Die Internationalisierung des Mediengeschäfts hat im Laufe der Jahre erheblich zugenommen. Damit hat neben der deutschen Gesetzgebung insbesondere die Europäische Union an Einfluss auf den deutschen Mediensektor gewonnen.
Die Mitgliedschaft Deutschlands in den europäischen Staatengemeinschaften bringt es mit sich, dass diese auch Einfluss auf die nationale Medienpolitik nehmen. Die Gründungsgeschichte von Europarat und Europäischer Union (EU) und die damit verbundenen Ziele haben zu unterschiedlichen Perspektiven auf die Medien geführt. Im Unterschied zum Europarat besitzt die EU gegenüber ihren derzeit 28 Mitgliedstaaten gesetzgebende Kompetenz, ihre Entscheidungen haben also bindenden Charakter. Daher konzentriert sich dieser Beitrag vorrangig auf die Medienpolitik der EU, stellt aber an geeigneter Stelle Bezüge zu medienpolitischen Aktivitäten des Europarates her.
Arbeitsweise und Aufgabenverteilung in den Europäischen Gremien
Entscheidend für das Verständnis der medienbezogenen Aktivitäten der EU sind folgende Aspekte:
die Gründung der Europäischen Gemeinschaft als Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahr 1956 und
die forcierte Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes ab Juli 1987, seit Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA).
InfokastenWas ist die Einheitliche Europäische Akte?
Am 01.07.1987 trat mit der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) die erste größere Reform der Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaft (EG) in Kraft, die u. a. die gemeinsame Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) der EG-Mitgliedstaaten festlegt.
Der europäische Binnenmarkt garantiert die vier Verkehrsfreiheiten: Freiheit von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen. Die EEA legte die Zuständigkeit für die Durchsetzung des Binnenmarktes weitestgehend in die Hände der Europäischen Kommission, die damit direkte Durchsetzungsbefugnisse gegenüber den Mitgliedstaaten erlangt hat.
Unter den drei Organen der EU spielt die ständig in Brüssel ansässige Kommission eine zentrale Rolle. Ihr gehören, einschließlich ihrem Präsidenten, 28 Kommissarinnen und Kommissare an, aus jedem Mitgliedstaat eine/r. Sie gilt als "Hüterin der Verträge" und überwacht die Einhaltung europäischen Rechts in den Mitgliedstaaten, wenn nötig unter Anrufung des Gerichtshofes der Europäischen Union, der Sanktionen verhängen kann. Die Kommission hat das "Initiativrecht", das heißt, sie bereitet rechtliche Regelungen vor, die dem Europäischen Parlament und dem Rat (Rat der Europäischen Union) zur Mitentscheidung vorgelegt werden. Im Rat sind die Regierungen der Mitgliedstaaten repräsentiert. Je nach Sachfragen arbeitet der Rat in unterschiedlicher Zusammensetzung. Stehen zum Beispiel Fragen der Umweltpolitik auf der Tagesordnung, treffen sich die für Umwelt zuständigen Minister/innen der Mitgliedstaaten. Schwieriger ist es, wenn es um die Medien geht. Da in Deutschland die Gesetzgebungskompetenz für die Medien größtenteils bei den Ländern liegt, nehmen diese nach Interner Link: Artikel 23, Abs.6 Grundgesetz die Vertretung bei entsprechenden Beratungen wahr.
Treten die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten zusammen, wird der Rat zum Europäischen Rat. Seinen Tagungen (Gipfeltreffen) sitzt der Präsident des Europäischen Rates vor. An den Sitzungen des Rates nimmt auch der Kommissionspräsident teil, ebenso wie die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. Der Rat ist für die Festlegung der allgemeinen politischen Linien zuständig, befasst sich aber bei Bedarf auch mit strittigen Problemen, die auf den unteren Ebenen nicht gelöst werden konnten.
Das Gesetzgebungsverfahren der EU beteiligt das Europäische Parlament an der Verabschiedung europäischer Rechtsvorschriften. Im Parlament sitzen die Vertreter der Mitgliedstaaten, die alle fünf Jahre bei den Europawahlen gewählt werden. Je nach Bevölkerungszahl können die Mitgliedstaaten zwischen 6 und 96 Abgeordnete entsenden. Diese organisieren sich in Fraktionen, also nach Parteizugehörigkeit und nicht nach nationaler Herkunft. Dem Parlament steht ein aus seiner Mitte gewählter Präsident vor. Das Europäische Parlament galt lange als das schwächste Organ neben Rat und Kommission, hat jedoch im Laufe der Zeit beträchtliche Kompetenzen hinzugewonnen: Die Ernennung der Kommissare und des Kommissionspräsidenten ist nicht ohne Zustimmung des Parlaments möglich. Außerdem übt das Parlament zusammen mit dem Rat das Haushaltsrecht aus. Das Parlament tagt abwechselnd in Brüssel und Straßburg.
