Bildungsauftrag und Informationspflicht der Medien
Dagmar Hoffmann
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Aus dem Grundversorgungsauftrag des Rundfunks kann ein Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf umfassende Wissensvermittlung abgeleitet werden. Welche Medienbeiträge bzw. Sendungen sind hier besonders gefordert? Und können Sie dem Anspruch auf Produktion kompetenter Beiträge zu Information und (politischer) Bildung gerecht werden?
Über den Auftrag, die Funktion und Pflichten der Medien wird vor allem in Zeiten politischer und wirtschaftlicher Krisen kritisch diskutiert. Im Fall von politischen Skandalen, Terroranschlägen, Umweltkatastrophen oder Unfällen wird erwartet, dass Medien die Bevölkerung möglichst schnell über die Ereignisse informieren. Es gilt, sie mit wichtigen Daten und Fakten zu versorgen, ihnen Erklärungen zu liefern und sie auf notwendige Maßnahmen hinzuweisen. Medien und Journalismus stehen in den letzten Jahren vermehrt in der Kritik, weil sie aus Sicht vieler Rezipienten und auch einiger Publizisten den Erwartungen nicht ausreichend gerecht werden. In Zeiten von Livetickern und Echtzeitjournalismus, Video-Streams über "Periscope" und unmittelbar hochgeladenen Videos auf "YouTube", "Facebook" und "Twitter" steigen die Anforderungen an den etablierten Journalismus, insbesondere dem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Schon seit längerem lässt sich beobachten, dass sich der traditionelle Journalismus aufgrund des Erstarkens des mobilen, partizipativen Journalismus inklusive Bürger- bzw. Laienjournalismus neu ausrichtet. Die Bandbreite an Medienangeboten demokratisiert und liberalisiert sich weiter. Im Zuge dessen ist zu fragen, inwieweit die etablierten Medien ihrem Bildungs- und Informationsauftrag noch nachkommen und zu welcher Berichterstattung sie überhaupt verpflichtet sind. Ferner gilt es, bekannte Formate der Politikvermittlung und Demokratiediskussion auf den Prüfstand zu stellen und herauszuarbeiten, was sie in Zeiten des Medienpluralismus und digitalen Wandels leisten (können).
Medien kommt eine besondere Bedeutung bei der Sicherung demokratischer Legitimation zu. Sie können auf die Vielfalt von Interessen, Bildung und Erfahrungen der Bevölkerung hinweisen und diese abbilden sowie Druck auf die Politik ausüben. In dem Zusammenhang wird auch oftmals von Mediendemokratie gesprochen. Abschließend soll in diesem Beitrag geklärt werden, wie politische Willensbildungsprozesse und Meinungsbildung in Deutschland folglich durch die beschriebenen technologischen Entwicklungen, Medienumbrüche und derzeit eher ungewissen Leitkonzepte im Journalismus beeinflusst werden und sich mitunter verändern.
Der Bildungs- und Informationsauftrag des Rundfunks
Seit über 30 Jahren existiert in Deutschland ein duales Rundfunksystem, d. h. es werden sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Rundfunkprogramme angeboten. Eine wesentliche Unterscheidung beider Rundfunkanbieter liegt in der Organisationsform und den zugehörigen Finanzierungsmodellen: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist vornehmlich Interner Link: gebührenfinanziert, der private Rundfunk hingegen werbefinanziert oder aber in Einzelfällen werden direkte Leistungen durch die Zuschauer/innen geleistet (Modell des Bezahlsenders: Pay-TV). Da der private Rundfunk auf hohe Einschaltquoten und große Zuschauerzahlen angewiesen ist, weil sich sonst kaum Werbende finden, werden an ihn prinzipiell geringere Anforderungen hinsichtlich des Programms und seiner Ausgewogenheit gestellt. Das duale System stößt generell auf Akzeptanz, da es eine Programmerweiterung des "Public Service" (= öffentl.-rechtl. Rundfunk) und zudem eine Vielfalt des Programms ermöglicht. Duale Rundfunksysteme haben sich weitgehend in Europa durchgesetzt.
Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Öffentlich-rechtliche Anbieter haben die Aufgabe der Interner Link: Grundversorgung der gesamten Bevölkerung ohne Rücksicht auf Einschaltquoten. Grundversorgung meint die technische und inhaltliche Sicherung einer umfassenden Berichterstattung. Es soll ein an die Allgemeinheit gerichtetes, inhaltlich vielfältiges Programm sowie eine möglichst flächendeckende Übertragung sichergestellt werden. Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks leitet sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes ab, der die Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit regelt, und ist in Rundfunkgesetzen und dem Rundfunkstaatsvertrag ausgestaltet. Demzufolge soll der Interner Link: Rundfunk durch die Auswahl von Programmen und Themen die freie Meinungsbildung und kulturelle Vielfalt gewährleisten. Ferner soll er mit seinem Angebot der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung den Rezipienten dienen.
