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Das Bedingungslose Grundeinkommen - Drei Modelle | Zukunft der Arbeit | bpb.de

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Das Bedingungslose Grundeinkommen - Drei Modelle

Professor Dr. Ute Fischer

/ 6 Minuten zu lesen

Das Bedingungslose Grundeinkommen wird zurzeit wieder rege diskutiert. Die Schweiz und Finnland wollen es vielleicht testen. Doch Grundeinkommen ist nicht gleich Grundeinkommen: Ute Fischer erklärt die drei meistdiskutierten Modelle in der deutschen Debatte und was sie unterscheidet.

Eines der Modelle schlägt eine deutliche Erhöhung der Mehrwertsteuer vor. Einkommenssteuer und andere Abgaben an die Sozialversicherungssysteme sollen entfallen. (CC, Duty free von Anne Worner Externer Link: Anne Worner) Lizenz: cc by-sa/2.0/de

Das Grundeinkommen erhält jede und jeder ohne Bedingungen, ohne dass ein Bedarf besteht und ohne dass eine Gegenleistung erbracht werden muss. Es wird überwiesen ohne Überprüfung der eigenen Einkommensverhältnisse oder sonstige Nachweise von Aktivitäten. Weder muss man bürgerschaftliches Engagement vorweisen, noch die Pflege von Angehörigen oder Versuche, Arbeit zu finden. Auch Kinder und alte Menschen erhalten es, genauso wie Reiche. Das Grundeinkommen soll so hoch sein, dass der Lebensunterhalt gesichert und soziale Teilhabe möglich ist.

Als Einkommen ohne Vorleistungen und ohne Bedarf stellt es das Gegenteil dar zum Leistungsprinzip des aktuellen Sozialsystems, das eine Grundsicherung von der Arbeitsbereitschaft abhängig macht und im Zweifel auf strenge bürokratische Kontrollen setzt. Dieser Kurswechsel lässt sich mit drei Überzeugungen begründen, auch wenn nicht alle Befürworter es so formulieren würden. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist demnach:

  • gerecht, weil der gegenwärtige Wohlstand auf die Leistungen aller zurückgeht, zum einen der vorangegangenen Generationen, zum anderen auf Tätigkeiten in allen Bereichen auch außerhalb des Arbeitsmarktes. Daher haben alle das gleiche Recht auf einen Anteil daran.

  • sinnvoll, weil es die Freiheit des Einzelnen stärkt und eine neue Kultur der Anerkennung aller gesellschaftlich notwendigen Bereiche schafft. Damit werden wichtige Tätigkeiten außerhalb des Arbeitsmarktes aufgewertet wie die Sorge für Familien oder für das Gemeinwesen, demokratische Teilhabe wird gefördert.

  • machbar, weil bei vorhandener Produktivität hinreichend Wohlstand erzeugt wird, dass es finanzierbar ist. Die Entkopplung von Arbeit und Einkommen entspricht genau der längst eingetretenen Entkopplung von menschlicher Arbeitsleistung und produzierten Werten.

Verschiedene Modelle eines Grundeinkommens

In der Diskussion sind einige Grundsicherungsansätze, die nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen klingen, ihm aber nicht entsprechen. Das Externer Link: Liberale Bürgergeld als Forderung der FDP ist zum Beispiel nicht bedingungslos. Man erhält es nur, wenn eine Bedürftigkeit besteht, weil eigenes Einkommen fehlt oder zu gering ist.

Manche sozialpolitische Initiativen schlagen kein eigenes ausgearbeitetes Modell vor, sondern verstehen sich als Förderer der Idee, die im politischen Entscheidungsprozess ausgestaltet und ausgehandelt werden muss. Hier ist beispielsweise das Externer Link: Netzwerk-Grundeinkommen eine treibende Kraft ebenso wie die Initiative Externer Link: "Freiheit statt Vollbeschäftigung" und viele mehr. Inzwischen liegen aber auch Vorschläge der konkreten Ausgestaltung des BGE vor über die Höhe, den berechtigten Personenkreis, die Art der Finanzierung und weitere Rahmenbedingungen. Hier werden drei Modelle skizziert, die sich in ihren Annahmen und systematischen Begründungen am meisten unterscheiden.

