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Entscheidend ist, dass die Politik den gesetzlichen Auftrag konkretisiert Christian Meier spricht mit Claus Grewenig, Geschäftsführer des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien e. V. (VPRT)

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Claus Grewenig (© picture-alliance/Sven Simon)

Was ist "Rundfunk" in der digitalen Welt?

Die Debatte über den Rundfunkbegriff ist gerade angesichts der technischen Entwicklungen und ihrer Folgen – Rundfunk und Internetangebote verschmelzen auf einem Bildschirm – aktueller denn je. Der Rundfunk, öffentlich-rechtlich wie privat, muss auf allen Übertragungswegen seinen auch verfassungsrechtlich besonderen Aufgaben nachkommen können. Entscheidend ist dabei mit Blick auf ARD und ZDF, wie genau ihr Auftrag definiert wird. Es muss gelten: Erst der Auftrag, dann die Angebotspalette.

Wie hat die Digitalisierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verändert?

Die Veränderungen treffen den Medienmarkt und auch den Rundfunk insgesamt. Der bereits konvergenten Technik und der veränderten Nutzung wird der bestehende Regulierungsrahmen nicht mehr gerecht. Eine enge Vernetzung der Regulierungszuständigkeiten von Bund und Ländern ist dafür unabdingbar. Es muss sichergestellt werden, dass Rundfunkangebote und deren Inhalte auch im digitalen Umfeld präsent sind und gefunden werden können.

Was ist die Position der privatfinanzierten Medienunternehmen zur (neuen) Rolle der Öffentlich-Rechtlichen in der digitalen Medienwelt?

Um Missverständnisse zu vermeiden: Dem VPRT ging es bei der Debatte um die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet nie um das "Ob", sondern stets um das "Wie" – also den Umfang des Angebots im Netz. Deshalb haben wir in Brüssel mit unserer Beihilfebeschwerde ein Verfahren angestoßen, als dessen Ergebnis klar festgehalten wurde, dass gebührenfinanzierte – und damit nur vermeintlich kostenlose – Angebote von ARD und ZDF die private Vielfalt nicht bedrohen dürfen. Deshalb benötigen sie entweder eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung wie sie z. B. für die Digitalkanäle im Rundfunkstaatsvertrag geschaffen wurde oder die Marktauswirkungen öffentlich-rechtlicher Angebote im Netz müssen umfassend vorab überprüft werden, z. B. durch einen Drei-Stufen-Test.

Welche Rolle sollen die Öffentlich-Rechtlichen im Internet spielen?

Entscheidend ist, dass die Politik den gesetzlichen Auftrag konkretisiert und damit deutlich macht, welches Angebot durch den Rundfunkbeitrag ermöglicht werden soll. Und das kann im Lichte der Brüsseler Ausführungen kein Angebot sein, das überwiegend ohnehin vom privatwirtschaftlichen Markt bereitgehalten wird, sondern es muss seinen Mehrwert gegenüber dem Beitragszahler rechtfertigen. Die Umstellung von Gebühr auf Beitrag hat deutlich gemacht, dass die Legitimationsbasis schwindet.

Haben die Öffentlich-Rechtlichen "Grenzen" bei der Expansion ins Internet überschritten – und wenn ja, in welchen Fällen?

Wir sehen bestehende Tendenzen zu einer schleichenden Ausdehnung von Angeboten. Hinzu kommt eine Kommerzialisierung bei den Digitalkanälen, die mit immer mehr US-Serien, Spielfilmen, Musikangeboten etc. in einen direkten Wettbewerb gerade mit Pay- und Spartenkanälen treten und ihre Inhalte zudem im Netz duplizieren. Das ist eine klare Abkehr von der ursprünglichen Ermächtigung. In den ARD-Radios ist zu erkennen, dass trotz fehlender Ermächtigung für bundesweite Angebote immer mehr themenbezogene Programme entstehen, die online zusammengeführt werden. Trotz Programmzahlbeschränkungen werden zahlreiche Webstreams gestartet, ohne dass die Politik einschreitet. Dies sind nur einige Beispiele der Entwicklungen, die wir beobachten können.

