Das Motto des netzpolitischen Debattenkanals lautet dabei „Angewandte Netzpolitik“. Wir fragen: Welche Rolle spielen Politik und Wirtschaft in diesem Zusammenhang. Was können wir von ihnen verlangen? Wir fragen aber auch, welche Rolle wir als Bürger, Kunden, Konsumenten und User in diesem Kontext übernehmen sollten.
Um die ganze Pluralität der Meinungen und Einschätzungen des Themenkomplexes „Überwachung und Datenschutz“ einzufangen, wird es zu Beginn einige einführende Artikel und Erklärstücke geben. Ihnen folgen Debattenbeiträge, Positionen und Interviews.
Ole Reissmann, Netzweltredakteur bei Spiegel Online, werklärt uns, wie wir getrackt werden. Daniel Leisegang, Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik, vergleicht die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste in Deutschland, Großbritannien und den USA. In unterschiedlichen Debattenbeiträgen positionieren sich dann Peter Schaar, der Bundesbeauftragte für Informationssicherheit und Datenschutz, sowie Rainer Wendt, der Vorsitzende der deutschen Polizeigewerkschaft, zu Fragen von Sicherheit durch Kontrolle. Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, vergleicht schließlich die totale Überwachung in Diktaturen mit dem Wirken von Geheimdiensten in Rechtsstaaten.
Diesen Debattenbeiträgen folgen Essays und Interviews von Staatsrechtlern, Ökonominnen und Literaturwissenschaftlern. Wie aktuell ist der viel zitierte George Orwell mit seiner über sechzig Jahren alten Dystopie „1984“? Wie sehr erschüttert der NSA-Skandal unser Demokratieverständnis? Führen monopolartige Marktstellungen zwangsläufig zu unkontrollierbarem Machtzuwachs von Konzernen? Und werden zur Überwachung nutzbare Instrumente auch zwangsläufig zur Überwachung genutzt?
Auf letztere Frage würde die US-amerikanische Ökonomin Shoshsana Zuboff wohl mit einem Ja antworten. Wir haben sie interviewt und die Frage erörtert, wie sich Gesellschaften verändern, die sich permanent überwacht fühlen.
Der Publizist Melte Lehming dagegen vergleicht die Datenschutzmenatlitäten in Europa und den USA und erklärt die gesellschaftliche Empörung in Deutschland mit anderen historischen Erfahrungen.
Die selbstverschuldete Unmündigkeit des Users?
Dass wir ahnungslose Untertanen dieser Unternehmen sind und auch bleiben werden, behauptet Bruce Schneier, IT-Sicherheitsexperte, New-York-Times- und Guardian-Autor aus Los Angeles, in seiner düsteren Perspektive auf die digitale Gegenwart. Er hat die Hoffnung auf ein demokratisch kontrolliertes Netz aufgegeben und erklärt uns zu Vasallen der großen Internetkonzerne. Sie werfen uns einige Glasperlen hin, die wir überwältigt von den vermeintlichen Möglichkeiten der weltweiten Kommunikation dankbar aufnehmen, während die Konzerne mit unseren Daten Milliardengewinne produzieren.
Die stabile Demokratie
Sandro Gaycken, IT-Ethiker und ehemaliges Mitglied des Chaos Computer Clubs, sieht dagegen weiterhin stabile Demokratien, die die rechtsstaatliche Kontrolle der Geheimdienste auch weiterhin möglich macht. Er verweist stattdessen auf die kaum ausgebildete parlamentarische Kontrolle in den sogenannten Schwellenländern wie China oder Brasilien.
Und jetzt?
Was also tun? Welche Forderungen müssen formuliert werden? Wie sehen Handlungsoptionen aus? Für den Einzelnen, aber auch für Politik und Wirtschaft? Darüber wollen wir am Ende des ersten Debattenschwerpunkts in unserem Podcast „Angewandte Netzpolitik“ diskutieren. Dafür brauchen wir Sie. Welche Thesen unserer Autorinnen und Autoren teilen Sie, welchen widersprechen Sie? Mit wem sollen wir diskutieren? Was sollen wir fragen? Ist die Forderung nach Einstellung der Überwachungsaktivitäten realistisch? Oder geht es vielleicht nur um eine Verbesserung der demokratischen Kontrolle?
Viele offene Fragen. Und die Suchen nach den Antworten hat gerade erst angefangen.