Straubhaar/Althaus: Solidarisches Bürgergeld

Der Ökonom an der Universität Hamburg und frühere Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, und der ehemalige CDU-Politiker und Ministerpräsident in Thüringen, Dieter Althaus, hatten mit dem Solidarischen Bürgergeld eine starke Vereinfachung des Steuer- und Sozialleistungssystems im Sinn (Hohenleitner/Straubhaar 2007; Externer Link: www.solidarisches-bürgergeld.de). Beide Vertreter teilen die Grundannahme, dass die gesellschaftlichen Entwicklungen wie eine älter werdende Bevölkerung und weiterhin bestehende Massenarbeitslosigkeit das Sozialsystem überlasten. Die alternative Lösung sehen sie in einem bedingungslosen Existenzminimum für alle Einwohner des Landes.

Konkret soll Erwachsenen 600 Euro und Kindern 300 Euro bedingungslos und ohne bürokratische Kontrollen monatlich ausgezahlt werden, ergänzt durch eine Gesundheitsgutschrift für die Krankenversicherung von 200 Euro. Der Betrag soll sich finanzieren durch die Erhebung einer Einkommenssteuer von 50 Prozent für Nettoempfänger und 25 Prozent für Nettozahler. Die Grenze zwischen beiden Gruppen kommt dadurch zustande, dass Steuern auf zusätzliches Einkommen direkt mit der Zahlung des Bürgergeldes verrechnet werden und sich an der Transfergrenze aufheben. Dieser Mechanismus wird auch "negative Einkommenssteuer" genannt. Das Modell sieht im Gegenzug eine Abschaffung sämtlicher Sozialleistungen vor wie die gesetzlichen Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung sowie Arbeitslosengeld II, Wohn- und Kindergeld. Bei besonderem Bedarf können individuelle Leistungen beantragt werden wie zum Beispiel Wohnkostenzuschläge. Zudem soll der Arbeitsmarkt vollständig dereguliert werden. So sollen etwa Kündigungsschutz und Flächentarifverträge individuell und betrieblich ausgehandelten Regelungen weichen, Mindestlöhne entfallen.

Es ist ein wirtschaftsfreundlicher Ansatz, der auf die freien Kräfte des Marktes setzt. Er folgt der Vorstellung, dass sozialpolitische Eingriffe die privatwirtschaftliche Produktivität behindern und somit nicht nur den Arbeitgebern, sondern auch den Beschäftigten schaden. Die Mindestsicherung durch das Grundeinkommen ist in diesem Vorschlag der alleinige und finanziell dünne Boden, auf dem sich ein freies, selbstbestimmtes Leben ohne staatliche Bevormundung entfalten soll. Es soll zudem dazu dienen, das Sozialsystem von Kosten zu befreien, Eingriffe des Staates stark zu reduzieren und Bürokratie abzubauen.

Emanzipatorisches Grundeinkommen

Nicht von der gesamten Partei DIE LINKE getragen, aber von der parteiinternen bzw. parteinahen Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen wird das Externer Link: Emanzipatorische Grundeinkommen vorgeschlagen. Es steht hinsichtlich der sozialpolitischen Grundannahmen und Gerechtigkeitsvorstellungen dem Solidarischen Bürgergeld konträr gegenüber. Der deutlichste Unterschied liegt in der Höhe des vorgesehenen Betrags und in den umfangreichen zusätzlichen politischen Eingriffen. Die Höhe des Grundeinkommens ist an das Volkseinkommen, also an die Summe aller Erwerbs- und Vermögenseinkommen eines Jahres, gebunden, das zur Hälfte als Grundeinkommen ausgezahlt werden soll. Im Jahr 2013 hätte das monatlich ausgezahlte Grundeinkommen 1080 Euro für Personen ab 16 Jahren und 540 Euro für Kinder betragen. Für die Finanzierung wird eine Grundeinkommensabgabe verwendet sowie weitreichende Steuererhöhungen bei hohen Einkommen und Vermögen, der Ersatz einiger bisheriger Sozialleistungen (z.B. BaföG, Kinder- und Erziehungsgeld) und Bürokratieabbau. Ebenso wie beim Solidarischen Bürgergeld liegen von den Befürwortern des Konzepts Berechnungen vor, die die prinzipielle Finanzierbarkeit zeigen.