Die rechtliche Grundlage der EU – Primärrecht und Sekundärrecht
Rechtliche Grundlage der EU sind die von den Mitgliedstaaten abgeschlossenen Verträge, sie bilden das sog. Primärrecht. Zurzeit gilt der 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon. Rechtliche Regelungen, die auf der Grundlage des Primärrechts erlassen werden, werden als Sekundärrecht bezeichnet.
Die wichtigsten rechtlichen Instrumente sind:
Verordnungen, die unmittelbar für die Mitgliedstaaten verbindlich sind, sowie
Richtlinien, die verbindliche inhaltliche und zeitliche Vorgaben für die Mitgliedstaaten machen. Es wird den Staaten jedoch selbst überlassen, in welcher Form sie diese Vorgaben in innerstaatliches Recht umsetzen.
Mit dem Vertrag von Lissabon erhielt die Externer Link: Charta der Grundrechte der Europäischen Union rechtliche Verbindlichkeit. Sie war bereits beim Gipfeltreffen in Nizza im Dezember 2000 proklamiert worden, konnte aber wegen des Scheiterns des geplanten europäischen Verfassungsvertrages erst 2009 in Kraft treten. Damit erhielt die EU erstmals eine eigene Grund- und Freiheitsrechtebasis. Bis dahin hatte sich der Europäische Gerichtshof bei Bedarf auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gestützt, die alle Mitgliedstaaten des Europarates unterzeichnet haben.
Die Grundrechtecharta verbrieft in Artikel 11(1) die Meinungs(äußerungs)- sowie die Informationsfreiheit. Laut Artikel 11(2) werden die Freiheit der Medien und ihre Pluralität "geachtet". Der erste Absatz entspricht dem ersten Absatz von Artikel 10 der EMRK. Unsicherheit besteht hingegen bei der Auslegung des zweiten Absatzes von Artikel 11, der bezüglich der Freiheit der Medien und ihrer Pluralität das relativ schwache "geachtet" verwendet. Die vom Konvent, der die Grundrechtecharta erarbeitet hat, vorgelegten Erläuterungen verweisen hier speziell auf Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes in einem Urteil von 1991 (Externer Link: Stichting Collectieve Antennevoorziening Gouda u. a.), das das Allgemeininteresse an der Aufrechterhaltung eines pluralistischen Rundfunks festgestellt hat, sowie das seit 1997 rechtsverbindliche Externer Link: Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten, das die Entscheidung über dessen Ausgestaltung und Finanzierung in die Hände der Mitgliedstaaten legt.
Die Entwicklung der europäischen Medienpolitik – "Fernsehen ohne Grenzen"
Die Medien gerieten Anfang der 80er Jahre erstmals in das Blickfeld der europäischen Politik. Neue Technologien ermöglichten nun auch grenzüberschreitendes Fernsehen. Zunächst war es das Europäische Parlament, das darin eine Möglichkeit erkannte, grenzüberschreitendes Fernsehen für die europäische Integration nutzbar zu machen: Es setzte Hoffnungen auf die Entwicklung eines europäischen Fernsehsenders. Diese scheiterten jedoch vor allem an der Finanzierung, nicht zuletzt, weil ein Fernsehprogramm in mehreren Sprachen hohe Kosten verursacht.
Aufgrund der technischen Entwicklungen (Kabel, Satelliten) entdeckte jedoch bald danach die Europäische Kommission im Fernsehen ein Betätigungsfeld. Sie setzte sich zum Ziel, die Freiheit des Angebots und des Empfangs von Fernsehen über die Grenzen der EG-Mitgliedstaaten hinweg zu gewährleisten. Als hilfreich erwies sich dabei, dass der Europäische Gerichtshof bereits 1974 Fernsehen zu einer Dienstleistung erklärt hatte. Da der freie Verkehr von Dienstleistungen zu den Säulen des europäischen Binnenmarktes gehört, konnte die Kommission sich bezüglich des grenzüberschreitenden Fernsehens für zuständig erklären. Ein entscheidender Schritt bei diesen neuen medienpolitischen Aktivitäten war die Vorlage eines Interner Link: Grünbuches im Juni 1984, das schon in seinem Titel die Richtung vorgab: "Fernsehen ohne Grenzen – Grünbuch über die Errichtung des Gemeinsamen Marktes für den Rundfunk, insbesondere über Satellit und Kabel".