Im Rundfunkstaatsvertrag wird im zweiten Abschnitt § 11 Satz 1 darauf verwiesen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in ihren Angeboten "einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben" haben. Dadurch soll die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern gefördert werden.
QuellentextRundfunkstaatsvertrag (RStV) II. Abschnitt: Vorschriften für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
§ 11 Auftrag
(1) Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.
Der öffentliche-rechtliche Rundfunk ist zur Ausgewogenheit verpflichtet, um Meinungspluralität zu erzeugen. Geboten ist insofern stets eine unabhängige, sachliche und überparteiliche Berichterstattung. Die vermittelten Informationen müssen aktuell, nachhaltig, abgesichert und glaubwürdig sein. Im Rundfunkstaatsvertrag wird betont, dass Nachrichten "vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen" (§ 10) sind . Auch sollte es selbstverständlich sein, dass sie verständlich vermittelt werden und/oder barrierefrei als gesondertes Angebot abrufbar sind (z. B. Nachrichten in leichter Sprache oder Gebärdensprache), sodass alle Bevölkerungsgruppen erreicht werden. Um eine Ausgewogenheit zu erzielen, heißt es auf der praktischen Ebene etwa, dass Kommentare und Meinungen von Nachrichten getrennt gesendet bzw. Kommentare als solche kenntlich gemacht werden. Außerdem gilt es, in politischen Talkshows die Gäste möglichst so auszuwählen, dass sie alle für den Konflikt oder das Themenfeld relevanten Gruppen und zugehörigen Positionen repräsentieren.
Erwartungen an den privaten Rundfunk
Auch der private Rundfunk ist zur Sicherung und Förderung der Meinungsvielfalt aufgerufen. Im Rundfunkstaatsvertrag heißt es dazu im dritten Abschnitt § 25 Satz 1: "Die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen müssen in den Vollprogrammen angemessen zu Wort kommen; Auffassungen von Minderheiten sind zu berücksichtigen." Und weiter in Satz 2: "Ein einzelnes Programm darf die Bildung der öffentlichen Meinung nicht in hohem Maße ungleichgewichtig beeinflussen."
QuellentextRundfunkstaatsvertrag (RStV) III. Abschnitt: Vorschriften für den privaten Rundfunk
3. Unterabschnitt: Sicherung der Meinungsvielfalt
§ 25 Meinungsvielfalt, regionale Fenster (1) Im privaten Rundfunk ist inhaltlich die Vielfalt der Meinungen im Wesentlichen zum Ausdruck zu bringen. Die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen müssen in den Vollprogrammen angemessen zu Wort kommen; Auffassungen von Minderheiten sind zu berücksichtigen. Die Möglichkeit, Spartenprogramme anzubieten, bleibt hiervon unberührt.
(2) Ein einzelnes Programm darf die Bildung der öffentlichen Meinung nicht in hohem Maße ungleichgewichtig beeinflussen.
(3) Im Rahmen des Zulassungsverfahrens soll die Landesmedienanstalt darauf hinwirken, dass an dem Veranstalter auch Interessenten mit kulturellen Programmbeiträgen beteiligt werden. Ein Rechtsanspruch auf Beteiligung besteht nicht.
Der Rundfunkstaatsvertrag orientiert sich an den im Grundgesetz verankerten demokratischen Prinzipien, die eng verknüpft sind mit der Geschichte Deutschlands. Dies betrifft insbesondere die Beschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit, die im NS-Regime durch Gleichschaltung von Presse und Rundfunk erwirkt wurden. Vor diesem Hintergrund sind eine Medienkonzentration und eine einseitig parteiliche Ausrichtung in der Medienlandschaft zu verhindern.
Die Medienlandschaft ist in einer digitalen und sich globalisierenden Welt vielfältig und die Auswahl an Programmen und Medienformaten insgesamt unübersichtlich. Was sich für den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk einfordern, regeln und weitgehend kontrollieren lässt, stellt sich für die Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Medien kompliziert dar.
Fernsehen führend bei Tagesaktualität
Folgt man den Ergebnissen der ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation, ist trotz aller Fragmentierung und Ausweitung des Medienangebots jedoch das Fernsehen nach wie vor das in der Gesamtbevölkerung meistgenutzte tagesaktuelle Medium . Obgleich in den vergangenen Jahren oftmals kritisch angemerkt wurde, dass sich öffentlich-rechtliche und private Programmangebote ähnlicher werden, sehen die Zuschauer/innen doch große Unterschiede, die sich auch in den Nutzungsmotiven und Nutzungsweisen widerspiegeln. Betrachtet man das Image beider Systeme, so geben im Jahr 2015 über 75 % der Befragten an, dass das öffentlich-rechtlich Programmangebot eher "sachlich", "glaubwürdig", "kompetent" und "anspruchsvoll" ist, wohingegen das Programm des privaten Rundfunks nur von jedem zehnten Befragten als "sachlich" und "glaubwürdig" eingeschätzt wird. Es gilt insgesamt eher als unterhaltungsorientiert und kaum informativ (14 %) oder kritisch (20 %). Die Informationskompetenz der öffentlich-rechtlichen Sender wird von den Befragten aller Altersgruppen geschätzt. Zudem wird ihnen von über 80 % der Befragten zugeschrieben, dass ihr Programmangebot zur politischen Meinungsbildung beträgt und die Berichterstattung ausgewogen sei.