Anders als beim Solidarischen Bürgergeld werden Arbeitslosen-, Pflege-, Kranken- und Rentenversicherungen nicht ersatzlos gestrichen, sondern als solidarische Erwerbslosenversicherung und als solidarische gesetzliche BürgerInnenversicherung umgestaltet. Damit wird der Versicherungsgedanke des heutigen Sozialsystems beibehalten. Er soll im Fall von Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter schützen vor zu starken Einbußen des Lebensstandards, indem in vorheriger Erwerbsarbeit erworbene Ansprüche ausgezahlt werden. Z.B. erhalten arbeitslos Gewordene 60 Prozent der letzten Nettobezüge. Zudem soll in diesem Modell präventive Sozialpolitik fortgesetzt werden, d.h. Investitionen in Bildung und soziale Infrastruktur werden als wichtig erachtet für eine gleichberechtigte Teilhabe an Demokratie und Kultur. Zusätzlich zum Grundeinkommen werden verbesserte Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeitverkürzungen und ein höherer Mindestlohn gefordert. Auf dem Weg starker staatlicher Regulierungen soll gesellschaftliche Teilhabe unterstützt, eine freie Arbeits- und Lebensplanung gesichert und eine Umverteilung von Einkommen erreicht werden. Sozialer Ausgleich und eine Förderung der emanzipatorischen Effekte stehen hier im Zentrum.

Werner: Grundeinkommen und Konsumsteuer

Der Steuerberater Benediktus Hardorp und der Begründer der DM-Drogeriemärkte Götz Werner befürworten das Grundeinkommen aus einer anderen Überlegung. Sie wollen das Steuersystem umgestalten: Nicht Einkommen sollen besteuert werden, sondern Ausgaben, nicht Leistungen wie Erwerbsarbeit und unternehmerische Tätigkeit, sondern der Verbrauch von Gütern, Ressourcen und Dienstleistungen, also der Konsum. Dadurch, so die Idee, wird Arbeit von Kosten befreit und Produktivität nicht mehr gelähmt. 
Wenn auf diese Weise die Konsumsteuer die Einkommenssteuern vollständig ersetzt, entsteht aber ein soziales und ethisches Problem: Bisher schützte der Freibetrag in der Einkommenssteuer das Existenzminimum. Ohne Einkommenssteuer würde dieser staatliche Schutz fehlen und dem Auftrag des Grundgesetzes widersprechen, die Menschenwürde zu sichern. Dafür soll das Grundeinkommen den Ausgleich schaffen: es soll vor Armut bewahren, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und wirklich freie Entscheidungen über Leben und Arbeit ermöglichen.

Werner spricht von einem hohen Grundeinkommen, ohne ein genaues Modell vorzuschlagen. Die häufig genannten 1000 Euro sind als Beispiel zu verstehen (Externer Link: www.unternimm-die-zukunft.de). Die Sozialversicherungen können dadurch ersetzt, andere Sozialleistungen auf besondere Bedarfe reduziert werden. Auch die Erwerbseinkommen können durch ein Grundeinkommen sinken, indem es unter Umständen angerechnet würde, je nachdem wie Arbeitsangebot und -nachfrage und dadurch auch die Verhandlungsmacht verteilt sind. Sozialer Ausgleich und gezielte Umverteilung von Einkommen sind in den Überlegungen Werners nicht vorrangig. Unternehmer zahlen seiner Ansicht nach ohnehin keine Steuern, auch die Tarifautonomie ist nicht im eigentlichen Sinne eine soziale Partnerschaft. Denn Steuern, Sozialabgaben und Gehälter sind aus betriebswirtschaftlicher Perspektive Kosten, die in die Preise eingehen. Insofern bezahlen diese immer die Kunden. Deshalb sei es gerechter und für alle transparenter, wenn das Steuersystem diesem Tatbestand entspricht. Ein weiterer Anstoß für diesen Ansatz des Grundeinkommens ist die Analyse, dass Vollbeschäftigung unrealistisch ist und auch kein sinnvolles Ziel sein kann in einer hochgradig arbeitsteiligen, produktiven Gesellschaft. Alle Formen der Arbeit – ob bezahlt oder außerhalb des Marktes geleistet – fördern das soziale Zusammenleben und stiften Lebenssinn. Da alle Menschen eine Sehnsucht nach Sinn haben, zweifelt Werner auch nicht daran, dass ein Grundeinkommen funktionieren würde.

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Ute Fischer ist Professorin für Politik- und Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Dortmund.