Es folgten jahrelange Beratungen, geprägt von kontroversen Auseinandersetzungen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten: Mehrere von ihnen zweifelten die Zuständigkeit der EG wegen ihrer fehlenden Kompetenz in Sachen Kultur an und lehnten die nur ökonomische Perspektive auf den Rundfunk ab. Manche hätten die Regulierung des grenzüberschreitenden Fernsehens lieber beim Europarat gesehen, der laut seiner Satzung auch für gemeinsames Handeln auf dem Gebiet der Kultur zuständig ist und daher gegenüber den Medien eine andere Perspektive einnimmt als die EU. Für die EU verabschiedete der Rat am 3. Oktober 1989 die Richtlinie "Fernsehen ohne Grenzen", meist einfach Fernsehrichtlinie genannt. Die Mitgliedstaaten hatten zwei Jahre Zeit, um die Vorgaben der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Bereits im Mai 1989 hatte der Europarat das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen (European Convention on Transfrontier Television) vorgelegt, das im Laufe der Verhandlungen der Richtlinie weitgehend angepasst worden war, um keinen Konflikt für die EG-Mitgliedstaaten zu provozieren, die alle auch Mitglieder im Europarat sind . Wegen des langwierigen Ratifizierungsverfahrens konnte das Übereinkommen des Europarates jedoch erst im Mai 1993 in Kraft treten.
Das »Sendestaatsprinzip«
Eine wichtige Voraussetzung für den freien Verkehr von Fernsehangeboten auf dem europäischen Binnenmarkt, den die Fernsehrichtlinie gewährleisten sollte, war das Interner Link: Sende- oder Herkunftslandprinzip: Die Kontrolle über die Einhaltung der Richtlinienvorschriften übernimmt jeweils das Land, in dem der Fernsehsender seinen Sitz hat. Nur in Ausnahmefällen kann ein anderes Land dann die Verbreitung grenzüberschreitender Fernsehsendungen untersagen.
InfokastenRegelungen der Fernsehrichtlinie
Zu den wichtigsten Regelungen der Fernsehrichtlinie gehörten
der Jugendschutz,
die Festlegung maximaler Werbeanteile,
das Gegendarstellungsrecht sowie
Förderung der Verbreitung und Herstellung europäischer Werke ("Quoten").
Diese legten fest, dass der Hauptanteil der Sendezeit europäischen Werken (ausgenommen Nachrichten, Sport, Spielshows) vorbehalten war. Außerdem sollten mindestens 10 % der Sendezeit oder der für das Programm vorgesehenen Mittel für unabhängige Produzenten zur Verfügung stehen. Als europäische Werke galten neben den Produktionen aus EG-Ländern auch solche aus den anderen Mitgliedstaaten des Europarates.
Diese Quoten waren höchst umstritten; insbesondere Deutschland wehrte sich gegen die Vorgaben mit dem Argument, es handele sich um einen Eingriff in die Programmautonomie der Sender. Die Quotenvorgaben, auf die vor allem Frankreich gedrängt hatte, sollten der Förderung der europäischen audiovisuellen Industrie und ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit dienen. Dahinter stand jedoch auch der Gedanke, die Importe vor allem aus den USA zurückzudrängen zu einer Zeit, als in Europa das kommerzielle Fernsehen Einzug hielt und die Nachfrage nach (preisgünstigen) Produktionen stieg. Aufgrund der kontroversen Diskussion bei der Vorbereitung der Fernsehrichtlinie wurde die Quotenvorgabe daher vorsichtig formuliert. Demnach tragen die Mitgliedstaaten Externer Link: im Rahmen des praktisch Durchführbaren und mit angemessenen Mitteln dafür Sorge, dass der Hauptanteil der Sendezeit insbesondere bei Filmen auf europäischen Werke entfällt. Dennoch lässt sich die Kommission regelmäßig aus den Mitgliedstaaten über die Einhaltung der Quoten berichten und veröffentlicht die Befunde.
Zusätzliche Förderung für die europäische audiovisuelle Industrie leistet die EU durch ihre seit 1991 mehrmals neu aufgelegten MEDIA-Programme, die vor allem den Verleih und Vertrieb von Filmen, Promotion-Aktivitäten sowie die Entwicklung von Projekten unterstützen. 2014 startete das fünfte Programm unter dem Titel Creative Europe MEDIA.
Die Fernsehrichtlinie "Fernsehen ohne Grenzen" wurde 1997 novelliert. Zum einen wurde das Sendestaats- bzw. Herkunftslandprinzip präzisiert. Zum anderen führte die überarbeitete Richtlinie die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten ein, Listen mit Ereignissen aufzustellen, denen sie hohe gesellschaftliche Bedeutung beimessen. Diese sind daher im frei zugänglichen Fernsehen zu zeigen, können also nicht exklusiv dem Bezahlfernsehen (Pay TV) vorbehalten bleiben. Deutschland hat diese Möglichkeit genutzt und neben den Olympischen Spielen auch Fußballspiele verschiedener nationaler und internationaler Wettbewerbe in die Liste aufgenommen.