Bildungs- und Informationsangebote des Fernsehens
Will man an der Komplexität der Gesellschaft teilhaben, bedarf es eines Zugangs zu den allgemein verbindenden und verbindlichen medialen Informations- und Kommunikationstechniken. Medien wie das Fernsehen stellen Informationen und Wissen in vielfältiger Art und Weise bereit. Prinzipiell gilt, dass sowohl traditionelle als auch interaktive, digitale Medien Möglichkeitsräume für vielfältige Bildungserfahrungen und Bildungsprozesse sein können, insofern Menschen sich intensiv und nachhaltig mit den bereitgestellten Informationen auseinandersetzen und sich diese als Wissen aneignen .
Internet vielfältiger und unübersichtlicher als Fernsehen
Zurzeit sind die Angebote des Internet weitaus vielfältiger als die des Fernsehens. Auch sind die Nutzungsweisen insgesamt heterogener, was der Tatsache geschuldet ist, dass über das Internet die ‚Kernmedien’ integriert werden und sie zunehmend konvergieren. Die zahlreichen Angebote, die im Internet zu finden sind, ergänzen oftmals die etablierten Medienmenüs der Menschen und können einzelne Angebote bisweilen ersetzen. Die neuen, internetfähigen Mobilmedien erlauben es, fast zu jeder Zeit an jedem Ort an Informationen heranzukommen. Gleichwohl sind diese Informationsangebote eher unübersichtlich. Das Internet ist aufgrund seiner dezentralen Strukturen nicht einfach zu durchschauen und es entfalten sich stets eigene und neue Dynamiken. Die Nutzer und Nutzerinnen müssen folglich lernen, sich in einem breiten Angebotsspektrum zurechtzufinden und sich auch durch die Schnelllebigkeit von Informationen nicht verunsichern zu lassen.
Wesentliche Lernaufgaben sind beispielsweise:
die Relevanz von Informationen einzuschätzen
zwischen Experten- und Laienwissen zu unterscheiden
zwischen seriösen und unglaubwürdigen Informationen zu unterscheiden
zwischen sowie Realität und Inszenierungen zu unterscheiden.
Informationsbegriff
Der Informationsbegriff wird im Rundfunkstaatsvertrag (§ 2) sehr weit gefasst und umfasst Nachrichten und Zeitgeschehen, Zeitgeschichtliches, politische Information, Wirtschaft, Auslandsberichte, Religiöses, Sport, Regionales, Gesellschaftliches und Service. Bildung bezieht sich auf die Bereiche "Wissenschaft und Technik, Alltag und Ratgeber, Theologie und Ethik, Tiere und Natur, Gesellschaft, Kinder und Jugend, Erziehung, Geschichte und andere Länder". Entsprechend breit und heterogen ist das zugehörige Angebot an Informations- und Wissenssendungen.
Als formal bildende Lernangebote können die Sendungen des Schulfernsehens betrachtet werden. Diese Bildungssendungen sind curricular aufgebaut. Jede Sendung hat definierte Bildungsvermittlungsziele. Diese werden für die jeweiligen Fachgebiete und für Klassenstufen festgelegt.
Darüber hinaus gibt es aber auch vielzählige informelle Bildungsangebote, die über die täglichen Gebrauchsinformationen hinaus strukturelles Wissen vermitteln und mit deren Nutzung eine Bildungschance verknüpft ist.
Bildungssendungen im weiteren Sinne sind also Programme und Sendungsreihen, deren bildende Inhalte eine möglichst breite Bevölkerungsschicht ansprechen sollen, z. B. Programme im Feature- oder Magazinformat zu natur- und kulturwissenschaftlichen Themen oder Umwelt und Technik. Laut Schlote können auch Kampagnen, Themenschwerpunkte und Thementage zu gesellschaftlichen Herausforderungen und Problemen dazu zählen .
