haben Firmen Externer Link: z.B. Aufgaben im Bereich der Logistik, Reparatur und Energieversorgung übernommen.

Lose Strukturen und wenig Kontrolle

Offiziell werden diese Unternehmen nicht beauftragt an Kampfeinsätzen teilzunehmen, aber im Rahmen von militärischen Missionen einiger Länder ist es in der Vergangenheit dazu gekommen, dass sie in Kampfeinsätze verwickelt wurden.

Private Sicherheitsfirmen, die im Rahmen internationaler Missionen tätig werden, sind oft unzureichend kontrolliert und erhalten ihre Verträge teilweise ohne Ausschreibung. Von losen Kontrollstrukturen und intransparenten Vergabeverfahren profitieren vor allem die Sicherheitsfirmen selbst, denn diese Strukturen begünstigen Betrug und Verschwendung, wie z. B. der US-Rechnungshof festgestellt hat. Darüber hinaus begünstigen diese Strukturen Fälle von "Besteuerung" von Zivilisten, Schutzgelderpressung, Entführung, Folter, Diebstahl und Plünderung sowie Drogen- und Waffenschmuggel.

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Andrea Schneiker ist Juniorprofessorin der Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehung in Siegen.