Die "Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste"
Die technologische Entwicklung brachte neuen Regelungsbedarf mit sich. Dies führte nach jahrelangen Beratungen zu einer weitreichenden Neufassung der Richtlinie, die Parlament und Rat 2007 unter dem Titel Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste verabschiedeten. Nach mehreren Änderungen wurde 2010 eine kodifizierte Fassung vorgelegt .
Die neue Richtlinie sollte vor allem dem Problem Rechnung tragen, dass für die Übermittlung derselben Inhalte über verschiedene Kanäle unterschiedliche Regelungen bestanden:
Herkömmliche Fernsehangebote, die zum Empfang durch die Allgemeinheit bestimmt sind, unterlagen der Fernsehrichtlinie bzw. den nationalen Gesetzen, die die Regelungen der Richtlinie in nationales Recht fassten; in Deutschland geschieht das jeweils durch den Rundfunkstaatsvertrag.
Für Angebote derselben Inhalte im Internet oder als Interner Link: Video-on-Demand, die so genannte Abrufdienste darstellen, galt auf der europäischen Ebene jedoch die e-Commerce-Richtlinie; in Deutschland galt bis Ende 2006 der Mediendienste-Staatsvertrag.
Aufgrund der Interner Link: technischen Konvergenz sollte sich die neu gefasste Richtlinie nun nicht mehr am Übertragungsweg, sondern am Inhalt orientieren. Grundlegend für die neue Richtlinie war daher die Unterscheidung in lineare und nicht-lineare audiovisuelle Mediendienste. Die Richtlinie gilt allerdings nur für das Fernsehen und auf Abruf bereit gestellte audiovisuelle Mediendienste, die den Charakter von Massenmedien haben und zum Empfang durch einen wesentlichen Teil der Allgemeinheit angeboten werden.
InfokastenWas sind lineare/nichtlineare Dienste?
Lineare Dienste bezeichnen das herkömmliche Fernsehen, bei dem der Anbieter den zeitlichen Ablauf des Programms festlegt und der Nutzer keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Übertragung nehmen kann.
Nicht-lineare Dienste dagegen erlauben es dem Nutzer, aus einem Angebot auszuwählen und den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem ein spezifisches Programm abgerufen wird.
Ebenso wie seinerzeit nur für das Fernsehen war es Ziel der neu gefassten Richtlinie, einen einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen, um das Herkunftslandprinzip für alle Mediendienste anwenden zu können. Grenzüberschreitende Dienste unterliegen dann nur noch der Aufsicht des Landes, in dem die Unternehmen ihren Sitz haben, und werden nicht mehreren und je nach Land unterschiedlichen Kontrollen unterzogen. Die Legitimation für ihr Eingreifen bezog die EU daraus, dass sie audiovisuelle Mediendienste zur Dienstleistung im Sinne des Binnenmarkts erklärte. Sie betonte außerdem die Notwendigkeit einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene, um den Unternehmen Rechtssicherheit zu bieten und Verzerrungen aufgrund ungleicher Wettbewerbsbedingungen zu vermeiden.
Weil der individuelle Einfluss und die Auswahlmöglichkeiten bei nicht-linearen Angeboten größer sind als bei linearen, sieht die Richtlinie für traditionelles Fernsehen und die Abrufdienste unterschiedlich weit reichende Regelungen vor. Für die nicht-linearen Angebote gelten nur einige grundlegende Bestimmungen, während die herkömmlichen, audiovisuellen Angebote einer strengeren Regulierung unterzogen bleiben. Für alle Mediendienste gilt das Herkunftslandprinzip. Allerdings hat die Richtlinie die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten erweitert, bei einem missbräuchlichen Verhalten Maßnahmen gegen einen in einem anderen Land ansässigen Mediendiensteanbieter zu ergreifen und die Weiterleitung zu verhindern. Das gilt zum Beispiel bei Verstößen gegen den Jugendschutz oder bei Aufstachelung zu Hass aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Staatsangehörigkeit. Die Richtlinie lässt dabei jedoch zugleich erkennen, dass es sich nur um seltene Ausnahmen handeln kann.
Ebenfalls für alle audiovisuellen Mediendienste gelten die Grundregeln für die "kommerzielle Kommunikation" (Schutz der Menschenwürde, Diskriminierungsverbot, Verbot von Werbung für Tabakwaren und Arzneimittel, Jugendschutz). Damit bezeichnet die Richtlinie Fernsehwerbung, Sponsoring, Teleshopping sowie Produktplatzierung. Diese Mindestregeln gelten für Mediendienste auf Abruf, während für Fernsehwerbung zeitliche Vorgaben gelten.