Formate der Politikvermittlung und Demokratiediskussionen auf den Prüfstand
Zur Vermittlung politischer Informationen und Bildung stehen verschiedene Formate bereit. Die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben zumeist eine lange Tradition, wenngleich sie von der Anmutung und Gestaltung sich im Laufe der Zeit geändert haben. Konkurrenz erhielten die Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Sender wie "Tagesschau" (ARD) oder "heute" (ZDF) in den 1980er Jahren durch die Angebote des privaten Rundfunks (z. B. RTL aktuell) und in den 1990er Jahren auch durch Spartenprogramme (z. B. n-tv, ab 2000 zudem N24). Während Nachrichtensendungen in der kurzen Sendezeit primär über Kerndaten und zentrale Statements zu politischen Ereignissen berichten (Faktenwissen), bemühen sich die Nachrichtenjournale wie "tagesthemen" (ARD) und "heute journal" (ZDF) durch redaktionelle Beiträge ergänzende Informationen, übergeordnete Zusammenhänge und Hintergrundinformationen (Strukturwissen) zu vermitteln. Darüber hinaus existieren so genannte Politik- bzw. Politmagazine wie "Monitor" (ARD) oder "frontal 21", die für investigativen und kritischen Journalismus stehen sollen. Nicht zuletzt dienen auch die wöchentlich ausgestrahlten Talkshows der politischen Meinungsbildung.
Nachrichtensendungen
Unter den Nachrichtensendungen ist die "Tagesschau" (20-Uhr-Ausgabe) die meistgesehenste Sendung im deutschen Fernsehen. Sie verfügt mit 9 Millionen im Ersten, fünf Dritten Programmen, 3sat und Phoenix über einen bedeutsamen Reichweitenvorsprung gegenüber den Konkurrenzformaten. "heute" wird im ZDF und bei 3sat durchschnittlich von 3,7 Millionen gesehen, "RTL aktuell" von 3,1 Millionen, die "Sat.1 Nachrichten" von 1,4 Millionen und ProSieben "Newstime" von ca. 700.000 Zuschauern und Zuschauerinnen. Wie die Zahlen in Tabelle 1 verdeutlichen, wendet sich das Nachrichtenpublikum in den vergangenen zehn Jahren immer mehr von den klassischen TV-Nachrichtenformaten ab, was sich dadurch erklären lässt, dass sich viele Menschen im Laufe des Tages bereits über Internet-Newsportale und die Onlineangebote der Nachrichtensender, Zeitungen und Wochenmagazine (z. B. "Focus Online" oder "SPIEGEL ONLINE") beziehungsweise der zugehörigen Applikationen mobil informieren.
Der tägliche Nachrichtenkonsum gerade jüngerer Menschen beschränkt sich häufig auf Apps, aggregierte News und soziale Netzwerke. Bedingt durch den soziodemografischen Wandel verringert sich auch das Publikum, das habitualisiert (gewohnheitsgemäß) ferngesehen hat und die Abendgestaltung nach den Nachrichten ausrichtete.
Zuschauer der Nachrichtensendungen von ARD, ZDF sowie RTL und Sat.1
Eigene Darstellung, Quelle: AGF/GfK Fernsehforschung, Media Perspektiven Basisdaten 2015, S. 73
Magazinsendungen
Interner Link: Investigativer Journalismus, häufig auch als Qualitätsjournalismus bezeichnet, soll den Zweck der Information und Orientierung erfüllen sowie politische Positionierungen erlauben. Er konzentriert sich
auf Themen, die von großer sozialer und gesellschaftspolitischer Relevanz sind,
die Themenaufbereitung erfolgt auf der Basis ausgesuchter, verifizierter Informationen, die nicht jedem ohne Weiteres zur Verfügung stehen und
die Berichterstattung beruht auf gründlichen und sorgsamen Recherchen .
Obgleich vielen Menschen Qualitätsjournalismus und politische Meinungsbildung wichtig sind, sind die Reichweiten populärer Politikmagazine sowohl des öffentlich-rechtlichen als auch des privaten Rundfunks vergleichsweise niedrig und ausgehend von 2004 in der Tendenz rückläufig.
Zuschauer der TV-Politikmagazine von ARD und ZDF sowie RTL 2004, 2009, 2014
in Millionen
Politikmagazin
2004
2009
2014
Gewinn/Verlust 2004-14
Report München (ARD)
3,29
2,85
3,47
+0,29
Report Mainz (ARD)
3,62
2,71
3,38
-0,24
Fakt (ARD)
3,56
2,51
3,13
-0,43
Kontraste (ARD)
3,11
2,80
2,85
-0,26
Panorama (ARD)
3,10
3,15
2,52
-0,58
Monitor (ARD)
3,50
2,99
2,68
-0,51
frontal 21 (ZDF)
3,78
2,89
2,55
-1,23
Spiegel-TV (RTL)
2,22
1,97
1,62
-0,64
Quelle: GFK-Daten, Darstellung in Anlehnung an Gäbler 2015, S. 83.
Eine Ausnahme stellt "Report München" dar, das 2014 einen deutlichen Zuschauerzuwachs verzeichnen konnte. Die Verluste bei "Report Mainz" und "Kontraste" fallen vergleichsweise moderat aus. Im Vergleich zu 2004 haben aber die anderen fünf Magazine deutlich an Zuschauern verloren, vor allem "frontal 21" hat ein Drittel der Zuschauer/innen innerhalb von zehn Jahren einbüßen müssen. Nicht immer kann aber allein anhand der Zuschauerzahlen auf eine hohe oder niedrige Akzeptanz der Magazine geschlossen werden.
