Wer ein Eigenheim baut, nimmt einen Kredit auf. Wer eine gute Geschäftsidee hat, leiht sich Geld, um zu investieren. Der Kredit macht Firmengründungen sowie spätere Gewinne und Wachstum erst möglich. Niemand käme auf die Idee, Privatpersonen oder Unternehmern den Kreditvertrag mit der Bank zu verbieten und so zukunftsfähige Investitionen zu verhindern. Nur die Politik legt sich in Deutschland selbst immer engere Fesseln an: Zuerst wurde in der EU die Schuldenregel der Maastrichter Verträge durchgesetzt. Dann kam die deutsche Schuldenbremse ins Grundgesetz. Wenig später folgte der europäische Fiskalpakt. Doch damit nicht genug: Das neue, zum Ideal erhobene, haushaltspolitische Ziel der deutschen Bundesregierung heißt „Schwarze Null“. Es soll nicht mehr nur die Neuverschuldung in Grenzen gehalten, sondern ein Haushaltsüberschuss generiert werden.
Schuldenabbau zulasten der Investitionen
So wurde eine aktive Fiskalpolitik, die konjunkturelle Schwankungen ausgleicht und für stabiles Wirtschaftswachstum sorgt, faktisch außer Kraft gesetzt. Schuldenabbau wird über Konjunkturzyklen hinweg zur Priorität der Fiskalpolitik. Vor allem öffentliche Investitionen wurden zurückgefahren. Ergebnis: marode Infrastruktur, unpassierbare Brücken, zu wenig bezahlbarer Wohnraum und vieles mehr.
Um das Sparziel zu erreichen, wurden öffentliche Ausgaben gekürzt, viele öffentliche Dienstleistungen fielen dem Rotstift zum Opfer oder wurden privatisiert. Gebühren wurden angehoben und Nutzerentgelte wie LKW- und PKW-Maut eingeführt. Kurzum: Deutschland hat mit der Schuldenbremse vom Investitions- in den Sparmodus umgeschaltet. Die Schuldenbremse wurde zur Investitionsbremse.
Deutschland weist sowohl im öffentlichen wie im privaten Bereich einen Investitionsstau auf. Um auf den OECD-Durchschnitt zu kommen, muss Deutschland jährlich rund 90 Mrd. Euro investieren. Das entspricht drei Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2013. Vor allem öffentliche Investitionen sind Opfer der Sparpolitik geworden, darunter kommunale Investitionen. Nach Schätzungen des KfW-Kommunalpanels beläuft sich der gesamte kommunale Investitionsrückstand mittlerweile auf 118 Mrd. Euro. Union und SPD haben zwar in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, den OECD-Durchschnitt erreichen zu wollen. Dieses Ziel bleibt jedoch in weiter Ferne, wenn man weiter an Sparkurs, Schuldenbremse und "Schwarzer Null" festhält und Investitionen vernachlässigt. Das Problem wird sogar noch größer, denn Infrastruktur, die nicht in Stand gehalten wird, kostet am Ende mehr.
Deutschland hat heute eine wohl einmalige Gelegenheit seine Investitionsschwäche zu beheben, denn der Staat erwirtschaftet hohe Überschüsse und muss kaum Kreditzinsen zahlen. Die Politik sollte diese Chance ergreifen und entschieden handeln. Sanierungsbedürftige Straßen und Schienenwege, aber auch Schulen, Kitas und Stadtteilzentren könnten modernisiert werden. So würde die Grundlage für Wachstum, Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und ein intaktes Gemeinwesen von morgen geschaffen. Das ist vernünftig, günstig und gerecht gegenüber den heutigen und zukünftigen Generationen.