Der Umgang mit Produktplatzierungen war bis zur Verabschiedung der Richtlinie umstritten und führte zu einer Kompromissregelung; demnach sind Produktplatzierungen generell untersagt. Abweichend von dieser Regelung sind sie aber zulässig in Kinofilmen, Filmen und Serien für audiovisuelle Mediendienste, Sportsendungen und Sendungen der leichten Unterhaltung.
Ebenfalls zulässig sind unentgeltliche Produktionshilfen. Es gelten jedoch besondere Bedingungen:
Die Beeinträchtigung der redaktionellen Unabhängigkeit des Anbieters muss ausgeschlossen sein.
Es darf keine unmittelbaren Kaufaufforderungen oder übermäßigen Hervorhebungen geben.
Außerdem ist auf Produktplatzierungen ist zu Beginn und am Ende einer Sendung hinzuweisen.
Es ist den Mitgliedstaaten freigestellt, eine strengere Regelung vorzunehmen, also etwa Produktplatzierungen gar nicht zuzulassen.
Während die Quotenregelungen für Fernsehveranstalter erhalten blieben, sieht die AVMD-Richtlinie (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) lediglich vor, dass sie die Produktion europäischer Werke und den Zugang zu europäischen Produktionen fördern. Diese Förderung könnte durch eine finanzielle Beteiligung an der Produktion europäischer Werke, den Erwerb von Rechten oder besondere Hervorhebung in den Programmkatalogen geschehen. Neu war die Einführung eines Rechts auf Kurzberichterstattung. Es ermöglicht jedem Fernsehveranstalter in der EU die Kurzberichterstattung über solche Ereignisse, die von einem großen öffentlichen Interesse sind und von einem Fernsehveranstalter exklusiv übertragen werden.
Die AVMD-Richtlinie war bis zum 19. Dezember 2009 in nationales Recht umzusetzen. Dabei gilt immer, dass die Mitgliedstaaten strengere Regeln (z. B. für Werbung) vorsehen, nicht aber großzügiger als die Richtlinienvorgaben sein dürfen. Deutschland bringt die europäischen Vorgaben jeweils in den Rundfunkstaatsvertrag ein, der nun entsprechend Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien heißt.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Druck
Die Europäische Kommission ist im Interesse des Binnenmarktes stets auf einen funktionsfähigen Wettbewerb auf den Märkten bedacht. Daher wäre es zu erwarten, dass sie auch die Konzentration im Mediensektor in den Blick nimmt, zumal in dieser Sache in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Regelungen bestehen. Tatsächlich gab es schon einmal Entwürfe für eine entsprechende Richtlinie, die allerdings nach Protesten aus den Mitgliedstaaten zurückgezogen wurden. Wohl aber hat sich die Kommission in den letzten Jahren mit dem Wettbewerb auf dem Rundfunkmarkt und insbesondere der Finanzierung des Public Service-Rundfunks (Interner Link: öffentlich-rechtlicher Rundfunk) in den Mitgliedstaaten befasst.
Aus verschiedenen EU-Ländern gingen in den 1990er Jahren Beschwerden kommerzieller Rundfunkveranstalter bei der Kommission ein. Sie zwangen diese zu klären, ob die Beihilfebestimmungen des EG-Vertrages auf die Interner Link: Rundfunkgebühren anzuwenden und womöglich als wettbewerbsverzerrende Beihilfen einzustufen sind. Nach Artikel 107 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der 2009 an die Stelle des EG-Vertrages getreten ist, "sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen". Sie können jedoch zulässig sein "zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes, soweit sie die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Union nicht in einem Maß beeinträchtigen, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft".
Diejenigen, die Rundfunkgebühren nicht als unzulässige Beihilfen verstanden wissen wollen, führen dagegen AEUV-Artikel 106 Absatz 2 ins Feld. Dort heißt es mit Bezug auf öffentliche Unternehmen:
QuellentextVertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union / AEUV-Artikel 106 Absatz 2
Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind [...], gelten die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert.
Artikel 108 des AEUV-Vertrages überträgt der Kommission die Überprüfung der mitgliedstaatlichen Beihilferegelungen und räumt ihr das Recht ein, Maßnahmen gegen etwaige unstatthafte Beihilfen zu ergreifen.
Wenn also:
die Gebühren und andere Formen der staatlichen Unterstützung als Beihilfen eingestuft werden, die
den Wettbewerb auf dem Rundfunkmarkt beeinträchtigen können, wäre die in vielen EU-Staaten gängige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Frage zu stellen.