Bei "Report München" und "Report Mainz" hat sich beispielsweise – folgt man den Untersuchungen von Bernd Gäbler – der 2011 erfolgte Sendeplatzwechsel von Montag auf Dienstag als günstig erwiesen. Eine Programminhaltsanalyse ergab, dass über eine Häufung von Gesundheits- und Sozialthemen bei "Report München" und "Report Mainz" in besonderer Weise die Zuschauer/innen des Vorprogramms abgeholt bzw. mitgenommen werden konnten (Audience Flow). Für die Reichweite ist die Themenauswahl offenbar ein Vorteil, auf Dauer kann jedoch der Charakter als politisches Magazin verloren gehen und das Image sich mehr zu einem Verbrauchermagazin hin entwickeln. .
Das einzige Format der Privatsender, dass noch mit den Politikmagazinen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verglichen werden kann, ist "Spiegel-TV" (RTL), wobei die wöchentlich ausgestrahlten "Spiegel-TV"-Magazine nach Einschätzung von Gäbler in den letzten Jahren immer "bunter" geworden sind und nur noch gelegentlich mit interessanten politischen, journalistisch hochwertigen Themenaufbereitungen aufwarten können . Nur eine weiterführende kommunikationswissenschaftliche Rezeptionsstudie kann darüber Auskunft geben, ob nun die Themendarbietung oder auch die Machart und Anmutung, die bisweilen an Boulevardjournalismus erinnert, die Nutzer/innen abwandern lässt. Anzumerken ist, dass "Spiegel-TV" und "Spiegel Online" seit zehn Jahren auch einen "YouTube"-Kanal betreiben und ausgewählte Beiträge von "Spiegel-TV" auch über "Spiegel Online" (spiegel.de) und die Sendungen seit 2011 zudem über das zugehörige "Facebook"-Profil bereitgestellt werden. Ebenso wie die Mediatheken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ermöglichen diese komplementären Kanäle den Interessierten eine flexible Rezeption ausgewählter Reportagen.
Politische Meinungsbildung in Talkshows
Neben den Formaten zur Politikvermittlung finden sich auch Sendungen explizit zur politischen Meinungsbildung, die Gesprächssendungen "Anne Will" (ARD, seit 2016 wieder am Sonntag platziert), "Hart aber fair" (ZDF, Montag), "Maischberger" (ARD, Mittwoch, bis 2016 "Menschen bei Maischberger") und "maybrit illner" (ZDF, Donnerstag, bis 2007 "Berlin Mitte"). Der Angebotsumfang dieser Formate am Gesamtprogramm der ARD ist durch den Wegfall der Sendung mit "Günther Jauch" (Sonntag) Ende 2015 etwas zurückgegangen, beim ZDF ist er in den letzten Jahren nahezu unverändert geblieben.
Auf Dauer angelegte Talkshows wie bei ARD und ZDF, die zur politischen Meinungsbildung angedacht sind, werden von den Privatsendern nicht angeboten .
Zuschauer der TV-Politiktalks von ARD und ZDF in zwei beliebig ausgewählten Wochen im Februar und März 2016
in Millionen
Politik-Talks
Thema
Februar 15., 17., 18., 21.2.
Thema
März 7., 9., 10.,13.3.
Durch- schnitts- werte v. Jan.-Juli
Hart aber fair (ZDF) montags 21:00 Uhr
Wohin mit den Flüchtlingen - lässt Europa uns im Stich?
3,41
Flüchtlingsgipfel und drei Wahlen - Abrechnung mit der Kanzlerin?
2,69
3,09
Maischberger (ARD) mittwochs 22:45 Uhr
Sozialstaat unter Druck: Kosten uns die Flüchtlinge zu viel?
1,97
Deutschland vor dem Super-Sonntag: Merkels Schicksalswahl?
1,88
1,56
maybrit illner (ZDF) donnerstags 22:15 Uhr
Auf verlorenem Posten - Scheitert Merkel an Europa?
2,83
Streitpunkt Flüchtlinge - drei Wahlen, ein Thema
2,21
2,63
Anne Will (ARD) sonntags 21:45 Uhr
Erst begrenzen, später gar abschaffen - Nimmt uns der Staat das Bargeld weg?
3,88
Die Richtungswahl - Abrechnung mit Merkels Flüchtlingspolitik?
3,14
4,00
Tabellenbeschreibung
Am 13.3.2016 wurde anlässlich der Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt eine zusätzliche Ausgabe von "maybrit illner spezial" ausgestrahlt.
