Erinnern Sie sich noch an die 2010 als Externer Link: Mövenpick-Steuer berühmt gewordene Steuerermäßigung für das Hotelgewerbe? Sie wurde nicht deswegen beschlossen, weil man sie für besonders sinnvoll hielt, sondern weil eine kleine Gruppe von Hotelbesitzern eine hartnäckige Lobbyarbeit betrieben hatte, einer Millionenspende vom Miteigentümer der Hotelkette Mövenpick an die FDP inklusive.
Als Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel Externer Link: kürzlich eine Klimaabgabe für besonders schmutzige Braunkohle-Kraftwerke einführen wollte, durfte sich am Ende nicht die Umwelt freuen, sondern die Umweltverschmutzer. Auf Gabriels Vorschlag folgte der Protest verschiedener Interessenvertreter der Energiebranche, die mit Arbeitsplatzverlusten und einem Externer Link: Strukturbruch in den Braunkohleregionen drohten. Mit Erfolg: Anstatt eine Strafabgabe auf ihre Altkraftwerke zahlen zu müssen, erhalten große Stromkonzerne nun sogar Externer Link: eine staatliche Stilllegeprämie in Milliardenhöhe. Vor dem Hintergrund solcher Beispiele ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen den Eindruck bekommen, Politik sei käuflich oder erpressbar.
Ohne Lobby keine Politik?
Ohne Lobbyismus geht es nicht, sagen seine Befürworter. Weil selbst Fachpolitiker nicht alle Details und Zusammenhänge kennen und schon gar nicht die Folgewirkungen ihrer politischen Entscheidungen überblicken, sind sie auf die Beratung von Experten angewiesen, die aus der Wissenschaft, aber häufig auch aus der Wirtschaft kommen.
Und damit sind wir bei der Kernfrage, die sich im Zusammenhang mit Lobbyismus unweigerlich stellt: Wann entsteht ein Schaden für die Gesellschaft, wenn Konzerne oder Verbände zu ihrem Vorteil die Politik "beraten"?
Machen wir uns nichts vor: Unternehmen verfolgen Geschäftsinteressen. Sie wollen, nein müssen Geld verdienen, das ist legitim. Doch zum Schaden für die Gesellschaft kommt es spätestens dann, wenn ökonomische Individualinteressen den Bedürfnissen vieler Bürger und Verbraucher diametral entgegenstehen, man denke zum Beispiel an Externer Link: Fracking oder Externer Link: gentechnisch veränderte Lebensmittel. Oder anders ausgedrückt: Was gut für ein Unternehmen oder eine Branche ist, muss noch lang nicht gut für die meisten Menschen sein.
Einfluss muss man sich leisten können
In einer Demokratie geht die Macht vom Volke aus. Demokratie lebt davon, dass alle Positionen gehört werden und in die Meinungsbildung unserer Politiker einfließen. Tatsächlich jedoch dringen vor allem diejenigen zu den politischen Entscheidungsträgern vor, die sich in Berlin und Brüssel einen ganzen Stab an Lobbyisten leisten können. Wenn man die Externer Link: Listen mit den Gesprächsterminen der Kanzlerin und den Ministern durchgeht, die die Bundesregierung nach parlamentarischen Anfragen der Opposition offenlegen musste, findet man darauf fast ausschließlich Vertreter großer Konzerne und einflussreicher Interessenverbände. Nichtregierungsorganisationen oder mittelständische Unternehmen, die oftmals ganz andere Bedürfnisse haben als Großkonzerne, erhielten dagegen fast nie einen Termin.
Von Befürwortern des Lobbyismus wird gerne in die Debatte eingeworfen, dass natürlich auch Umweltverbände, Verbraucherschutz- oder Menschenrechtsorganisationen Interessenvertreter seien. Das stimmt auch. Aber anders als gewinnorientierte Konzerne verfolgen sie keine ökonomischen Individualinteressen, sondern fühlen sich als Mitgliederorganisationen einem gesellschaftlichen Auftrag verpflichtet. Und im Unterschied zu den Industrielobbyisten praktizieren sie auch keinen diskreten "Hinterzimmer-Lobbyismus”, sondern versuchen fehlende finanzielle Schlagkraft durch öffentlichkeitswirksame Aktionen zu kompensieren.
Lobbyismus muss transparent sein
Das Problem also ist nicht der Lobbyismus an sich, sondern der Lobbyismus im Geheimen. Wenn nicht (oder erst nach langer Zeit) bekannt wird, welche Konzernvertreter mit welchen politischen Entscheidungsträgern worüber sprachen oder ob sie hohe Summen an eine Partei gespendet haben, ist eine wirksame Kontrolle des Parlaments und des Regierungshandelns kaum möglich. Rezepte, wie sich diese Missstände beheben lassen, gibt es viele: etwa durch Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters, schärferer Transparenzregeln bei Parteispenden oder die Bekanntmachung von Lobbyisten, die am Gesetzgebungsprozess mitgewirkt haben ("legislativer Fußabdruck"). Doch die letzten Regierungskoalitionen haben in diesen Punkten wenig bis gar nichts auf die Beine gestellt.
Dass viele Menschen den Eindruck haben, politischen Einfluss könne man kaufen, ist schädlich für unsere Demokratie. Um diesem fatalen Gefühl wirkungsvoll zu begegnen, braucht es als ersten Schritt mehr Transparenz. Die Botschaft wäre: Seht her, wir haben nichts zu verbergen - hier geht alles mit rechten Dingen zu!