Die Staats- und Regierungschefs ließen sich bei ihrem Gipfeltreffen in Amsterdam im Juni 1997 in einer Protokollerklärung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk "die Befugnis der Mitgliedstaaten [zusichern], den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren, sofern die Finanzierung der Rundfunkanstalten dem öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie er von den Mitgliedstaaten den Anstalten übertragen, festgelegt und ausgestaltet wird, dient und die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft, wobei den Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist". Sie trat mit dem Vertrag von Amsterdam am 1. Mai 1999 in Kraft.
Dennoch wurde die Kommission tätig und verabschiedete im Oktober 2001 zunächst eine Mitteilung "über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk". Diese sollte ein einheitliches und transparentes Vorgehen festlegen, nach dem geprüft wird, inwieweit diese Beihilfen zulässig bzw. geeignet sind, den Wettbewerb zu verzerren.
Demnach wollte die Kommission Ausnahmegenehmigungen nur erteilen, wenn eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse vorliegt und vom Mitgliedstaat als solche auch klar definiert ist. Außerdem muss jeder Mitgliedstaat den öffentlich-rechtlichen Auftrag definieren. Er wird durch eine „förmliche Rechtshandlung“ einem oder mehreren Unternehmen übertragen und durch die Einrichtung einer geeigneten Aufsichtsstelle ergänzt. Diese ist von den Rundfunkanstalten unabhängig und überwacht die Einhaltung des Auftrages. Die Wahl der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten blieb dabei den Mitgliedstaaten überlassen. Die Betonung der Transparenzanforderungen als Grundlage für die Beurteilung staatlicher Beihilfen sowie weitere Ausführungen machen deutlich, dass es der Kommission hier vor allem auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung ankam: Die Beihilfe dürfe die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrages nicht überschreiten; eine Überkompensation der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen beeinträchtige den Wettbewerb.
Seitdem hat die Kommission mehrmals Prüfungen punktueller Finanzhilfen sowie der allgemeinen Gebührenfinanzierung bzw. der Einnahmen und Ausgaben von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in mehreren Mitgliedstaaten vorgenommen.
Verfahren in anderen Staaten
Während die Kommission kurzfristige finanzielle Unterstützung in den meisten Fällen unbeanstandet ließ, erhielt die dänische Fernsehanstalt TV2 einen negativen Bescheid. Hier befand die Kommission auf Überkompensierung durch den Staat. Sie äußerte den Verdacht, dass TV2 womöglich Werbezeit zu ungerechtfertigt niedrigen Preisen angeboten hatte. Die Kommission forderte daher den dänischen Staat auf, den zu viel bezahlten Betrag (mehr als 84 Mio. Euro) zurückzufordern. Ähnlich erging es dem niederländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk Nederlandse Omroep Stichting (NOS). Im Juni 2006 befand die Kommission, dass die Beihilfen im Zeitraum 1994 bis 2005 den für die öffentliche Aufgabe notwendigen Mittelbedarf überstiegen hätten. NOS müsse daher 76,3 Mio. Euro zuzüglich Zinsen zurückzahlen.
Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in Deutschland
Schließlich gerieten die deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ins Visier der Kommission. Sie reagierte damit auf Beschwerden gegen verschiedene Aktivitäten von ARD und ZDF, die über das Gebührenaufkommen der Anstalten finanziert würden. Diese wären aber nicht durch ihren Auftrag gedeckt und daher geeignet, den Wettbewerb auf dem Rundfunkmarkt zu verzerren.
InfokastenÖffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten in Deutschland
Das betraf insbesondere
den Verstoß gegen die europäischen Auflagen für eine getrennte Buchführung (Tätigkeiten in allgemeinem wirtschaftlichem Interesse getrennt von anderen Tätigkeiten),
die Online-Dienste von ARD und ZDF sowie
den Erwerb und die Finanzierung von Sportrechten.
Dabei spielte eine Rolle, dass die deutschen öffentlich-rechtlichen Anstalten auch Einnahmen aus der Werbung haben und insofern mit den kommerziellen Rundfunkanbietern ebenfalls auf dem Werbemarkt konkurrieren. Letztlich ging die Sache glimpflich für die öffentlich-rechtlichen Anstalten aus: Für Rückzahlungen wie in anderen Ländern sah die Kommission keinen Anlass, sondern forderte insbesondere Präzisierungen beim Auftrag und Beschränkungen bei den Online-Angeboten der öffentlich-rechtlichen Sender.
Die Auseinandersetzung führte daher u. a. zur Aufnahme des Interner Link: Drei-Stufen-Tests für neue oder veränderte Telemedienangebote (als Interner Link: Telemedien bezeichnet der Rundfunkstaatsvertrag elektronische Informations- und Kommunikationsdienste). Dieser soll den public value der neuen Angebote einschätzen.