, Quelle: AGF in Zusammenarbeit mit der GfK / TV Scope / media control
Tabelle 3 liefert eine Übersicht der Diskussionsthemen in einer Woche im Februar und einer im März 2016. Berichtet werden zudem die jeweiligen Zuschauerzahlen (Einschaltquoten). In der siebten Kalenderwoche (Februar) ist in drei Talkshows das beherrschende Thema die Flüchtlingspolitik. Am Ende der Woche (Sonntag) eröffnet Anne Will den Zuschauer/innen dann ein neues Themenfeld, das die Limitierung von Bargeld-Zahlungen in Deutschland behandelt, die als Maßnahme gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung gedacht ist. Drei Wochen später ist noch immer die Flüchtlingspolitik auf der Themenagenda, die aber mit den jeweiligen Wahlkampfstrategien im Rahmen der Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt verknüpft wird. Hintergrund der Debatte sind Befürchtungen, dass die rechtspopulistische Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) viele Wählerstimmen erhält, in die Landtage einziehen und die Volksparteien schwächen wird. Die Themenverknüpfung bestimmt die Talkshows unter der Woche und wird auch am Wahlsonntag aufgearbeitet und anhand der vorliegenden Hochrechnungen bei Anne Will kritisch reflektiert.
Der Umgang mit Flüchtlingen dominiert über Wochen und Monate die politische Agenda und entsprechend die Medien, wobei die verhandelten Themen (Obergrenze, Kontingente, Quoten innerhalb der EU) und der Austausch an Pro- und Contra-Argumenten in den Talksendungen kaum variieren. Bestimmt ein Thema dauerhaft die Medienagenda, so wird es in der Regel auch als besonders dringlich wahrgenommen. Als Konsequenz der Dauerthematisierung kann aber ein abnehmendes Problembewusstsein und eine Abkehr des Publikums nicht ausgeschlossen werden.
Die populärste Talkshow ist "Anne Will", die von 2007 bis 2011 sonntags ausgestrahlt wurde. Ende 2015 wurde der Sendeplatz von Günther Jauch übernommen und seit 2016 moderiert wieder Anne Will unter ihrem gleichnamigen Sendungstitel ihren Talk am Sonntag. Das Talkformat am Sonntag ist vor allem beliebt, weil es unmittelbar nach dem Sonntagabendkrimi platziert ist. Es erzielt mit Abstand die höchsten Zuschauerquoten, was sich auch in den Durchschnittswerten widerspiegelt (4 Millionen pro Sendung).
"Hart aber fair" wird seit 2001 von Frank Plasberg moderiert, zunächst im Westdeutschen Rundfunk und seit 2008 in der ARD am Montagabend. Die Sendung erreicht durchschnittlich 3 Millionen Zuschauer/innen. Die von Sandra Maischberger moderierte Talkshow hat im Durchschnitt 1,5 Millionen Zuschauer/innen, wobei die Werte für die ausgewählten Februar- und Märzwochen deutlich höher waren. Die Talksendung "maybrit illner" erreicht am späten Donnerstag Abend durchschnittlich ein Publikum von 2,6 Millionen Menschen.
Sendungsbezogene Kommunikation
Die Bedeutung der Talkshows lässt sich nicht nur an Zuschauerquoten festmachen, sondern auch an der Kommunikation während der Sendungen in den sozialen Netzwerken (wie "Facebook") und dem Mikroblogging-Dienst "Twitter" (Stichwort Interner Link: Second Screen und Interner Link: Social TV). Gerade politische Talkshows haben "das Potenzial, einen kritischen Diskurs während der Ausstrahlung zu aktivieren".
Untersuchungen von Buschow, Schneider und Ueberheide zeigen, dass die Fernsehsender zu Beginn des Jahres 2012 noch keine effektive Social TV-Strategie besessen haben und insgesamt die "Twitter"-Nutzung in Deutschland vergleichsweise zurückhaltend ist. Gleichwohl finden aber zahlreiche sendungsbezogene Kommunikationsaktivitäten statt . Die zuschauenden "Twitter"-Nutzer/innen abstrahieren dabei die verhandelten Themen (von "maybrit illner" und "Günther Jauch") und reflektieren sie auf einer gesellschaftlichen Ebene . Es mag den Anschein haben, dass sie das primär unter sich – also in ihrer Community – tun, allerdings sind Kommunikationsaktivitäten auf Twitter öffentlich, d.h. von allen Internetnutzern/innen lesbar. Von daher lässt sich die Reichweite und die daran anschließende Diskussion auf der Encounter-Ebene quantitativ (mengenmäßig) nur schwer einschätzen. In jedem Fall wird sie aber über die Community hinausgehen .
Anschlusskommunikation wird in den Tagen nach der Ausstrahlung der Talksendungen zudem über die journalistischen Diskurse hergestellt. In den Qualitätszeitungen wird über die vorgebrachten Argumente der Gäste (Politiker/innen, Wissenschaftler/innen, Publizisten/innen u. a.) berichtet. Es wird nicht selten Kritik an der Moderation geübt, aber auch an der Auswahl und dem Benehmen der Gäste, dem Verlauf der Diskussion und dem zumeist geringen Informations- und Erkenntnisgewinn .
