Gut fünf Jahre ist es her, dass große zivilgesellschaftliche Organisationen wie zum Beispiel Oxfam oder die Welthungerhilfe davor gewarnt haben, die Finanzmarktspekulation mit Agrarrohstoffen sei für die starken Preissteigerungen der Jahre 2007/8 sowie 2010/11 verantwortlich. In Deutschland wurden vor allem Indexfonds an den Pranger gestellt, also die Anbieter eines Finanzprodukts, das den Verlauf der Rohstoffpreise möglichst genau nachzeichnet. Ihnen wurde vorgeworfen, dass sie mit ihren Terminmarktgeschäften zahlreiche Menschen in Hunger und Not getrieben hätten. Folgerichtig wurde gefordert, diese Geschäftstätigkeit streng zu regulieren oder gleich ganz zu verbieten.
Mehr Emotion und Phantasie als Empirie
Der Kritik vieler zivilgesellschaftlicher Akteure lag folgende Argumentation zugrunde: Die Finanzspekulation der Indexfonds war exzessiv. Sie ließ das Niveau und die Volatilität, also das Auf und Ab der Preise auf dem Terminmarkt steigen. Dies regte eine verstärkte Lagerhaltung an, die dem Markt Angebotsmengen entzog. Entsprechend stiegen daraufhin die Preise. Die krisenhafte Zuspitzung der Welternährungssituation in den Jahren 2007/8 und 2010/11 wurde demnach nicht primär realwirtschaftlich, sondern finanzwirtschaftlich bewirkt. Es handelte sich also um eine spekulativ verursachte und insofern rein künstliche Verknappung von Lebensmitteln. Nach dieser Logik sind Indexfonds Hungermacher. Ihre Agrarspekulation solle demnach stark eingeschränkt oder gar verboten werden.
Mittlerweile liegen zahlreiche Forschungsergebnisse vor. Sie bestätigen, dass man diesen Alarm als Fehl-Alarm einstufen muss (Einen aktuellen Überblick der Forschungsergebnisse gibt es Externer Link: hier). Der aktuelle Erkenntnisstand der internationalen Forschung geht davon aus, dass die Finanzgeschäfte der Indexfonds nicht exzessiv waren. Ihnen standen mehr als genügend Tauschpartner gegenüber. Tatsächlich fand die Ausweitung ihres Geschäftsvolumens statt, lange bevor es (aus realwirtschaftlichen Gründen) zu Preissteigerungen kam. Die Lagerhaltungsmengen von Agrarrohstoffen sind im Vorfeld der Krise nicht angestiegen, sondern gesunken und befanden sich auf historisch niedrigem Niveau. Die weltweit steigende Nachfrage hatte die verfügbaren Lagermengen abschmelzen lassen, so dass wetterbedingte Angebotsminderungen nicht mehr abgefedert werden konnten. Der Anstieg der Preise auf dem Kassamarkt für Agrarrohstoffe spiegelte also eine reale Verknappung wider. Die daraus resultierenden Preissteigerungen wurden durch politische Fehler – vor allem durch die Exportdrosselung wichtiger Ausfuhrländer wie beispielsweise Indien oder Russland – weiter verschärft und krisenhaft zugespitzt. Dieses Muster – einschließlich des eklatanten Politikversagens – wiederholte sich in den beiden Krisen kurz hintereinander.
Die Indexfonds sind keine Preistreiber, stattdessen trägt ihr Geschäftsmodell dazu bei, das Auf und Ab der Preise zu glätten. Das liegt vor allem daran, dass Indexfonds den Preistrend lediglich nachzeichnen, anstatt ihn spekulativ vorwegzunehmen. Im Zeitverlauf nehmen sie also ein so genanntes "re-balancing" vor: Sie stoßen teurer gewordene Produkte ab und kaufen billiger gewordene Produkte hinzu. Es scheint, als setze die Skandalisierung der Indexfonds mehr auf Phantasie und Emotion anstatt auf eine gründliche Analyse der verfügbaren Fakten. Die starken Preissteigerungen für Agrarrohstoffe in den Jahren 2007/8 und 2010711 lassen sich sehr gut mit rein realwirtschaftlichen Faktoren und politischen Fehlern erklären.
Indexfonds sind keine Hungermacher
Fazit: Die Ernährungskrisen der Jahre 2007/8 und 2010/11 wurden nicht finanzwirtschaftlich, sondern realwirtschaftlich verursacht. Indexfonds sind also keine Hungermacher. Sie sind noch nicht einmal Spekulanten. Vielmehr verfolgen sie ein ganz eigenständiges (innovatives) Geschäftsmodell, das sie auf dem Terminmarkt für Agrarrohstoffe als Versicherungsanbieter für Preisänderungsrisiken auftreten lässt. Ihre Aktivität ist dem Funktionieren der Agrarmärkte nicht abträglich, sondern zuträglich.