Für die Genehmigung dieser Angebote müssen die ARD-Anstalten, das ZDF und das von ihnen betriebene Deutschlandradio sich einem Verfahren unterziehen, in dem in drei Stufen zu prüfen ist:
Entsprechen ihre Angebote den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft?
Tragen ihre Angebote in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb bei?
Welcher finanzielle Aufwand ist für ihre Angebote erforderlich?
Das zuständige Gremium für die Beurteilung geplanter Telemedienangebote ist der Rundfunk- bzw. Fernsehrat, der Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben hat. Die gutachterliche Beratung der Gremien durch unabhängige Sachverständige sowie die im Rundfunkstaatsvertrag geforderten Gutachten zu den marktlichen Auswirkungen hat nicht nur erheblichen Aufwand, sondern vor allem auch beträchtliche Kosten mit sich gebracht, die von den Rundfunkanstalten zu tragen sind. Andererseits sind diese externen Stellungnahmen auch deshalb angebracht, weil die gewissermaßen interne Prüfung geplanter Telemedienangebote Kritik auf sich gezogen hat.
QuellentextII. Abschnitt: Vorschriften für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
§ 11 Auftrag
(1) Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.
(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.
[...]
(4) Ist ein neues Angebot oder die Veränderung eines bestehenden Angebots nach Absatz 1 geplant, hat die Rundfunkanstalt gegenüber ihrem zuständigen Gremium darzulegen, dass das geplante, neue oder veränderte, Angebot vom Auftrag umfasst ist. Es sind Aussagen darüber zu treffen,
inwieweit das Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht,
in welchem Umfang durch das Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beigetragen wird und
welcher finanzielle Aufwand für das Angebot erforderlich ist.
Dabei sind Quantität und Qualität der vorhandenen frei zugänglichen Angebote, die marktlichen Auswirkungen des geplanten Angebots sowie dessen meinungsbildende Funktion angesichts bereits vorhandener vergleichbarer Angebote, auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zu berücksichtigen. Darzulegen ist der voraussichtliche Zeitraum, innerhalb dessen das Angebot stattfinden soll.
Die Bedenken der Europäischen Kommission bezüglich der Rundfunkgebühren oder anderer garantierter Finanzierungsarten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks könnten jedoch auch in Zukunft zu Auseinandersetzungen zwischen europäischer und nationaler Ebene führen. Zum 1. Januar 2013 hat Deutschland die Rundfunkgebühr, die ARD, ZDF und Deutschlandradio zu Gute kommt und zur Finanzierung der Landesmedienanstalten beiträgt, auf eine Haushaltsabgabe umgestellt. Damit hat man der technischen »Konvergenz« Rechnung getragen, die die bisherige gerätegebundene Gebühr in Frage gestellt hat. Andere EU-Mitgliedstaaten finanzieren ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch Steuern, was jedoch ähnliche Fragen aufwirft, wie sie die Rundfunkgebühren betreffen.
Orientierte sich die Rundfunkgebühr bis dahin am Vorhandensein eines Radio- und/oder Fernsehgerätes, berechnet sich der Rundfunkbeitrag seit 2013 pro Haushalt; außerdem sind Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen des Gemeinwohls beitragspflichtig. Wie bisher ist die Rundfunkabgabe damit also unabhängig von der tatsächlichen Nutzung. Zahlreiche Klagen gegen die Abgabenpflicht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind bislang abgewiesen worden. Die Umstellung auf eine Abgabe hat den öffentlich-rechtlichen Anstalten höhere Einnahmen beschert, so dass es zum 1. April 2015 zu einer minimalen Senkung des monatlichen Betrages gekommen ist.
Ein sichererer Weg wäre es, den öffentlich-rechtlichen Anstalten die Werbung zu verbieten, weil sie dann nicht mehr mit den kommerziellen Veranstaltern auf dem Werbemarkt konkurrieren. Das ist das Modell der BBC. In Frankreich schaffte Präsident Nicolas Sarkozy die Werbung in den Programmen des öffentlichen Fernsehens (France Télévisions) nach 20:00 Uhr ab, stürzte dieses jedoch damit in finanzielle Schwierigkeiten, zumal dem Staat die versprochene Kompensation in Anbetracht klammer Kassen schwer fiel. Außerdem geriet das französische öffentliche Fernsehen damit in eine noch stärkere Abhängigkeit von der Regierung. 2010 hat auch Spanien seinen Public Service-Veranstaltern die Werbung gestrichen. Dort gibt es jedoch keine Rundfunkgebühren, so dass das öffentliche Fernsehen jetzt nur noch aus dem Staatshaushalt finanziert wird. Die Finanzkrise hat die spanische Regierung gezwungen, auch im Budget für den öffentlichen Rundfunk Abstriche zu machen, so dass dieser erst recht in eine prekäre finanzielle Situation geraten ist.