Der normative Anspruch an politische Talkshows,
politische Diskussionen für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen,
der Öffentlichkeit Argumentationshilfen anzubieten,
die politische Meinungsbildung zu unterstützen
sowie zur politischen Partizipation anzuregen,
kann nicht in jeder Hinsicht zuverlässig eingelöst werden . Politische Talkshows entfalten vor allem eine positive Wirkung, wenn sie Themen behandeln, von denen die Zuschauer/innen noch nicht viel wissen und wenn diese Themen abwechslungsreich präsentiert und diskutiert werden. Roth betrachtet in ihrer Untersuchung das momentane Vorgehen der Sender kritisch, die in den Talkshows häufig Themen mit geringem Neuigkeitswert behandeln oder auch ein Thema von Sendung zu Sendung 'durchreichen'. In solchen Fällen ist davon auszugehen, dass das Publikum sich lediglich den Sendungen zuwendet, weil es eine soziale Bindung zu den Moderatoren/innen oder Gästen hat oder aber um in seiner Meinung nochmal bestärkt zu werden und seinen Standpunkt mit dem einen oder anderen Argument anzureichern. Gibt es kaum neue Erkenntnisse, ist das Publikum zumeist enttäuscht. Auch ärgert es sich in der Regel über inhaltsarme, überlange Monologe der Teilnehmenden und eine strukturarme Moderation .
Nachrichtenproduktion, Politikvermittlung und Meinungsbildung
Die Medienvielfalt, die Ökonomisierung und die neuen Dynamiken der Nachrichtenproduktion fordern den Journalismus. Dieser ist für die Selbstbeobachtung der Gesellschaft, Bewusstseins- und Meinungsbildung zuständig. Journalisten und Journalistinnen produzieren die dafür notwendigen Inhalte, deren Distribution die Medien übernehmen. Medien sind auf Technologien angewiesen und agieren nach bestimmten Geschäftsmodellen, die wiederum auch die Leistungen des Journalismus (Aktualität, Glaubwürdigkeit, Investigation) beeinflussen und ihn in seiner Autonomie letztlich auch einschränken können. Eine weitere Einflussgröße ist das Publikum, das sofortige Berichterstattungen einfordert, dann aber auch Kritik an Berichterstattungen übt. In jüngster Zeit – anlässlich der Terroranschläge in Paris (November 2015), Brüssel (März 2016) und dem Attentat in München (Juli 2016) sowie dem Putschversuch in der Türkei (Juli 2016) – adressiert es verstärkt seine Erwartungen an Medienanbieter und Programmverantwortliche. Medien und Journalismus stehen unter Druck und müssen sich zunehmend für die Programmgestaltung, Vorgehensweise und die Berichterstattung rechtfertigen sowie sich öffentlich hinter ihre Nachrichtensprecher/innen und Moderatorinnen und Moderatoren stellen.
Erhöhter Druck durch Internet-Informationen
Die Erwartungshaltung, unmittelbar und kontinuierlich über alles informiert werden zu wollen, rührt daher, dass es kaum noch Ereignisse in der Welt gibt, zu denen nicht sofort Bilder aus dem Internet geliefert werden können. Diese werden nicht nur von Nachrichtenagenturen selektiert und angeboten, sondern auch von Beobachtern, Beteiligten und Unbeteiligten vor Ort, die mit ihren Smartphone-Kameras Fotos von Tatorten, Verletzten, Rettungskräften etc. schießen oder jüngst vom Attentäter von München Videos drehen. Mitunter werden diese Bilder und Videos (unzensiert und häufig kommentarlos) ins Netz gestellt oder über die sozialen Netzwerke distribuiert. Die Bilder und Videos sind prompt präsent, lange bevor überhaupt Erklärungen und Einordnungen eines Geschehens von Polizisten, Journalisten und Politikern vorgenommen werden können. Die Menschen haben sich an ein bestimmtes Tempo gewöhnt, nicht zuletzt durch die neuen medienstrukturellen Bedingungen – nicht allein für die Agenturen sondern für die allgemein interessierte Öffentlichkeit (Stichwort: Echtzeitjournalismus): Hierzu zählen z. B. die Freischaltung von
Snippet-Nachrichten (Textauszüge von längeren Beiträgen) sowie
News-Livetickern
zu vielfältigen Ereignissen. Anlassbezogen fordern Teile des Publikums Programmunterbrechungen, Sondersendungen sowie Live-Berichterstattungen des Fernsehens ein und verlangen sie sofortige Information und Aufklärung .