Welche Inhalte sollten die Öffentlich-Rechtlichen in ihren Mediatheken zeigen dürfen – und welche nicht?

Die Grenzen der Beihilfeentscheidung aus Brüssel sind nach wie vor im Grundsatz richtig, indem bestimmte absolute Auswertungsgrenzen (Sport, Lizenzware etc.) bestehen und eine marktübliche 7-Tage-Regelung eingeführt wurde. Bei Eigenproduktionen gelten diese Grenzen nicht. Außerdem sehen nahezu alle Telemedienkonzepte vor, dass die 7 Tage unter bestimmten Voraussetzungen ausgeweitet werden können. Die derzeit geführte politische Diskussion zur Aufhebung dieser Grenzen ist daher eine Scheindebatte, zumal die Anstalten schon heute mögliche Auswertungsfristen gar nicht ausschöpfen.

Welche Funktion erfüllt der Drei-Stufen-Test, hat sich das Modell als praktikabel und effizient erwiesen? Und: Welche Angebote wurden in dem Test als nicht zulässig befunden?

Die Grundidee des Drei-Stufen-Tests ist die Vorabprüfung von Marktauswirkungen, bevor gebührenfinanzierte Online-Angebote gestartet werden. Es soll eine Abwägung stattfinden, ob ARD und ZDF-Onlineangebote Auswirkungen auf den privatwirtschaftlichen Markt haben und ob diese Nachteile für die privaten Wettbewerber durch einen gesellschaftlichen Mehrwert aufgewogen werden.

Dieser grundsätzliche Abwägungsprozess (Balancing) ist nach wie vor sinnvoll. Er hat aber leider aufgrund sehr allgemeiner Angebotsbeschreibungen und mangels Kostentransparenz zu selten wirklich stattgefunden. Insgesamt ließe sich das Verfahren straffen und auf seine wesentlichen Bestandteile reduzieren. Der VPRT ist für solche Anpassungen offen und bewertet auch die Auswirkungen, die der Test in weiten Teilen auf das Selbstverständnis der öffentlich-rechtlichen Aufsichtsgremien hatte, durchaus positiv.

Im Einzelfall – wie z. B. beim MDR – wurden auch tatsächlich Anpassungen vorgenommen, bevor Angebote gestartet sind. In letzter Zeit beobachten wir allerdings zunehmend, dass die Anstalten die Durchführung von neuen Verfahren nach den sogenannten Bestandstests für nicht mehr für erforderlich halten. Neben den Drei-Stufen-Tests gelten unverändert bestimmte Auswertungsverbote sowie eine Negativliste von absolut unzulässigen Angeboten.

Gehört der Aufbau beispielsweise einer App-Strategie zu den Aufgaben der Öffentlich-Rechtlichen?

Nein, der Fokus sollte auf den Hauptprogrammen liegen. Eine Grundversorgung auch im Bereich der Apps wäre dann nicht ausgeschlossen, aber auch hier sind wieder Umfang und die konkrete Ausgestaltung des Auftrags entscheidend.

Wie bewerten Sie die Rolle von Internet-Playern wie Google/YouTube und Facebook? Werden diese selber zu "Sendern"? Und was bedeutet das für die Medienordnung?

Eine der Komplexität dieses Themas gerecht werdende Beantwortung dieser Frage würde wohl ein eigenständiges Interview erfordern. Wie bereits erwähnt, ist durch die technische Entwicklung eine Situation eingetreten, in der unterschiedliche Regulierungswelten aufeinander treffen. Diese Situation führt zu dem Ergebnis, dass für den stark regulierten Rundfunk kein fairer Wettbewerb auf Augenhöhe und unter gleichen Bedingungen mit den weitgehend unregulierten Playern mehr möglich ist. Zudem sind ehemalige Privilegien – wie etwa der Zugang zu knappen Frequenzen – heute entwertet. Gerade der diskriminierungsfreie Zugang sowie die Auffindbarkeit auf digitalen Plattformen sind für private wie für öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter – Radio und TV – jedoch künftig essentiell. Der VPRT beteiligt sich daher mit oberster Priorität und konstruktiv an der Debatte über eine neue Medienordnung, die bereits in vollem Gange ist.

Fussnoten

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