Auch wenn die Werbeumsätze der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland zurückgegangen sind, lassen die Forderungen, die Werbung abzuschaffen, nicht nach. Einer Kalkulation der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten zufolge würde der Kompensationsbetrag bei einem Wegfall von Werbung und Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk 1,25 Euro betragen, würde also eine kräftige Erhöhung des Rundbeitrages nach sich ziehen.
Ausblick
In der EU gilt das Interner Link: Subsidiaritätsprinzip. Das heißt, wo die Gemeinschaft nicht die alleinige Regelungskompetenz hat, muss sie ihr Tätigwerden besonders begründen, etwa dadurch, dass eine gemeinschaftliche Lösung vorteilhafter ist als eine nationale Regelung. Die Gelegenheit für medienpolitische Aktivitäten bot sich, als die technologische Entwicklung den grenzüberschreitenden Rundfunk mit sich brachte.
Allerdings konnte die Gemeinschaft ihre medienpolitische Tätigkeit nur auf ihre Kompetenz zur Durchsetzung des freien Binnenmarktes stützen, da Kultur Sache der Mitgliedstaaten ist. Mit dem Vertrag von Maastricht, der 1993 in Kraft trat, eröffnete sich der EU dann doch eine, wenn auch begrenzte, kulturelle Perspektive. Seitdem enthält der Vertrag (heute AEUV) einen Titel zur Kultur, der betont, dass die Union "einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes [leistet]". Die so genannte Kulturverträglichkeitsklausel verpflichtet die Union, bei ihren Maßnahmen "Externer Link: den kulturellen Aspekten Rechnung [zu tragen], insbesondere zur Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen". Auch wenn nun bei den medienpolitischen Aktivitäten zunehmend auf kulturelle Aspekte verwiesen wird, dominiert gerade bei der EU-Kommission doch die ökonomische Perspektive auf die Medien. Im Vergleich dazu nimmt das Parlament stärker die gesellschaftlichen Funktionen der Medien in den Blick.
In den letzten Jahren hat es Anzeichen dafür gegeben, dass die Kommission sich nun doch wieder dem Thema Medienvielfalt annähert. Zwar wird noch immer die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für den Erhalt von Medienfreiheit und Medienvielfalt betont, dennoch lässt sich aus Artikel 11(2) der Grundrechtecharta eine Rechtfertigung für entsprechende Aktivitäten der Gemeinschaft ableiten. Dafür spricht auch die Einrichtung eines Centre for Media Pluralism and Media Freedom am European University Institute in Florenz, das von der Kommission auch mit der Entwicklung und Implementierung eines Media Pluralism Monitor beauftragt wurde.
Mit der Internationalisierung des Mediengeschäfts hat die EU im Laufe der Jahre erheblich an Einfluss auf den Mediensektor gewonnen. Das galt zunächst vorrangig für das Fernsehen wegen seines grenzüberschreitenden Charakters, denn Radio und Zeitungen sind stärker national organisiert. Die Entwicklung der Online-Kommunikation sowie die Konvergenz der Kommunikations- und Informationstechnologien haben das Betätigungsfeld der Gemeinschaft noch einmal deutlich erweitert. Jetzt hat sie sich die Schaffung des Externer Link: digitalen Binnenmarktes auf ihre Fahnen geschrieben, in dem sie vor allem auch Wachstumschancen für die europäische digitale Wirtschaft erkannt hat. Dazu haben Europäisches Parlament und Rat u. a. im Oktober 2015 eine Verordnung über Maßnahmen für den Externer Link: Zugang zum "offenen Internet" beschlossen, die die Weiterleitung von Datenpaketen in den digitalen Netzen betrifft.
Auch wenn die Verordnung, die ab Mai 2016 gilt, auf "gemeinsame Regeln zur Wahrung der gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Behandlung des Datenverkehrs" zielt, musste sich die EU Kritik wegen mangelhafter Verpflichtung der Netzbetreiber auf eine echte Netzneutralität gefallen lassen. Mit ihrer kurz nach der Verabschiedung der Verordnung erfolgten Ankündigung einer Vorzugsbehandlung entsprechend zahlender Kunden hat die Deutsche Telekom die Kritiker dann auch bestätigt.
Diese Aktivitäten zeigen, dass es wieder einmal die technologische Entwicklung war, die der EU eine Ausweitung ihres Einflusses im Kommunikationssektor erlaubt und ihre Rolle als einem mächtigen und mächtiger werdenden Akteur der Medienpolitik gestärkt hat.
Dr. Christina Holtz-Bacha ist Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Politische Kommunikation, Europäische Medienpolitik und Mediensysteme.
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