Nachrichtenwert als Kriterium
Bilder und Videos sind noch keine Nachricht, sondern zunächst nur eine Information, die auf ihren Interner Link: Nachrichtenwert grundsätzlich hin überprüft werden muss. Dafür gibt es bestimmte Auswahlkriterien : Eindeutigkeit und Glaubwürdigkeit des Geschehens, Bedeutsamkeit für Politik und Bevölkerung, Beteiligung von Eliten (Nationen und/oder Personen) am Ereignis, Betroffenheit sozialer Gruppen, Gefahrenpotenzial des Ereignisses. Journalisten machen die Auswahl der Nachrichten abhängig von eigenen Kognitionen und Einstellungen, ihrem (Alltags-)Wissen, von vorhandenen Medienhandlungsschemata und nicht zuletzt ihrem Gefühl für ihr Publikum. Sie stellen sich Fragen: Wie wichtig ist das Ereignis? Welches gesicherte Wissen steht darüber zur Verfügung? Reichen die Informationen und das Wissen aus, um eine Nachricht zu verbreiten? Wie lässt sich die Nachricht gestalten mit Text und passendem Bildmaterial? Können relevante Personen Aufklärung leisten und Stellung beziehen?
QuellentextPublizistische Sorgfaltspflicht
Im Journalismus ist der Informationsanspruch selbstverständlich, der aber mit der im Presserecht verankerten publizistischen Sorgfaltspflicht in Einklang zu bringen ist. Die publizistische Sorgfaltspflicht besagt, dass alle Nachrichten vor ihrer Veröffentlichung auf Herkunft, Inhalt und Wahrheitsgehalt überprüft werden müssen. Sie dürfen nicht sinnverzerrt oder verfälscht dargestellt werden. Sollte es sich um Gerüchte handeln oder unbestätigte Meldungen, so sind diese zu kennzeichnen. Auch die Verwendung von Symbolfotos muss deutlich gemacht werden. Ferner gilt es, allgemeine Persönlichkeitsrechte zu wahren. Die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit sowie das Interesse der Öffentlichkeit müssen gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht abgewogen werden. Diese Abwägungsprozesse sind geboten bei der Auswahl von Fotos, die Kriege, Verletzte, Opfer, Täter oder Tatorte darstellen.
Fazit und Ausblick
Die klassischen Fernsehformate wie Nachrichtensendungen, Politikmagazine und politische Talkshows haben trotz der Ausdifferenzierung der Medien und der erweiterten Angebote des Internets keineswegs an Bedeutung verloren. Nachrichtensendungen erfüllen nach wie vor die Funktion der Informationsbereitstellung und Aneignung von Informationen. Sie sind eine wichtige und verlässliche Referenz (Bezugssystem). Über die Sendung hinaus verweisen die Fernsehnachrichten häufig auf weitere Hintergrundinformationen, Interviews in voller Länge und Kommentare auf ihren Webseiten. Damit reagieren sie auf veränderte Mediennutzungsweisen und regen dazu an, sich weiter mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen. Oftmals nehmen dieses Angebot aber nur die besser gebildeten und von jeher politikinteressierten Zuschauer/innen wahr (Stichwort Interner Link: Wissenskluft). Die Bereitstellung, kontinuierliche Abrufbarkeit und Aktualisierung von Nachrichten im Fernsehen und über Applikationen, Webseiten und Mediatheken kann als hinreichend bezeichnet werden.
Die Magazine und Talksendungen dienen vor allem der Vermittlung von neuen Erkenntnissen sowie der Sichtbarmachung aller Positionen zu einem politischen Geschehen und Sachverhalt. Sie sollen den öffentlichen Diskurs aufgreifen und widerspiegeln, wenngleich sie jedoch stärker und zielgerichteter auf ihr Publikum eingehen und dieses einbinden könnten . Denn nur so können sie effektiv zur Meinungs- und Bewusstseinsbildung beitragen. Die hier vorgestellten Formate erfüllen ihre Aufgabe partiell und in unterschiedlicher Weise; sie stehen immer wieder in der Kritik z. B. anlässlich der Auswahl der Gäste, deren Selbstinszenierungen und auch des vorherrschenden Diskussionsstils, der zumeist wenig verständigungsorientiert ist. Die Politikmagazine und Talksendungen richten sich eher an ein bildungsnahes und fernsehaffines Publikum. Ihre Reichweite ist eingeschränkt und sie sind besonders gefordert, jüngere Bevölkerungsgruppen für sich zu gewinnen.
Dr. Dagmar Hoffmann ist Professorin für Medien und Kommunikation am Medienwissenschaftlichen Seminar der Universität Siegen. Zusammen mit Prof. Dr. Nadine Klass leitet sie das von der DFG geförderte Teilprojekt "Medienpraktiken und Urheberrecht" im Siegener Sonderforschungsbereich "Medien der Kooperation". Ihre Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen in den Bereichen Mediensoziologie, Mediensozialisation, Medienpraktiken im Social Web und Social Commerce sowie Jugendmedienschutz und Medienkompetenz.
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